Entscheidungsstichwort (Thema)

Verbrauchsteuern Verfahrensrecht, Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

§ 63 AO verstößt nicht gegen das Grundgesetz.

§ 65 BrMonG verstößt nicht gegen den in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten Grundsatz der Gleichheit aller vor dem Gesetz.

Bei der Ermittlung der Herstellungskosten nach § 65 BrMonG sind die in den LSP niedergelegten Erkenntnisse mit der Maßgabe anwendbar, daß die einzelnen Kostenelemente der Leitsätze eine der konkreten Aufgabenstellung - Festsetzung des Grundpreises - angemessene Festlegung erfahren.

Der Begriff "Herstellungskosten" nach § 65 BrMonG deckt sich mit dem Selbstkostenbegriff der LSP mit folgenden Einschränkungen:

Das verwendungsfähige Nebenprodukt Schlempe ist den Stoffkosten nach Nr. 21 LSP nicht gutzuschreiben, weil die Schlempe nach § 65 a. a. O. dem Brennereibesitzer kostenfrei zu belassen ist.

2. Der nach Nr. 22 LSP zu gewährende kalkulatorische Unternehmerlohn ist in Anbetracht des Charakters der Brennerei als eines landwirtschaftlichen Nebenbetriebs nur mit dem entsprechenden Bruchteil einzusetzen, der dem Einsatz des Unternehmers in der Brennerei im Rahmen seiner vollen Arbeitsleistung als Unternehmer Rechnung trägt.

Die Monopolverwaltung ist rechtlich nicht verpflichtet, bei der Festsetzung der übernahmepreise für Branntwein aus andern Stoffen als Kartoffeln die Grundsätze zu beachten, nach denen bei der Ermittlung des Grundpreises nach § 65 BrMonG zu verfahren ist.

Die Zuschläge zum und die Abzüge vom Grundpreis für Branntwein aus anderen Stoffen als Kartoffeln nach § 72 Abs. 1 BrMonG sind von der Monopolverwaltung im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens unter Beachtung ihrer Verpflichtung nach § 5 BrMonG, alle ihre Maßnahmen nach kaufmännischen Grundsätzen zu treffen, und unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben zu bemessen.

BrMonG §§ 5, 65, 75 Abs. 1; Gesetz des Wirtschaftsrats zur änderung des Gesetzes über das Branntweinmonopol vom 21. Oktober 1948 § 1 Nr. I und II; AO §§ 2 Abs. 2, 63; BFHG §§ 2, 6 Abs. 1;

 

Normenkette

BrMonG § 5; BrMonG § 65; BrMonG § 72 Abs. 1; AO § 2 Abs. 2, § 63; BFHG §§ 2, 6/1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Bundesminister der Finanzen in Bonn hat den Bundesfinanzhof nach § 2 des Gesetzes über den Bundesfinanzhof vom 29. Juni 1950 in Verbindung mit § 63 der Reichsabgabenordnung um Erstattung eines Gutachtens zu folgenden Rechtsfragen ersucht:

Inwieweit sind bei der Ermittlung der Herstellungskosten nach § 65 des Branntweinmonopolgesetzes die Grundsätze der LSP (Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten - Anlage zu VOPR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen vom 21. November 1953, Bundesanzeiger Nr. 244 vom 18. Dezember 1953 -) anwendbar? Deckt sich insbesondere der Begriff "Herstellungskosten" des § 65 des Branntweinmonopolgesetzes mit dem Selbstkostenbegriff der LSP? Wenn das nicht der Fall ist, welche von den LSP den Selbstkosten zugerechneten Kostenarten haben bei der Ermittlung der Herstellungskosten nach § 65 des Branntweinmonopolgesetzes etwa auszuscheiden?

Muß die Bundesmonopolverwaltung bei der Festsetzung der übernahmepreise für Branntwein aus andern Stoffen als Kartoffeln die Grundsätze beachten, nach denen bei der Ermittlung des Branntweingrundpreises zu verfahren ist? Nach welchen Grundsätzen sind die Zuschläge zum und die Abzüge vom Branntweingrundpreis für Branntwein aus andern Stoffen als Kartoffeln nach § 72 Abs. 1 des Branntweinmonopolgesetzes zu bemessen?

 

Entscheidungsgründe

Der V. Senat des Bundesfinanzhofs hat hierzu in der Sitzung vom 6. November 1956 wie folgt Stellung genommen:

I. - Wie der Senat bereits in dem Gutachten V z D 4/54 S vom 23. Februar 1955 (Slg. Bd. 60 S. 220, Bundessteuerblatt - BStBl - 1955 III S. 86) ausgeführt hat, kommt dem § 63 der Reichsabgabenordnung (AO) nicht nur die Bedeutung zu, gutachtlich über das Bestehen einer Steuerpflicht schon in dem Zeitpunkt zu befinden, in dem dem Bundesfinanzhof ein konkreter Streitfall noch nicht vorliegt. Der Sinn dieser Vorschrift kann vielmehr nur der sein, daß alle Streitfragen, die durch die Steuergesetze in deren Rechtskreis entstehen können, dem Bundesfinanzhof zur Begutachtung vorgelegt werden dürfen, und zwar auch dann, wenn es sich nicht um die Steuerpflicht einzelner handelt, also nur um solche Streitfragen, in denen der Bundesfinanzhof gegebenenfalls als Spruch- oder Beschlußbehörde zu entscheiden hätte. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Große Senat des Reichsfinanzhofs in seinem Gutachten Gr.S. D 1/27 vom 23. Mai 1927 (Slg. Bd. 21 S. 234 ff.) die Befugnis zur Gutachtenerstattung auf die Streitfragen beschränken wollte, in denen der Reichsfinanzhof gegebenenfalls als Spruch- oder Beschlußbehörde zu entscheiden hätte. In dem damals zur Entscheidung vorliegenden Falle hatte er die Möglichkeit, daß er als Spruch- oder Beschlußbehörde in Anspruch genommen werden könnte, bejaht. Er konnte sich deshalb auf die von ihm getroffene Feststellung beschränken, ohne daß es für ihn geboten war, auf die Frage einzugehen, ob die Befugnis für die Gutachtertätigkeit nur in diesem engen Rahmen gegeben ist.

