Entscheidungsstichwort (Thema)

Überraschungsentscheidung

 

Leitsatz (NV)

Darauf, daß die vom FG getroffene und zumindest in ihrem Ergebnis von den Beteiligten auch als möglich in Betracht zu ziehende Entscheidung anders ausgefallen ist, als der Beschwerdeführer erwartet hat, kann eine Rüge der Gehörsverletzung wegen einer Überraschungsentscheidung des FG nicht mit Erfolg gestützt werden.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3; GG Art. 103 Abs. 1

 

Gründe

Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) wegen Nichtzulassung der Revision ist jedenfalls unbegründet.

1. Die Rüge, das Finanzgericht (FG) habe mit einer Überraschungsentscheidung das Recht auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes -- GG --) verletzt, greift nicht durch. Ein Verstoß gegen das Verbot der Überraschungsentscheidung kommt in Betracht, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht (vgl. §155 der Finanzgerichtsordnung i. V. m. §278 Abs. 3 der Zivilprozeßordnung) und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der auch ein kundiger Beteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 19. Juli 1996 VIII B 37/95, BFH/NV 1997, 124). Ein Verfahrensbeteiligter darf auch nicht mit einer Tatsachenwürdigung überrascht werden, die von keiner Seite als möglich vorausgesehen werden konnte (BFH in BFH/NV 1997, 124, m. w. N.). Jedoch ist das Gericht unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs nicht verpflichtet, seine Rechtsauffassung und seine tatsächlichen Schlußfolgerungen vorab zu erörtern, zumal sich diese regelmäßig erst nach der mündlichen Verhandlung aufgrund der abschließenden Beratung ergeben werden (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §93 Rdnr. 3). Die Behauptung, das Gericht habe einem tatsächlichen Umstand nicht die richtige Bedeutung für seine rechtlichen und tatsächlichen Folgerungen beigemessen, vermag daher ebensowenig einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zu begründen wie der Umstand, daß das Gericht bei der ihm obliegenden Tätigkeit der Tatsachenfeststellung auf der Grundlage des von den Beteiligten vorgetragenen Sachverhalts ggf. zu einem unzutreffenden Ergebnis gekommen ist (vgl. BFH-Urteil vom 21. März 1995 XI R 85/93, BFHE 177, 377, BStBl II 1995, 732).

Der Kläger rügt, während des gesamten Klageverfahrens vorgetragen und unter Beweis gestellt zu haben, daß der von ihm angeschaffte Schlepper tatsächlich zu keinem Zeitpunkt in seiner Funktion als landwirtschaftliches Gerät oder als Vorführgerät in Gebrauch genommen worden sei. Hätte das Gericht zu erkennen gegeben, daß es aufgrund der straßenverkehrsrechtlichen Zulassung auf den Geschäftsführer der Verkäuferin -- entgegen der im Klageverfahren vorgelegten Urkunden -- von einem Gebrauch des Fahrzeugs als Vorführschlepper bei der Verkäuferin ausgehen werde, hätte er, der Kläger, weitere Beweiserhebungen, nämlich die Vernehmung der Angestellten der Verkäuferin sowie des bereits im Klageverfahren benannten Zeugen, anregen können. Diese Zeugen hätten aussagen können, daß tatsächlich kein Einsatz als Vorführschlepper erfolgt sei, sondern dies lediglich geplant gewesen sei. Die Zeugenaussagen und die bereits im Klageverfahren vorgelegten Urkunden hätten das FG davon überzeugt, daß der Schlepper nicht gebraucht worden und deshalb als neues Fahrzeug anzusehen gewesen sei. In den Klageschriftsätzen vom 12. April und 8. Juni 1994 sei darauf hingewiesen worden, daß der Schlepper nicht einsatzbereit montiert gewesen sei und nicht zu Vorführ- oder Werbezwecken zum Einsatz gekommen sei.

Es ist bereits zweifelhaft, ob der Kläger einen Verstoß gegen das Recht auf Gehör in Gestalt einer Überraschungsentscheidung schlüssig behauptet hat. Die Rüge der Gehörsverletzung ist auf jeden Fall unbegründet. Denn unter dem Gesichtspunkt des Verbots einer Überraschungsentscheidung ist das Urteil des FG nicht zu beanstanden. Die Vorentscheidung hat das gesamte Vorbringen der Beteiligten, zu dem die Klägerseite Gelegenheit hatte, sich zu äußern und sich auch geäußert hat, tatsächlich und rechtlich dahingehend gewürdigt, daß der Schlepper beim Kauf durch den Kläger nicht mehr neu gewesen sei, da er -- worauf das FG seine Entscheidung in erster Linie stützt und dem der Kläger auch nicht widersprochen hat -- laut Bestellschein als Vorführschlepper mit etwa 80 Betriebsstunden verkauft worden ist. Der Gesichtspunkt der straßenverkehrsrechtlichen Zulassung -- auf den die Beschwerdeschrift abhebt -- war nur eines von mehreren unterstützenden Argumenten des FG. Darauf, daß die vom FG getroffene und zumindest in ihrem Ergebnis auch als möglich in Betracht zu ziehende Entscheidung anders ausgefallen ist als der Kläger erwartet hat, kann eine Rüge der Gehörsverletzung nicht mit Erfolg gestützt werden.

2. Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Ent lastung des Bundesfinanzhofs i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 26. November 1996 (BGBl I 1996, 1810) ohne Begründung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66543

BFH/NV 1998, 325

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