Entscheidungsstichwort (Thema)

Verletzung von Denkgesetzen, Rechtsanwendungsfehler, Standpunkt des FG; Betriebsbereitschaft, Standarderhöhung

 

Leitsatz (NV)

1. Die Verletzung von Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen durch das FG ist der Anwendung materiellen Rechts zuzuordnen und damit kein Verfahrensmangel.

2. Eine hinreichende Darlegung der Verletzung der Sachaufklärungspflicht wegen unterlassener Amtsermittlung als Verfahrensmangel hat auf den insoweit maßgebenden materiell-rechtlichen Standpunkt des FG abzustellen.

3. Eine “Standarderhöhung” durch zusätzliche Baumaßnahmen führt in Erwerbsfällen zwar regelmäßig zur Annahme der Betriebsbereitschaft nach § 255 Abs. 1 HGB, diese setzt aber nicht zwingend eine Standarderhöhung voraus; vielmehr orientiert sich die Beurteilung der Baumaßnahmen entscheidend an der bestimmungsgemäßen zukünftigen Nutzung.

4. Würdigungen und Schlussfolgerungen tatsächlicher Art durch das FG gehören zu den den BFH bindenden tatsächlichen Feststellungen. Dabei entstehende mögliche Fehler wie auch eine unzutreffende Rechtsanwendung sind materiell-rechtliche Fehler, sie rechtfertigen die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht.

 

Normenkette

HGB § 255 Abs. 1; FGO § 76 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 116 Abs. 3 S. 3, § 118 Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG Münster (Urteil vom 29.11.2006; Aktenzeichen 12 K 4002/04 F)

 

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Zum Teil entspricht ihre Begründung nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO); im Übrigen sind die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend gemachten Zulassungsgründe nicht gegeben.

1. a) In dem vom Kläger gerügten Verstoß gegen Denkgesetze liegt kein Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Denn die Verletzung von Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen durch das Finanzgericht (FG) ist der Anwendung materiellen Rechts zuzuordnen und damit der Rüge als Verfahrensmangel entzogen (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Juni 2002 X B 144/01, BFH/NV 2002, 1336; vom 5. Januar 2007 II B 31/06, BFH/NV 2007, 972).

b) Soweit der Kläger rügt, das FG könne nicht jeweils aus der Nichtvermietung, der Art der vorherigen Vermietung (Arztpraxis bis 1982, Suchtberatung bis 1992) bzw. des nachfolgenden langjährigen Leerstandes bis März 2000, der Beschreibung des Objekts durch den Makler wie auch aus der Art und Höhe der Aufwendungen auf eine fehlende Betriebsbereitschaft der Räume im Erdgeschoss des Objekts schließen, wendet er sich gegen Würdigungen und Schlussfolgerungen tatsächlicher Art, die aber zu den tatsächlichen Feststellungen i.S. des § 118 Abs. 2 FGO gehören und daher den BFH grundsätzlich binden (vgl. BFH-Beschluss vom 31. Januar 2003 IX B 174/02, BFH/NV 2003, 649; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 118 Rz 39; Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 118 FGO Rz 64). Mögliche derartige Fehler sind materieller Art, sie rechtfertigen aber die Zulassung der Revision nicht, zumal offensichtliche (materielle oder formelle) Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung weder dargetan noch ersichtlich sind (vgl. BFH-Beschlüsse vom 5. März 2007 IX B 189/06, BFH/NV 2007, 1124, a.E.; vom 8. Januar 2004 V B 37-39, 57/03, BFH/NV 2004, 829, m.w.N.). Vielmehr sind die vom FG (zumindest aus der Summe der Tatsachen) gezogenen Schlussfolgerungen zumindest möglich und wären daher revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

2. Es bleibt dahingestellt, ob der Kläger die für eine hinreichende Darlegung der Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) wegen unterlassener Amtsermittlung als Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) erforderlichen genauen Angaben und Ausführungen zu bestimmten Punkten (z.B. BFH-Beschlüsse vom 9. Januar 2007 VIII B 180/05, BFH/NV 2007, 751; vom 28. Juli 2004 IX B 136/03, BFH/NV 2005, 43, unter 2. b, m.w.N.) vorgetragen hat. Jedenfalls war nach dem insoweit maßgebenden materiell-rechtlichen Standpunkt des FG eine weitere Sachaufklärung entbehrlich. Denn nach der vom FG zugrunde gelegten einschlägigen Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 12. September 2001 IX R 39/97, BFHE 198, 74, BStBl II 2003, 569, und IX R 52/00, BFHE 198, 85, BStBl II 2003, 574) waren die Räume im Erdgeschoss des Objekts mit Blick auf den konkreten Zweck der künftigen Nutzung "ohne die Baumaßnahmen --noch-- nicht betriebsbereit".

3. a) Dementsprechend ist auch eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative FGO nicht erforderlich; denn die gerügte Divergenz zu den vorstehend (unter 2.) genannten BFH-Urteilen (in BFHE 198, 74, BStBl II 2003, 569, und in BFHE 198, 85, BStBl II 2003, 574) liegt nicht vor; das FG hat auf der Basis dieser Urteile unter Berücksichtigung der Umstände des Streitfalls entschieden. Die vom Kläger angesprochene "Standarderhöhung" durch zusätzliche Baumaßnahmen führt in Erwerbsfällen zwar regelmäßig zur Annahme der Betriebsbereitschaft i.S. des § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches, diese setzt aber nicht zwingend eine Standarderhöhung voraus (vgl. BFH-Urteil vom 20. August 2002 IX R 68/00, BFH/NV 2003, 595, unter II. 1. a cc); vielmehr orientiert sich die Beurteilung der Baumaßnahmen entscheidend an der bestimmungsgemäßen zukünftigen Nutzung.

b) Auch eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) kommt nicht in Betracht. Es fehlt an der Darlegung, inwiefern die Rechtsfrage (ob die in BFHE 198, 74, BStBl II 2003, 569, und in BFHE 198, 85, BStBl II 2003, 574, entwickelten "Grundsätze auch auf eine (teil)betrieblich genutzte Immobilie übertragen werden können") in Rechtsprechung und/oder Schrifttum umstritten ist und deshalb eine höchstrichterliche Klärung über die materiell-rechtliche Beurteilung des Streitfalles hinaus für die Allgemeinheit Bedeutung hat (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 14. Oktober 2003 X B 90/03, BFH/NV 2004, 220; vom 7. März 2005 II B 49/04, BFH/NV 2005, 1335).

4. Letztlich rügt der Kläger neben der (vermeintlich) unzutreffenden Tatsachenwürdigung (dazu s. oben unter 1.) --nach Art einer Revisionsbegründung-- die fehlerhafte Rechtsanwendung durch das FG, also materiell-rechtliche Fehler; damit kann jedoch die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht erreicht werden (z.B. BFH-Beschlüsse vom 28. September 2001 V B 77/00, BFH/NV 2002, 359; vom 7. Februar 2005 IX B 239/02, BFH/NV 2005, 1052).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1841404

BFH/NV 2008, 239

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