Wollte man den § 63 AO in so engem Sinne auslegen, so hätte die Zuständigkeit für die Gutachtertätigkeit durch eine Bezugnahme auf § 52 AO geregelt werden können. § 63 AO verwendet aber im Gegensatz zu § 52 AO, zu dem auch sonst eine Verbindung nicht erkennbar ist, den umfassenden Ausdruck "Auslegung der Steuergesetze" (vgl. dazu auch Becker, AO, 7. Aufl. zu § 43 S. 179). Die hier vertretene weite Auslegung des § 63 AO erklärt sich aus dem dringenden Bedürfnis, auch Fragen grundsätzlicher und allgemeiner Art, die sich bei der Auslegung von Steuergesetzen ergeben und den Zuständigkeitsbereich der Finanzverwaltung berühren, in klarer Ausbreitung der Probleme und möglichst rasch dem Bundesfinanzhof vorlegen zu können (vgl. hierzu Popitz, Betrachtungen über Errichtung und Einrichtung des Reichsfinanzhofs, Steuer und Wirtschaft 1928, Sp. 971, 985). Die Vorschrift dient der Rechtsklarheit. Sie läßt die gutachtliche Tätigkeit des Bundesfinanzhofs über alle "Fragen der Auslegung der Steuergesetze" zu, selbst wenn in letzter Instanz über sie Verwaltungsbehörden oder andere höchste Gerichtshöfe zu entscheiden haben (siehe auch Gutachten des Reichsfinanzhofs V D 11/25 vom 8. Juni 1926, Slg. Bd. 19 S. 125). Die gutachtliche Tätigkeit ist von besonderer Bedeutung und in den Bedürfnissen der Bundesfinanzverwaltung und der Finanzverwaltungen der Länder begründet. Neben dem Streitverfahren hat diese gutachtliche Tätigkeit, die der Senat in seinem Gutachten V D 1/53 S vom 21. Januar 1954 (Slg. Bd. 58 S. 556, BStBl 1954 III S. 122) als Gerichtsverwaltungstätigkeit bezeichnet hat, wegen der Unabhängigkeit der Gutachter einerseits und der mangelnden Bindung andererseits die Eigenschaft eines neutralen Aktes.

Damit ist auch der Einwand hinfällig, daß diese gutachtliche Tätigkeit gegen den in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (GG) verankerten Grundsatz der Gewaltenteilung verstoße. Es sei dabei auch noch darauf hingewiesen, daß §§ 2, 6 Abs. 1 des Gesetzes über den Bundesfinanzhof vom 29. Juni 1950 (BFHG), das erst nach Erlaß des Grundgesetzes ergangen ist, ausdrücklich bestätigt, daß Fragen der Auslegung der Steuergesetze dem Bundesfinanzhof zur Begutachtung vorgelegt werden können. Auf Grund der Verfügung des Präsidenten des Bundesfinanzhofs vom 13. November 1950 ist die Anhörung der beteiligten Kreise bereits im Vorerörterungsverfahren empfohlen worden (vgl. auch Friedrich in "Der Betriebs-Berater" 1951 S. 46). Hiernach ist verfahren worden. Es entspricht im allgemeinen der übung des Bundesfinanzhofs, allen an der Beurteilung der zu begutachtenden Fragen interessierten Kreisen Gelegenheit zur Darlegung ihrer Auffassung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu geben (vgl. das oben erwähnte Gutachten des Bundesfinanzhofs V z D 4/54 S vom 23. Februar 1955). In Verfolg dieser übung hat der Senat im vorliegenden Fall in entsprechender Anwendung der §§ 287, 295 AO dem an den zu begutachtenden Fragen interessierten Bundesminister für Wirtschaft und dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein sowie den Spitzenverbänden der Branntweinwirtschaft Gelegenheit gegeben, ihre Auffassung zu den aufgeworfenen Fragen schriftlich oder mündlich vor dem Senat darzulegen. Der Einwand des mangelnden rechtlichen Gehörs ist deshalb nicht begründet. Daß solche Anhörung stets in einer förmlichen mündlichen Verhandlung zu geschehen habe, sehen die Verfahrensvorschriften der AO nicht einmal im Streitverfahren vor, solange dies nicht ausdrücklich beantragt worden ist. Eine Protokollierung der Aussagen und Erklärungen, die vor dem Senat abgegeben werden, ist nicht vorgeschrieben.

Unter Berücksichtigung und Beachtung dieser Grundsätze hat der Senat in dem vorstehend erwähnten Gutachten V z D 4/54 S vom 23. Februar 1955 seine Zuständigkeit nach § 63 AO für die Erstattung eines Gutachtens über eine Frage aus dem Biersteuergesetz, die als solche einer Spruch- oder Beschlußentscheidung durch den Bundesfinanzhof nicht zugeführt werden konnte, bejaht.

Die in dem vorliegenden Gutachtenantrag aufgeworfenen Fragen betreffen die Auslegung von Bestimmungen des Branntweinmonopolgesetzes. Dieses Gesetz ist ein Steuergesetz. Nach § 2 Abs. 2 Ziff. 5 AO sind Steuergesetze im Sinne der AO Gesetze, die die einzelnen Steuern, für deren Verwaltung die AO gilt, regeln oder sichern. Durch das Gesetz des Wirtschaftsrats zur änderung des Gesetzes über das Branntweinmonopol vom 21. Oktober 1948 § 1 Nr. I wird der Branntwein einer Besteuerung unterworfen, nach Nr. II a. a. O. ist die Steuer eine Verbrauchsteuer im Sinne der AO. Es handelt sich also um die Auslegung von Bestimmungen eines Steuergesetzes.

Nach allem bejaht der Senat seine Zuständigkeit zur Erstattung eines Gutachtens über die ihm vorgelegten Fragen.

