Leitsatz (amtlich)

Gibt ein Arbeitnehmer seine unselbständige Tätigkeit auf, um an einem anderen Ort eine gleichartige freiberufliche Tätigkeit aufzunehmen, so sind die Kosten der Verlegung seiner Familienwohnung an den anderen Ort (Umzugskosten) in der Regel Betriebsausgaben.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig war bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1965 der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (Gesellschaft), ob die dem Revisionsbeklagten (Gesellschafter) durch seinen Umzug entstandenen Kosten als Betriebsausgaben abgesetzt werden durften.

Der Gesellschafter war bis zum 31. Dezember 1964 als Dipl.-Ingenieur im Angestelltenverhältnis bei der Technischen Hochschule in X mit der Aufstellung und Prüfung statischer Bauberechnungen und der Konstruktionsabnahme schwieriger Bauausführungen tätig und wohnte mit seiner Familie in X. Am 1. Januar 1965 wurde er Mitunternehmer der ein Ingenieurbüro unterhaltenden Gesellschaft in Y, wohin er im Laufe des Streitjahres mit seiner Familie umzog. Dadurch entstanden ihm eigentliche Umzugskosten in Höhe von 685,80 DM und Maklergebühren für die Beschaffung der neuen Wohnung in Höhe von 600 DM. Der Revisionskläger (FA) lehnte den vom Gesellschafter bei der einheitlichen Gewinnfeststellung der Gesellschaft als Sonderbetriebsausgabe verlangten Abzug dieser Aufwendungen in Höhe von 1 285,80 DM mit der Begründung ab, daß es sich um nicht abzugsfähige Kosten der Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG) handele, weil der Gesellschafter zur Begründung einer neuen Lebensstellung an einen anderen Ort umgezogen sei.

Die Klage des Gesellschafters hatte Erfolg. Das FG begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt. Umzugskosten seien in der Regel Kosten der Lebensführung und deshalb nicht abzugsfähig. Nach der Rechtsprechung des BFH seien Umzugskosten indessen Betriebsausgaben oder Werbungskosten, wenn der Steuerpflichtige in der neuen Stellung an einem anderen Ort seine bisherige Tätigkeit fortführe und keine neue Lebensstellung begründe. Der Wechsel vom Angestelltenverhältnis zum freien Beruf sei nach Auffassung des BFH ein solcher Wechsel der Lebensstellung. Für eine solche allgemeine Einschränkung der Anerkennung der Umzugskosten als Betriebsausgaben biete das Gesetz jedoch keinen Anhalt. Dabei habe das FG auch die Änderung in Abschn. 21a LStR 1966 berücksichtigt, wonach bei einem Arbeitnehmer der Umzug auch dann dienstlich veranlaßt sei, wenn es sich um den erstmaligen Antritt einer Stellung handele. Ob Umzugskosten Werbungskosten oder Betriebsausgaben seien, könne nur einheitlich beantwortet werden. Deshalb müßten auch Umzugskosten, die allein durch die erstmalige Begründung eines freien Berufes oder eines Gewerbebetriebes durch einen bisherigen Arbeitnehmer veranlaßt worden seien, als Betriebsausgaben anerkannt werden.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision des FA ist nicht begründet.

Dem FG ist darin zuzustimmen, daß die Aufwendungen eines Steuerpflichtigen, die mit der Beschaffung einer Familienwohnung zusammenhängen, grundsätzlich zu den nicht abzugsfähigen Kosten der Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG) gehören. Aus der bisherigen Rechtsprechung des RFH und des BFH zog das FA zutreffend die Folgerung, daß dieser Grundsatz auch für Umzugskosten galt, wenn damit die Begründung einer neuen anders gearteten Lebensstellung am Ort des Umzugs verbunden war. So hat der RFH in den Urteilen VI A 155/30 vom 15. April 1931, RStBl 1931, 875, und VI A 4/35 vom 29. Januar 1936, RStBl 1936, 588, die Umzugskosten eines Freiberuflers und eines pensionierten Beamten an einen anderen Ort, an dem der Freiberufler Arbeitnehmer und der Beamte Freiberufler wurden, grundsätzlich weder als Werbungskosten noch als Betriebsausgaben zum Abzug zugelassen, weil von Sonderfällen abgesehen der Wechsel zwischen einem freien Beruf und einer Arbeitnehmertätigkeit die Begründung einer neuen Lebensstellung darstelle. Wenn dagegen ein Arbeitnehmer umzieht, um bei einem anderen Arbeitgeber eine im wesentlichen gleichartige Stellung anzutreten, hat der RFH im Urteil VI A 579/36 vom 11. November 1936, RStBl 1937, 264, die Umzugskosten als Werbungskosten anerkannt.

Von den Grundsätzen dieser Entscheidung geht auch der BFH im Urteil VI 37/60 vom 25. November 1960 (HFR 1961, 57) aus, indem er in der neuen, nicht wesentlich anders gearteten Stellung trotz Wechsels des Arbeitgebers eine Fortsetzung der bisherigen Stellung sieht. Eine gewisse Einschränkung dieser Grundsätze bringen die beiden BFH-Urteile VI 266/62 U vom 2. August 1963 (BFH 77, 433, BStBl III 1963, 482), und VI 122/63 vom 13. Mai 1964 (HFR 1964, 385) indem sie die Höhe der Abzugsfähigkeit der Umzugskosten nach den für versetzte Beamte geltenden Grundsätzen bemessen und der Ablehnung der Erstattung der Umzugskosten eines Beamten durch die Behörde Bedeutung beimessen. Von den Grundsätzen dieser Rechtsprechung weichen die LStR 1966 in Abschn. 21a insofern ab, als die Umzugskosten grundsätzlich auch dann als Werbungskosten bei einem Arbeitnehmer zum Abzug zugelassen werden, wenn der Steuerpflichtige am Ort des Umzugs erstmals eine Stellung als Arbeitnehmer antritt und damit dort seine erste Lebensstellung begründet. Danach soll es für die Abzugsfähigkeit auch nicht mehr darauf ankommen, ob sich die Arbeitnehmertätigkeit am Ort des Umzugs von der Arbeitnehmertätigkeit am bisherigen Wohnort wesentlich unterscheidet.