II. - Wie unter I. dargetan, betreffen die dem Senat von dem Bundesminister der Finanzen zur Begutachtung vorgelegten Fragen die Auslegung von Bestimmungen eines Verbrauchsteuergesetzes. Bei der Anwendung der in Betracht kommenden Bestimmungen haben sich in der Praxis Zweifel ergeben. Gesetzliche Vorschriften, deren Sinngehalt zu Zweifeln Anlaß gibt, die sich aus dem Wortlaut ergeben, bedürfen der Auslegung. Aufgabe der Auslegung ist es, Sinn und Zweck der fraglichen Gesetzesbestimmung zu erforschen. Als Ausgangspunkt der Auslegung aller Steuergesetze kommt zunächst stets der Wortlaut in Betracht. Dies hat der Senat wiederholt ausgesprochen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs V 262/54 U vom 8. Februar 1955, Slg. Bd. 60 S. 306, BStBl 1955 III S. 117). Darüber hinaus hat er sich aber auch verschiedentlich dahin geäußert, daß bei etwaigen Zweifeln bei der Auslegung nach dem Wortlaut auf den Gebieten des Umsatzsteuerrechts, des Verbrauchsteuer- und Zollrechts grundsätzlich der Entstehungsgeschichte ausschlaggebende Bedeutung zukommt (vgl. Beschluß V z B 12 und 13/53 S vom 26. Januar 1954, Slg. Bd. 58 S. 604, BStBl 1954 III S. 141; Urteil V 16/55 S vom 24. November 1955, Slg. Bd. 62 S. 276, BStBl 1956 III S. 98). Hiernach kann auf dem Gebiet der Umsatzsteuer, der Zölle und Verbrauchsteuern, bei denen wirtschaftliche Gesichtspunkte in ganz anderem Maße im Vordergrund stehen als etwa auf dem Gebiet der Rechtsverkehrsteuern (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs II 67/52 U vom 22. Oktober 1952, Slg. Bd. 56 S. 809, BStBl 1952 III S. 310) auf eine Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte nicht verzichtet werden, wenn nicht die Rechtsprechung im luftleeren Raum erfolgen soll (vgl. Wauer, Steuer und Wirtschaft 1956 Sp. 531, auch Finanzrundschau 1954 S. 312). Bemerkenswert in diesem Zusammenhang erscheint es, daß das Bundesverfassungsgericht nach Ergehen seines Urteils 2 BvH 2/52 vom 21. Mai 1952, (Bundesverfassungsgericht-Entscheidungen Bd. 1 S. 299, 312), - wonach für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den dieser hineingestellt ist, maßgebend ist, - neuerdings in dem Beschluß 1 BvO 2/52 vom 30. November 1955 (Bundesverfassungsgericht- Entscheidungen Bd. 4 S. 358 ff.) der Entstehungsgeschichte ein erhebliches Gewicht beigemessen hat. Vgl. dazu auch die Stellungnahme des Berichterstatters für den Beschluß in Juristenzeitung 1956 S. 93 unter I letzter Satz, in der ausgesprochen wird, daß es nicht vertretbar erscheine, daß ein Gericht sich über die Entstehungsgeschichte selbstherrlich hinwegsetzt, insbesondere dann, wenn das Gesetz für die gegenteilige Auffassung keinerlei Anhaltspunkt gibt.

Es bestehen hiernach keine Bedenken, für die Auslegung der Bestimmungen, auf die sich der Gutachtenantrag erstreckt, auf die Entstehungsgeschichte dieser Vorschriften als Erkenntnisquelle zurückzugreifen.

Zur Begutachtung der Frage zu 1., die die Auslegung des § 65 des Branntweinmonopolgesetzes (BrMonG) betrifft, ist vorweg folgendes auszuführen:

Die Verfassungsmäßigkeit des § 65 BrMonG kann nicht aus dem Grunde beanstandet werden, daß durch ihn der Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 GG verletzt sei. Art. 3 a. a. O. verbietet, daß wesentlich Gleiches ohne zureichenden Grund ungleich behandelt wird. Nur die ungleiche Behandlung bei im wesentlichen gleicher tatsächlicher Lage würde dem Gleichheitsgrundsatz entgegenstehen (von Mangoldt-Klein, Bonner Grundgesetz, 2. Aufl. S. 198/199 und die dort angeführte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). § 65 BrMonG behandelt den besonderen Rechtskreis der Festsetzung des Grundpreises für Kartoffelbranntwein in landwirtschaftlichen Brennereien. Für diesen Rechtskreis behandelt er alle betroffenen Brenner gleich. Ein Verfassungsverstoß kann deshalb in dieser Bestimmung nicht gefunden werden.

Die Beantwortung der Gutachtenfrage zu 1. erfordert ein Eingehen auf die "Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten" (LSP).

Die LSP sind eine Anlage zu der VOPR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen vom 21. November 1953 (VPöA Bundesanzeiger Nr. 244 vom 18. Dezember 1953). Diesen Leitsätzen vorausgegangen und durch sie mit Wirksamkeit vom 1. Januar 1954 ersetzt sind die Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund der Selbstkosten bei Leistungen für öffentliche Auftraggeber (LSö) vom 15. November 1938 (Reichsgesetzblatt - RGBl - I S. 1624) in der Fassung der Verordnung vom 12. Februar 1942 (RGBl I S. 89), die ihrerseits eine Anlage zu der Verordnung vom 15. November 1938 (RGBl I S. 1623) bilden.

Die LSP sind - als Anlage zu einer auf Grund des Preisgesetzes ergangenen Rechtsverordnung - für die öffentlichen Auftraggeber bindend, wie es auch die LSö auf Grund des § 1 Satz 2 der Verordnung vom 15. November 1938 waren. Weder die LSP noch die LSö sind aber für die Monopolverwaltung bindend bei der Ermittlung des Grundpreises nach § 65 BrMonG. Die Monopolverwaltung ist für den Branntwein, für den sie den Grundpreis (§ 65 AO) nach § 64 a. a. O. festzusetzen hat und der nach § 58 a. a. O. an sie abzuliefern ist, nicht Auftraggeber im Sinne der angeführten Verordnungen und Leitsätze. Die Anwendung dieser Vorschriften setzt ein privatrechtliches Auftragsverhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer voraus. Die Monopolverwaltung und die Brennereibesitzer stehen aber, soweit sich ihre Beziehungen auf die Ablieferungspflicht des Brennereibesitzers (§ 58 a. a. O.) und auf die Abnahmepflicht der Monopolverwaltung (§§ 59, 60) für den Branntwein gründen, in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zueinander (siehe Hepp in "Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern" 1955 S. 161). Die Monopolverwaltung gibt dem Brenner keinen Auftrag zur Lieferung von Branntwein, und der Brennereibesitzer liefert nicht auf Grund eines Auftrages der Monopolverwaltung, sondern auf Grund der ihm nach § 58 a. a. O. obliegenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtung. Der Sachverhalt ist also anders, als wenn die Monopolverwaltung beispielsweise Auftrag zur Lieferung von Kesselwagen, Spritfässern oder dergleichen gibt. In einem solchen Fall käme die Anwendung der Leitsätze in Betracht.

Ist demnach die Monopolverwaltung bei der Festsetzung des Grundpreises an die LSP (und VPöA) nicht gebunden, so bestehen doch keine Bedenken, die in den Leitsätzen niedergelegten Erkenntnisse zu berücksichtigen, soweit das mit den hier in Betracht kommenden monopolrechtlichen Verhältnissen vereinbar ist. In diesem Sinne können die LSP entsprechend angewendet werden, ohne daß ihre Verfassungsmäßigkeit geprüft werden müßte. Abgesehen davon, daß es sich bei der Festsetzung des Grundpreises nicht um eine Vereinbarung zwischen Monopolverwaltung und dem ablieferungspflichtigen Brenner handelt, spielt bei der Ermittlung der Unterlagen für den Grundpreis, also bei der Ermittlung der Herstellungskosten, eine Reihe von Fragen dieselbe Rolle wie bei der Ermittlung der Selbstkosten nach den LSP. Pribilla, "Das Recht der Preisbildung bei öffentlichen Aufträgen", 1955, führt unter III B Nr. 1 S. 1 aus: "Die LSP sind im preisrechtlichen Sinne etwa als Grundsätze ordnungsmäßiger Selbstkosten- und Gewinnermittlung für die Preise bei öffentlichen Aufträgen anzusehen. Sie sind nicht die Summe allgemein betriebswirtschaftlich anerkannter Selbstkosten- und Preisermittlungsregeln, sondern eine spezielle preisrechtliche Vorschrift für eine konkrete Aufgabe, nämlich: Preise auf Grund der Selbstkosten für öffentliche Aufträge zu bilden." Er fährt sodann fort: "Sofern, was nahe liegt, sie (die Leitsätze) in der Praxis amtlicher Kostenermittlungen von Bedeutung werden sollten (z. B. amtlichen Kostenenqueten, bei Kartellprüfungen u. ä.), müßten einzelne Elemente der Leitsätze eine der konkreten Aufgabenstellung angemessene Festlegung erfahren. Dies gilt vor allem für die kalkulatorischen Kosten, die Gewinnelemente, aber auch z. B. für Vertriebskosten, Patentkosten usw." Hier wird also ausdrücklich darauf hingewiesen, daß bei der Anwendung der Leitsätze - die mit den in ihnen enthaltenen Grundsätzen auch für amtliche Kostenfeststellungen außerhalb des öffentlichen Auftragswesens Bedeutung haben können (Pribilla a. a. O. III A Einl. S. 8) - in solchen Fällen gewisse Einschränkungen hinsichtlich einzelner Elemente der Leitsätze nicht ausgeschlossen sein sollen. Das wird auch bei der Ermittlung des Grundpreises nach dem Monopolrecht zu gelten haben.

Bedenken können auch nicht daraus hergeleitet werden, daß es sich bei der Ermittlung der Herstellungskosten nach § 65 BrMonG um die Beurteilung der Verhältnisse eines landwirtschaftlichen Betriebs handelt. Zwar kommen die LSP in der Hauptsache für öffentliche Aufträge an gewerbliche, insbesondere industrielle Betriebe in Betracht. Zu diesen Betrieben kann aber auch der Betrieb einer landwirtschaftlichen Kartoffelbrennerei gerechnet werden, weil er als fabrikatorischer Betrieb sich von einer gewerblichen Kartoffelbrennerei kaum unterscheidet.

Auch der Umstand, daß nach § 65 a. a. O. für den Preisaufbau Durchschnittsansätze zu ermitteln sind, steht der entsprechenden Anwendung der LSP, die in der Hauptsache auf Preisfestsetzungen für den Einzelfall (für den einzelnen Auftrag) abgestellt sind, nicht entgegen. Als Maßstab für den Durchschnittsansatz, von dem auszugehen ist, gibt § 65 a. a. O. die Kosten in gut geleiteten landwirtschaftlichen Kartoffelbrennereien mittleren Umfangs (500 hl) an; damit ist eine hinreichende Umschreibung des Kostenansatzes für die Kostenermittlung festgelegt.

Ausgehend von den vorstehend entwickelten Grundsätzen bleibt nun zu prüfen, inwieweit sich bei der Ermittlung des Branntweingrundpreises die LSP im einzelnen anwenden lassen.

Nach § 65 a. a. O. wird der Branntweingrundpreis so festgelegt, daß er die durchschnittlichen Herstellungskosten eines Hektoliters Weingeist in gut geleiteten landwirtschaftlichen Kartoffelbrennereien mittleren Umfangs deckt, wobei davon auszugehen ist, daß bei angemessener Verwertung der Kartoffeln dem Brennereibesitzer die Schlempe kostenfrei zur Verfügung bleibt. Der Branntweingrundpreis ist also gleich den Herstellungskosten, ohne daß bei ihrer Feststellung der Wert der Schlempe eine Berücksichtigung erfahren soll.

Demgegenüber wird der Selbstkostenpreis nach Nr. 10 LSP wie folgt aufgebaut:

A. Aus den Selbstkosten; diese bestehen aus der Summe der Fertigungsstoffkosten, der Fertigungskosten, der Entwicklungs- und Entwurfskosten, der Verwaltungskosten und der Vertriebskosten. (In dem im Bundesanzeiger veröffentlichten Text der LSP Nr. 10 ist nicht klar ersichtlich, daß die Selbstkosten von den vorgenannten Einzelkosten gebildet werden. Dies wird erst durch die klarere Fassung des Textes - Summierungsstriche - bei Pribilla a. a. O. III B. Nr. 10 S. 1 und auch bei Michaelis-Rhösa, Preisbildung bei öffentlichen Aufträgen, Leitsätze Nr. 10 S. 1 erkennbar).

B. Aus dem kalkulatorischen Gewinn. Durch ihn wird nach Nr. 51 LSP das allgemeine Unternehmerwagnis und ein näher bezeichneter Leistungsgewinn abgegolten.

Was zunächst die Selbstkosten betrifft, so spricht § 65 BrMonG nur von "Herstellungskosten". Herstellungskosten sind in der Nr. 10 Abs. 3 LSP nicht genannt. Abs. 5 a. a. O. erwähnt sie und bezeichnet sie als eine Zwischensumme, die an der Stelle einzuordnen ist, an der sie branche- oder betriebsüblich gezogen wird. Die LSö kannten den Begriff "Herstellungskosten" schon im Schema der Selbstkostenpreiskalkulation. Nach Nr. 9 Abs. 3 der LSö umfaßten die "Herstellungskosten" die Posten für Werkstoffe, Fertigungslöhne und Fertigungsgemeinkosten. Das entspräche nach dem Schema in Nr. 10 LSP den Fertigungsstoffkosten, den Fertigungskosten und den Entwicklungs- und Entwurfskosten, ohne die Verwaltungs- und Vertriebskosten (vgl. Pribilla, III B Nr. 10 S. 3 und 4). Dieser Begriff Herstellungskosten würde dem gleichnamigen in § 65 BrMonG nicht entsprechen, denn dort sind bei den Herstellungskosten ohne Zweifel auch die Verwaltungs- und Vertriebskosten miteinbegriffen und auch von jeher einbegriffen worden. Diese weitere Umgrenzung des Begriffs Herstellungskosten beim Branntweingrundpreis kann als "branche- oder betriebsüblich" im Sinne der Nr. 10 Abs. 5 LSP angesehen werden.