Der erkennende Senat ist der Auffassung, daß die Entwicklung der Verhältnisse eine gewisse Auflockerung der Grundsätze der bisherigen Rechtsprechung rechtfertigt. In Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung ist auch weiter davon auszugehen, daß die Aufwendungen eines Steuerpflichtigen, die mit der Beschaffung, Ausgestaltung und Ausstattung der Familienwohnung zusammenhängen, auch dann zu den nicht abzugsfähigen Kosten der Lebensführung gehören, wenn sie mit einem durch berufliche Erwägungen veranlaßten Umzug vom bisherigen Wohnsitz an einen anderen Ort der neuen beruflichen Tätigkeit zusammenhängen. Da aber die Rechtsprechung schon bisher einen engen, den Abzug der Umzugskosten als Werbungskosten rechtfertigenden Zusammenhang des Umzugs mit der beruflichen Tätigkeit annimmt, wenn ein Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz an einen anderen Ort bei einem anderen Arbeitgeber verlegt, sofern damit keine wesentlich anders geartete Stellung verbunden ist, so erscheint es geboten, daraus Folgerungen auch für die Fälle zu ziehen, in denen sich der Inhalt der bisherigen Tätigkeit nicht wesentlich verändert, nach den Vorschriften des EStG aber ein Wechsel der Einkunftsart eintritt. Das gilt z. B., wenn ein bisheriger Arbeitnehmer an einem anderen Ort Freiberufler oder ein bisheriger Freiberufler an einem anderen Ort Arbeitnehmer wird und damit keine wesentliche Veränderung seiner beruflichen, wirtschaftlichen und seiner Vorbildung entsprechenden Tätigkeit verbunden ist. Diese Angleichung an die für Arbeitnehmer entwickelte Rechtsprechung kann zwar auch für Gewerbetreibende von Bedeutung werden, aber nur dann, wenn ihre persönliche Arbeitsleistung im Vordergrund steht und der Kapitaleinsatz demgegenüber in den Hintergrund tritt, z. B. bei Handelsvertretern. Der Senat legt also keinen entscheidenden Wert mehr auf den Wechsel der Art der Einkünfte, wenn nur die berufliche Tätigkeit sich nicht wesentlich verändert. Das schließt im Einzelfall nicht aus, daß, auch wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, Erwägungen der Lebensführung eine nicht ganz untergeordnete Rolle mit der Folge spielen, daß die gesamten Umzugskosten nicht abzugsfähig sind, z. B. bei der Verlegung des Wohnsitzes vom Ausland ins Inland.

Der Senat hat keine Veranlassung, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob und unter welchen Voraussetzungen Umzugskosten Werbungskosten oder Betriebsausgaben sein können, wenn damit der erstmalige Antritt einer Lebensstellung verbunden ist und der Steuerpflichtige bisher nicht beruflich tätig war. Ob der Auffassung in Abschn. 21a LStR 1966 zugestimmt werden kann und ob bei Zustimmung daraus auch für andersartige berufliche Einkünfte Folgerungen gezogen werden dürfen, läßt der Senat offen.

Es kann zweifelhaft sein, ob die als Betriebsausgaben geltend gemachten Maklerkosten für die neue Wohnung zu den abzugsfähigen Umzugskosten oder zu den in der Regel nicht abzugsfähigen unmittelbaren Aufwendungen für die neue Wohnung gehören. Bei der Abgrenzung der abzugsfähigen Umzugskosten und der Bestimmung ihrer beruflich veranlaßten Höhe kann es in Zweifelsfällen von Bedeutung sein, ob der Gesetzgeber dazu auf einem anderen Rechtsgebiet eine Regelung getroffen hat. Das ist hier der Fall. Denn die Verordnung über die Erstattung der nachgewiesenen sonstigen Umzugsauslagen vom 3. Juli 1964 (BGBl I 1964, 438), die die nach § 10 des Bundesumzugskostengesetzes vom 8. April 1964 (BGBl I 1964, 253) einem Beamten zu erstattenden sonstigen Umzugskosten nach Art und Umfang abgrenzt, bestimmt in § 2 Nr. 14, daß als sonstige Umzugskosten Auslagen für Anzeigen, ortsübliche Vermittlungsgebühren und amtliche Gebühren zum Zwecke der Wohnungsbeschaffung anerkannt werden. Daraus darf allerdings nicht allgemein gefolgert werden, daß alle Beträge, die einem Beamten aus Anlaß eines dienstlich angeordneten Umzuges gezahlt werden, zu den abzugsfähigen Umzugskosten gehören. Das gilt z. B. nicht für die Erstattung von Aufwendungen, die mit der Einrichtung der neuen Wohnung in unmittelbarem Zusammenhang stehen.

Der I., VI. und VIII. Senat haben gegen die Entscheidung keine Einwendungen erhoben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413171

BStBl II 1972, 458

BFHE 1972, 20

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