Hiernach ist es nicht zu beanstanden und auch gerechtfertigt, wenn die in den Nrn. 11 - 36 der LSP genannten Kosten bei der Ermittlung der Herstellungskosten nach § 65 a. a. O. in Rechnung gestellt werden, soweit sie bei der Ermittlung der Grundlagen für den Grundpreis anwendbar sind. Hierbei ist indessen hinsichtlich der Nr. 21 LSP ein Vorbehalt zu machen. Sie trifft Bestimmungen über die Reststoffe und ihre Behandlung in der Kostenrechnung. Hierunter fallen auch die Nebenprodukte (vgl. Pribilla, III B Nr. 21 S. 1), also bei der Branntweinerzeugung die Schlempe. Da § 65 a. a. O. darüber eine ausdrückliche Behandlungsvorschrift gibt, ist diese besonders zu beachten. Ein weiterer Hinweis erscheint zu Nr. 22 LSP geboten. Der kalkulatorische Unternehmerlohn, d. h. das Entgelt für die im eigenen Betrieb mitarbeitenden Unternehmer, gehört zu den Personalkosten. Bei der Bemessung dieser Position ist jedoch zu beachten, daß die landwirtschaftliche Kartoffelbrennerei den Charakter eines landwirtschaftlichen Nebenbetriebes hat. Der dem Brennereibesitzer, der im Brennereibetrieb mitarbeitet, zuzustehende Unternehmerlohn kann deshalb nur mit dem entsprechenden Bruchteil eingesetzt werden, der seinen Einsatz in der Brennerei im Rahmen seiner vollen Arbeitsleistung als Unternehmer angemessen berücksichtigt.

Es begegnet auch keinen Bedenken, die Anlageabschreibungen, die die Nrn. 37 - 42 LSP behandeln, als Bestandteile der Herstellungskosten nach § 65 a. a. O. einzubeziehen. Nr. 37 LSP bezeichnet die Anlageabschreibungen als Kosten der Wertminderung der betriebsnotwendigen Anlagegüter. Auch die LSö behandelten die Abschreibungen nach Nr. 28 ff. als Kostenelemente.

Sind hiernach alle zweifelsfrei den Herstellungskosten im Sinne des § 65 a. a. O. zuzurechnenden Elemente der Kostenrechnung aufgezeigt, so bleibt nur noch zu prüfen, ob die Position "Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals" den Herstellungskosten nach § 65 a. a. O. zuzurechnen ist. Nach Nr. 43 LSP gehört die Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals zu den Selbstkosten. Die LSö dagegen haben den Zins noch als Gewinnfaktor behandelt. Die im Jahre 1942 neugefaßte LSö bestimmte in Nr. 50 Abs. 1 über den Gewinnbegriff:

Im kalkulatorischen Gewinn werden abgegolten:

die angemessene Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals (kalkulatorische Zinsen),

das allgemeine Unternehmerwagnis,

ein Leistungsgewinn.

Die änderung der LSö durch die LSP insoweit beruht auf innerbetriebliche Erwägungen bezüglich der Kostenrechnung. Für die Berechnung des Selbstkostenpreises, das ist die Summe aus den Selbstkosten und dem Gewinn (LSP Nr. 10), ist es gleichgültig, ob der Selbstkostenpreis, der für die Lieferung oder Leistung gezahlt wird, aufgebaut ist unter Einrechnung der kalkulatorischen Zinsen bei den Selbstkosten oder beim Gewinn. Es ergibt sich immer die gleiche Endsumme. Deshalb war es auch schon nach der LSö nicht unzulässig, die kalkulatorischen Zinsen für Zwecke des Rechnungswesens bei den Selbstkosten einzusetzen, wobei dann der Gewinnposten entsprechend zu kürzen war (Heß-Zeidler, Kommentar zur RPö und LSö III E S. 124). Diese reine Verrechnungsmöglichkeit ließ aber die damals herrschende Meinung von der Bedeutung der kalkulatorischen Zinsen als Gewinnbestandteil unberührt.

Geht man von dieser Rechtslage aus, so ist es notwendig, zu untersuchen, welchen Sinn der Gesetzgeber bei Schaffung des § 65 a. a. O. dieser Vorschrift geben wollte, wenn er anordnete, daß die Höhe des Grundpreises die durchschnittlichen Herstellungskosten eines Hektoliters Weingeist decken sollte, wobei davon auszugehen ist, daß die Schlempe dem Brennereibesitzer kostenfrei zur Verfügung verbleibt. Um den vom Gesetzgeber gewollten Sinn dieser Vorschrift zu erforschen, muß auf die Entstehungsgeschichte der Bestimmung zurückgegangen werden, da der Wortlaut die gesetzgeberische Absicht nicht ohne weiteres erkennen läßt (siehe oben unter II am Anfang). § 65 BrMonG in der derzeit geltenden Fassung hat sich entwickelt über § 92 des Gesetzes über das Branntweinmonopol vom 26. 7. 1918 aus § 80 des Entwurfs eines Gesetzes über den Zwischenhandel des Reichs mit Branntwein (Drucksache Nr. 993 des Reichstages 12. Legislaturperiode, I. Session 1907/09). Die Begründung zum Branntweinmonopolgesetz vom 8. 4. 1922 zu § 65 führt in der Reichstagsdrucksache Nr. 2281, 1. Wahlperiode 1921 S. 40 aus, daß der Grundpreis nach den bisherigen Grundsätzen festgesetzt werden soll. Es wird damit auf die Begründung zu § 97 des Entwurfs eines Gesetzes über das Branntweinmonopol (der spätere § 92 im Gesetz selbst) in der Reichstagsdrucksache Nr. 1460 (Entwürfe von Gesetzen 1918 - 3, Carl Heymanns Verlag, Verlags-Archiv 6363) S. 67/68 verwiesen, die ihrerseits wiederum auf die Begründung zu dem Entwurf des Gesetzes vom 3. November 1908 (Drucksache Nr. 993, Reichstag 12. Legislaturperiode, I. Session 1907/09) hinweist. Hier wird auf S. 48 zu § 80 des Entwurfs (Seite 14 der Drucksache), der sich inhaltlich mit dem § 65 BrMonG der heute geltenden Fassung nahezu deckt, ausgeführt:

"Jedenfalls werden dem Brenner für den innerhalb des Brennrechts hergestellten Branntwein Preise bewilligt, die die Herstellungskosten decken und bei denen ihm unter der Voraussetzung einer zweckmäßigen Einrichtung und eines wirtschaftlichen Betriebes die Schlempe kostenfrei bleibt, mit anderen Worten: Der Ankaufspreis erfährt keine Kürzung aus dem Grunde, weil der Brenner neben dem Branntwein noch ein für ihn wertvolles Erzeugnis, nämlich die Schlempe, gewinnt.

Damit wird dem Brenner nur ein Preis gewährt, der lediglich das bietet, was keinem Produzenten versagt werden kann. Wollte man eine geringere Gegenleistung des Reichs festsetzen, so würde die Branntweinerzeugung unterbunden werden und eine Einnahme für das Reich nicht zu erzielen sein.

Die Preisabstufung (damit sind die Erhöhungen des Grundpreises bei einer Jahreserzeugung bis zu 700 hl und die Kürzungen des Grundpreises bei einer Jahreserzeugung über 900 hl Weingeist nach § 81 des Entwurfs gemeint) entspricht der grundlegenden Vorschrift, nach der der regelmäßige Branntweinankaufpreis nach den Selbstkosten der Brennerei bemessen werden soll."

Aus diesen Ausführungen ist zu entnehmen, daß der gesetzgeberische Wille von jeher dahin gegangen ist, dem Brenner jedenfalls einen Preis zu bewilligen, der die durchschnittlichen Herstellungskosten des Branntweins in gutgeleiteten Brennereien mittleren Umfangs deckt. Daneben verbleibt die Schlempe dem Brennereibesitzer kostenfrei zur Verfügung. Der die Herstellungskosten deckende Preis soll jedoch keine Kürzung aus dem Grunde erfahren, weil der Brenner neben dem Branntwein noch das für ihn wertvolle Erzeugnis, nämlich die Schlempe, gewinnt.

Als Gegenleistung erhält der Brenner also zweierlei: Die Herstellungskosten und die Schlempe.

Es fragt sich nun, was nach dem Willen des Gesetzgebers mit der Schlempe abgedeckt sein soll. Diese Untersuchung kann sich auf die Position "Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals" beschränken, für die - wie oben ausgeführt - allein streitig geblieben ist, ob sie in den Herstellungskosten abgedeckt werden soll oder, falls dies nicht zutrifft, in dem Wert der Schlempe als abgegolten angesehen werden kann.

Der Senat ist der Auffassung, daß dieses Preiselement "Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals" nach dem gesetzgeberischen Willen nicht aus der Schlempe oder ihrem Wert bestritten werden sollte. Er folgert dies einmal aus der Fassung des § 65 BrMonG, wonach die Schlempe neben den Herstellungskosten dem Brenner kostenfrei zur Verfügung bleibt und aus dem dazu in der Begründung zum Gesetzentwurf von 1908 klar ausgesprochenen Grundsatz, daß der die Herstellungskosten deckende Ankaufspreis keine Kürzung aus dem Grunde erfahren soll, weil der Brenner neben dem Branntwein noch ein für ihn wertvolles Erzeugnis, nämlich die Schlempe, gewinnt. Obwohl also ausdrücklich die Schlempe als ein für den Brenner besonders wertvolles Erzeugnis anerkannt wird, sollten durch ihre Belassung an den Brenner die Herstellungskosten keine Kürzung erfahren. Es kann hiernach aus der Entstehungsgeschichte nicht entnommen werden, daß mit der kostenfreien Belassung der Schlempe auch die Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals abgedeckt werden sollte, weil andernfalls der dem Brenner zu gewährende Ankaufspreis entgegen der gesetzgeberischen Absicht eine Kürzung aus dem Wert der Schlempe erfahren würde und damit die Schlempe dem Brenner nicht mehr kostenfrei zur Verfügung bliebe. Bestärkt wird der Senat in dieser Auffassung auch noch durch die Erklärung eines Abgeordneten bei der Beratung des Gesetzentwurfs von 1918 im 33. Ausschuß (Verhandlungen des Reichstags 1918, Drucksache Nr. 1770 S. 108). Er trat dafür ein, daß der Grundpreis so festgesetzt werde, "daß die Schlempe als alleiniger Gewinn für den Besitzer übrigbleibe. Etwas anderes sei nicht möglich, und er könne die Zustimmung des Ausschusses dazu feststellen." Die Heraushebung durch die Worte alleiniger Gewinn kann nur die Bedeutung haben, daß ein echter, ungeschmälerter Gewinn in der Schlempe liegen sollte, der nicht durch betriebsnotwendige Aufwendungen - selbst wenn sie nach der damaligen betriebswirtschaftlichen Auffassung im Gewinn im weiteren Sinne abzugelten gewesen wären - beeinträchtigt werden sollte. Die Hervorhebung, die Schlempe solle der alleinige Gewinn sein, sollte nach Auffassung des Senats nicht zum Ausdruck bringen, daß ein weiterer Gewinn neben der Schlempe ausgeschlossen sein soll. Nach dem Gesetzeswortlaut sollten dem Brenner neben dem Verbleib der freien Schlempe nur die Herstellungskosten vergütet werden, in denen ein Gewinnanteil nicht enthalten ist. Es hätte deshalb dieser Hervorhebung nicht bedurft, wenn nicht damit ausgedrückt werden sollte, daß die Schlempe ein echter "Gewinn" sein soll. Der Begriff "Gewinn" ist hiernach nicht in einem betriebswirtschaftlichen Sinn verwendet, sondern vielmehr in dem Sinn, daß er einen Vorteil für das Unternehmen darstellen soll, der ungekürzt - oder wie es das Gesetz ausdrückt: kostenfrei - ihm zur Verfügung bleibt.

Diese Auffassung steht auch dem Wortlaut des § 65 BrMonG nicht entgegen.

Hiernach sind die unter 1. des Gutachtenantrages aufgeworfenen Fragen wie folgt zu beantworten:

Bei der Ermittlung der Herstellungskosten nach § 65 BrMonG sind die in den LSP niedergelegten Erkenntnisse mit der Maßgabe anwendbar, daß die einzelnen Kostenelemente der Leitsätze eine der konkreten Aufgabenstellung - Festsetzung des Grundpreises - angemessene Festlegung erfahren.

Der Begriff "Herstellungskosten" nach § 65 BrMonG deckt sich mit dem Selbstkostenbegriff der LSP mit folgenden Einschränkungen:

Das verwendungsfähige Nebenprodukt Schlempe ist den Stoffkosten nach Nr. 21 LSP nicht gutzuschreiben, weil die Schlempe nach § 65 a. a. O. dem Brennereibesitzer kostenfrei zu belassen ist.

Der nach Nr. 22 LSP zu gewährende kalkulatorische Unternehmerlohn ist in Anbetracht des Charakters der Brennerei als eines landwirtschaftlichen Nebenbetriebes nur mit dem entsprechenden Bruchteil einzusetzen, der dem Einsatz des Unternehmers an der Brennerei im Rahmen seiner vollen Arbeitsleistung als Unternehmer Rechnung trägt.

§ 72 Abs. 1 BrMonG regelt die Festsetzung der übernahmepreise für Branntwein, der aus andern Stoffen als Kartoffeln hergestellt wird, oder der in Brennereien erzeugt wird, die Hefe oder infolge Anwendung eines besonderen Verfahrens Stoffe gewinnen, deren Wert im Verhältnis zu dem des Branntweins erheblich ist. Er bestimmt, daß für solchen Branntwein Abzüge vom oder Zuschläge zum Grundpreis festgesetzt werden können. Der Wortlaut der Bestimmung läßt nicht erkennen, wann Zuschläge zu gewähren sind und in welchen Fällen Abzüge in Betracht kommen. Er besagt auch nichts darüber, in welcher Weise gegebenenfalls die Zuschläge oder die Abzüge ihrer Höhe nach ermittelt werden sollen.

Aus dem Wortlaut der Bestimmung des § 72 Abs. 1 BrMonG kann nur entnommen werden, daß die Preisfestsetzung für Branntwein aus anderen Stoffen als Kartoffeln in das Ermessen der Bundesmonopolverwaltung gestellt wird. Nicht entnommen werden kann daraus die Verpflichtung der Monopolverwaltung, für solchen Branntwein einen die Kosten deckenden Preis festzusetzen. Hätte der Gesetzgeber eine solche Verpflichtung der Monopolverwaltung begründen wollen, so wäre es ein leichtes gewesen, dies klar zum Ausdruck zu bringen, wie er es für den Kartoffelbranntwein in § 65 BrMonG getan hat. Ein Hinweis für die Richtigkeit dieser Auffassung ist auch daraus zu entnehmen, daß der Gesetzgeber in den Jahren 1929/23 es für erforderlich gehalten hat, dem § 72 a. a. O. einen weiteren Absatz 2 (jetzt Absatz 3) anzufügen, in dem bestimmt wird, daß für Branntwein, der aus Obststoffen mit gewissen Ausnahmen (sog. Edelobstbranntwein und Topinambursbranntwein) von Abfindungsbrennereien, Stoffbesitzern und Verschlußbrennereien mit einer Jahreserzeugung bis zu 4 Hektolitern hergestellt wird, sowie für Kornbranntwein, der von Abfindungsbrennereien hergestellt wird, Zuschläge zum Grundpreis gegeben werden müssen, durch die gewährleistet wird, daß den genannten Brennereien neben ihren Erzeugungskosten ein angemessener Nutzen verbleibt. Hätte § 72 Abs. 1 a. a. O. diese Garantie bereits enthalten, so wäre diese zusätzliche Bestimmung überflüssig gewesen.

Auch aus der Entstehungsgeschichte kann Gegenteiliges nicht entnommen werden. § 93 des Branntweinmonopolgesetzes von 1918 (er entsprach dem § 98 des Entwurfs, Drucksache Nr. 1460, Entwürfe von Gesetzen 1918 - 3, Carl Heymanns Verlag Verlags-Archiv 6363) bestimmte in seinem Absatz 1, daß für Branntwein, der innerhalb des Brennrechts ausschließlich aus den in § 4 bezeichneten Stoffen (sog. Obststoffen) erzeugt, oder lediglich aus Korn hergestellt und nicht im Würzeverfahren gewonnen ist, und für Branntwein aus landwirtschaftlichen Kleinbrennereien Zuschläge zum Branntweingrundpreis gegeben werden. Im Absatz 2 dieser Bestimmung war angeordnet, daß für Branntwein, der nicht ausschließlich aus Kartoffeln oder aus den in Absatz 1 genannten Stoffen hergestellt ist, oder der in Brennereien gewonnen ist, die Hefe nach dem Würzeverfahren herstellen oder die außer Branntwein oder derart erzeugter Hefe infolge Anwendung eines besonderen Verfahrens Stoffe gewinnen, deren Wert im Verhältnis zu dem des Branntweins erheblich ist, Abzüge vom Branntweingrundpreis festgesetzt werden können.

In der Begründung zu diesen Vorschriften (Drucksache Nr. 1460) wird auf Seite 68 ausgeführt: "Der höhere Wert des Obst- und Kornbranntweins wird bei der Erzeugung innerhalb des Brennrechts im Falle der übernahme durch die Monopolverwaltung durch Zuschläge berücksichtigt." Hinsichtlich der Abzüge führt die Begründung a. a. O. aus: "Die Betriebsabzüge werden nicht immer hinreichen, die unter Umständen sehr verschiedene Höhe der Gestehungskosten des Branntweins einigermaßen auszugleichen. Namentlich in den ersten Jahren nach dem Kriege (d. h. nach 1918) kann sich das Erfordernis größerer Freiheit der Preisgestaltung geltend machen. In Frage kommt vorläufig die Verarbeitung von Melasse und die Herstellung von Branntwein in Verbindung mit der Gewinnung von Hefe im Lüftungsverfahren. Für Kartoffelbranntwein kann ein Preis angemessen sein, der den Melassebrennern übermäßige Gewinne abwirft.... Die Herstellung von Melassebranntwein ist im Frieden eine Frage des Melassepreises.... Da die Preisentwicklung sowohl bei Kartoffeln als auch für Melasse sich jetzt auch nur mit einiger Zuverlässigkeit nicht beurteilen läßt, muß die Monopolverwaltung den Branntweingrundpreis für Melassebranntwein (muß wohl richtiger heißen: übernahmepreis) nach den Melassepreisen abgelten können. Entsprechendes gilt unter Umständen für die großen Hefebrennereien, die Hefe nach dem Lüftungsverfahren gewinnen."

Dagegen hat § 72 des nunmehr geltenden Gesetzes von 1922 eine neue Fassung erhalten. Nunmehr wurde bestimmt, daß für Branntwein, der aus andern Stoffen als Kartoffeln hergestellt wird oder der in Brennereien erzeugt wird, die Hefe oder infolge Anwendung eines besonderen Verfahrens Stoffe gewinnen, deren Wert im Verhältnis zu dem des Branntweins erheblich ist, Abzüge vom Grundpreis oder Zuschläge festgesetzt werden können.

Die Begründung (Drucksache Nr. 2281 des Reichstages, 1. Wahlperiode 1921, S. 41) führt dazu aus: "Diese Vorschriften entsprechen dem § 93 des bisherigen Gesetzes. Eine Erweiterung wird insoweit vorgeschlagen, als die Festsetzung solcher Abzüge und Zuschläge künftig allgemein für Branntwein aus andern Stoffen als Kartoffeln zulässig sein soll. Es hat sich das Bedürfnis herausgestellt, solche Abzüge und Zuschläge auch in anderen als den bisher vorgesehenen Fällen, beispielsweise für Branntwein aus Mais, festzusetzen."

Hieraus ist erkennbar, daß mit der bisherigen Regelung im § 93 des Gesetzes von 1918 gebrochen werden sollte. Während bisher Zuschläge für Obst- und Kornbranntwein vorgesehen waren und Abschläge für solchen Branntwein festgesetzt werden konnten, der nicht ausschließlich aus Kartoffeln, Obststoffen und Korn hergestellt war, sollten nunmehr allgemein für Branntwein aus andern Stoffen als Kartoffeln Abzüge oder Zuschläge zulässig sein. Das kann nur bedeuten, daß seitdem auch Abzüge für solchen Branntwein festgesetzt werden können, für den nach der bisherigen Regelung nur Zuschläge vorgesehen waren, während andererseits auch Zuschläge möglich sind für solchen Branntwein, für den nach der bisherigen Regelung nur die Möglichkeit von Abschlägen vorgesehen war. Diese durch die Begründung zu § 72 a. a. O. gestützte Auffassung hat auch im Wortlaut dieser Gesetzesbestimmung ihren Ausdruck gefunden.

Die Monopolverwaltung ist deshalb nach der nunmehr geltenden Fassung des § 72 Abs. 1 BrMonG bei der Festsetzung der Zuschläge und Abzüge frei. Sie hat sich jedoch dabei im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens zu halten. Danach ist ausgeschlossen, daß sie die Preise für den Branntwein aus andern Stoffen als Kartoffeln unter Ausnutzung ihrer Monopolstellung, die sie als alleinige Abnehmerin für Branntwein innehat, willkürlich festsetzt. Die Grenzen ihres Ermessens bei der Festsetzung der Preise werden einmal gezogen durch die Grundsätze von Treu und Glauben, die sie beachten muß. Sie hat alle ihre Maßnahmen in diesem Rahmen gem. § 5 BrMonG nach kaufmännischen Grundsätzen zu treffen. Sie wird dabei, wie dies in der Begründung zum Gesetz von 1918 zum Ausdruck kommt, auch den höheren oder niedrigeren Wert des Branntweins, der durch die Kosten der verwendeten Rohstoffe und durch die Verwendungsmöglichkeit des Branntweins durch die Monopolverwaltung bedingt sein kann, in angemessener Weise zu berücksichtigen haben. Sie muß bestrebt sein, möglichst preisgünstig einzukaufen. Um dieses Ziel zu erreichen, wird sie bei der Ermittlung der Preise die Verhältnisse von solchen Betrieben zugrunde zu legen haben, die moderne technische und betriebliche Errungenschaften und Erkenntnisse ausnutzen, da sonst die Gefahr einer Stagnation der Preise bestehen würde. Die Monopolverwaltung wird dabei Bedacht darauf nehmen müssen, daß im Umfange des von ihr festgesetzten Jahresbrennrechts nach § 40 BrMonG Branntwein an sie auch abgeliefert werden kann. Sie kann jedoch solchen Branntwein, der ihr im Hinblick auf die Absatzmöglichkeiten zu teuer erscheint oder der nach seiner Qualität für einen Absatz nicht in Betracht kommt, durch die Versagung von Zuschlägen oder durch die Festsetzung von Abzügen von der Erzeugung ausschließen.

Die Monopolverwaltung ist nicht verpflichtet, bei der Ermittlung der Zuschläge oder Abzüge für Branntwein aus andern Stoffen als Kartoffeln von einer im § 65 BrMonG für die Preisermittlung für Kartoffelbranntwein vorgesehenen mittleren Brennerei mit einer Erzeugung von 500 Hektoliter Weingeist auszugehen. Sie kann bei der Preisfestsetzung für die in Betracht kommenden Branntweinarten die besondere wirtschaftliche Struktur der die betreffende Branntweinart erzeugenden Brennereigruppe berücksichtigen. Sie kann erforderlichenfalls auf die gesetzlich vorgeschriebenen Betriebszuschläge und -abzüge nach §§ 66 ff. BrMonG, die auf einen Ausgangspreis in einer 500 Hektoliter Weingeist erzeugenden Brennerei ausgerichtet sind, bei der Preisbemessung nach § 72 Abs. 1 a. a. O. in angemessener Weise Rücksicht nehmen.

Bei der Ermittlung der Preise für Branntwein aus andern Stoffen als Kartoffeln kann die Monopolverwaltung die Erkenntnisse der LSP als Anhalt benutzen. Die bei dieser Branntweinerzeugung anfallenden Rückstände (Schlempe) wird sie dabei nach Maßgabe ihrer Verwendungsfähigkeit mit ihrem Wert kostenmindernd berücksichtigen können, da ihre kostenfreie Belassung an den Brenner nicht vorgesehen ist.

Hat die Monopolverwaltung unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze die Preise für den Branntwein aus andern Stoffen als Kartoffeln ermittelt, so ergibt sich als Zuschlag oder Abzug die Differenz dieser Preise zum Grundpreis nach § 65 BrMonG.

Hiernach sind die unter 2. des Gutachtenantrages aufgeworfenen Fragen wie folgt zu beantworten:

Die Monopolverwaltung ist rechtlich nicht verpflichtet, bei der Festsetzung der übernahmepreise für Branntwein aus andern Stoffen als Kartoffeln die Grundsätze zu beachten, nach denen bei der Ermittlung des Grundpreises nach § 65 BrMonG zu verfahren ist.

Die Zuschläge zum und die Abzüge vom Grundpreis für Branntwein aus andern Stoffen als Kartoffeln nach § 72 Abs. 1 BrMonG sind von der Monopolverwaltung im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens unter Beachtung ihrer Verpflichtung nach § 5 BrMonG, alle ihre Maßnahmen nach kaufmännischen Grundsätzen zu treffen, und unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben zu bemessen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408605

BStBl III 1956, 356

BFHE 1957, 409

BFHE 63, 409

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge