Entscheidungsstichwort (Thema)

Beendigung einer Betriebsaufspaltung durch rechtsgeschäftliche Abwendung eines Konkursverfahrens

 

Leitsatz (NV)

Die Frage, ob bei rechtsgeschäftlichen Maßnahmen zur Abwendung des Konkursverfahrens, die vor Ablauf der dreijährigen investitionszulagenrechtlichen Verbleibensfrist zur Beendigung einer -- zuvor zulagebegünstigten -- Betriebsaufspaltung führen, ein zulageunschädlicher Fall von sog. höherer Gewalt vorliegt, kann nach den Grundsätzen der bisherigen Rechtsprechung beurteilt werden und wirft keinen weiteren Klärungsbedarf auf.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; InvZulG 1982 und 1986 § 1 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 6 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) errichtete im August 1985 ein Büro-, Seminar- und Gästehaus mit entsprechender Einrichtung. Mit Verträgen vom 21. Februar 1986 und vom 1. Juni 1987 verpachtete sie das gesamte Objekt einschließlich Ausstattung an die ... Aktiengesellschaft (AG). Der Hauptgesellschafter der Klägerin, Herr ... (X), hielt auch die Mehrheit der Stammaktien der AG; er war auch deren Vorstandsvorsitzender.

Antragsgemäß wurde der Klägerin für die in den Wirtschaftsjahren 1985/1986 und 1986/1987 aufgewendeten Herstellungs- und Anschaffungskosten Investitionszulage nach §1 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) in Höhe von insgesamt ... DM unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gewährt.

Die AG geriet im Jahr 1988 in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten, in deren Folge sie gegen Ende des Jahres überschuldet und konkursreif war. Im Dezemer 1988 veräußerte X sein gesamtes Aktienpaket an die Y- Bank und schied aus dem Vorstand der AG aus. Zu diesem Schritt sah sich X -- dem Vernehmen der Klägerin nach -- durch höhere Gewalt gezwungen, da die Bank unmißverständlich bedeutet hatte, daß sie andernfalls einen Konkursantrag stellen werde.

Im Anschluß an eine Außenprüfung im Jahr 1992 war der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) schließlich der Auffassung, daß die Veräußerung der Aktien aufgrund des Verhaltens der Bank keine höhere Gewalt darstelle und deshalb die gleichzeitig eingetretene Beendigung der Betriebsaufspaltung und damit auch die Beendigung der eigenbetrieblichen Nutzung des Gebäudes durch die Klägerin vor Ablauf der dreijährigen Verbleibensfrist investitionszulageschädlich sei und die Investitionszulage insoweit zurückzufordern sei.

Mit gemäß §164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Bescheiden setzte das FA aus diesen und aus weiteren Gründen die Investitionszulage für die Wirtschaftsjahre 1985/1986 und 1986/1987 auf jeweils 0 DM fest.

Die dagegen erhobene Klage wies das Finanzgericht mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 1995, 944 veröffentlichten Urteil ab.

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) geltend.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist zumindest unbegründet.

Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob bei einer "von außen erzwungenen", für den Zulageempfänger "nicht kontrollierbaren und steuerbaren" Beendigung einer Betriebsaufspaltung, bei der das Wirtschaftsgut in der Betriebsstätte des Betriebsunternehmens verbleibe und deshalb den Förderzweck an sich weiter erfülle, ein zulageunschädlicher Fall von höherer Gewalt gegeben sei, ist nicht von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung. Es fehlt an der Klärungsbedürftigkeit dieser Frage. Denn ihre Beantwortung ergibt sich auf der Grundlage der von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bereits entwickelten maßgeblichen Kriterien ohne weiteres aus dem Gesetz (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §115 Anm. 9).

1. a) Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 16. September 1994 III R 45/92 (BFHE 176, 98, BStBl II 1995, 75, m. w. N.) daran festgehalten, daß im Fall einer Betriebsaufspaltung, bei der die vom Besitzunternehmen angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter im Betriebsunternehmen genutzt werden, eine Ausnahme von der strengen gesetzlichen Bindung an den Betrieb des Investors (vgl. §1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. §5 Abs. 6 Nr. 1 InvZulG 1982 und 1986) nur dann zu rechtfertigen ist, wenn Besitz- und Betriebsunternehmen für die Dauer der gesetzlichen Verbleibensfrist auch betriebsvermögensmäßig miteinander verflochten sind. Die Gewährung einer Zulage ist daher auch in einem solchen Fall überhaupt nur so lange möglich, als Besitz- und Betriebsunternehmen personell und sachlich miteinander verbunden sind.

Mit dem -- hier aufgrund der Aktienveräußerung eingetretenen -- Wegfall der personellen Grundlage der Betriebsaufspaltung entfällt, wie sich aus der o. g. Rechtsprechung des Senats ohne weiteres entnehmen läßt, auch der Anspruch auf Investitionszulage nach §1 InvZulG 1982 und 1986. Denn insoweit fehlt es -- wie die Klägerin in ihrer Beschwerdeschrift selbst einräumt -- bereits an der für die Gewährung einer Zulage wesentlichen Voraussetzung der Verwendung der begünstigten Wirtschaftsgüter für eigenbetriebliche Zwecke (vgl. §1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. §5 Abs. 6 Nr. 1 InvZulG 1982 und 1986).

Die "eigenbetriebliche" Nutzung im Betriebsvermögen des investierenden Besitzunternehmens endet mit der Beendigung der Betriebsaufspaltung auch dann, wenn die begünstigten Wirtschaftsgüter (zunächst) noch weiter in der Betriebsstätte des Betriebsunternehmens verwendet werden. Denn mit dem Wegfall der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung, wie dies im Streitfall durch die Veräußerung der Mehrheitsbeteiligung an der Betriebsgesellschaft geschehen ist, scheiden gleichzeitig und notwendig auch die Wirtschaftsgüter aus dem Betriebsvermögen des Investors -- hier der klägerischen Besitzgesellschaft -- aus. Das vorzeitige Ausscheiden eines Wirtschaftsgutes aus dem Betriebsvermögen ist aber nach der Rechtsprechung des Senats ausnahmsweise nur dann zulageunschädlich, wenn die maßgebende Ursache des Ausscheidens im Wirtschaftsgut selbst begründet ist (so Senatsurteil vom 2. Mai 1980 III R 12/79, BFHE 131, 419, BStBl II 1980, 758). Allgemein betriebliche oder wirtschaftliche Ursachen können hingegen nicht berücksichtigt werden (vgl. Senatsurteil vom 5. Mai 1988 III R 181/83, BFH/NV 1988, 741).

b) Der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage kommt schließlich auch in der Beurteilung der Frage, ob im Streitfall im Zusammenhang mit der Beendigung der Betriebsaufspaltung ein Fall sog. höherer Gewalt vorliegt, keine grundsätzliche Bedeutung zu, da auch insoweit kein weiterer Klärungsbedarf besteht.

Zwar hat der BFH zu den Umständen, die die Annahme "höherer Gewalt" rechtfertigen könnten, für das Investitionszulagenrecht allgemein noch nicht Stellung genommen. Doch gibt es hinreichend Rechtsprechung zu anderen Rechtsgebieten, in denen dieser Begriff eine Rolle spielt und deren Grundsätze unschwer auf das Investitionszulagenrecht übertragen werden können.

So wird der Begriff "höhere Gewalt" z. B. für die Vorschriften der AO 1977, etwa §171 Abs. 1 AO 1977, und der FGO, etwa §55 Abs. 2 FGO, interpretiert als ein außergewöhnliches Ereignis, das unter den gegebenen Umständen auch durch die äußerste nach Lage der Sache von dem Betroffenen zu erwartende Sorgfalt nicht verhindert werden konnte (vgl. Koch in Gräber, a. a. O., §55 Anm. 29, unter Hinweis u. a. auf das BFH-Urteil vom 29. September 1988 IV R 217/85, BFHE 155, 94, BStBl II 1989, 196), oder als ein von außen kommendes Ereignis, das nicht vom menschlichen Willen gesteuert ist (vgl. Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 5. Aufl., §171 Anm. 2, unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 7. Mai 1993 III R 95/88, BFHE 172, 1, BStBl II 1993, 818).

Gemeinsam ist allen Definitionen und Beispielsfällen, daß es sich im Falle einer höheren Gewalt um ein von außen kommendes Ereignis handeln muß, das vom Betroffenen nicht zu beherrschen ist. Dieser Grundgedanke liegt auch allen Entscheidungen des BFH zugrunde, in denen das vorzeitige Ausscheiden eines Wirtschaftsgutes aus dem Betriebsvermögen ausnahmsweise als zulageunschädlich angesehen worden ist (vgl. Senatsurteil vom 12. April 1994 III R 64/91, BFHE 175, 173, BStBl II 1994, 711, mit zahlreichen Hinweisen).

Damit besteht auch für das Investitionszulagenrecht im Zusammenhang mit der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage, ob rechtsgeschäftliche -- wenn auch im Streitfall möglichweise dem Willen des Hauptgesellschafters des klägerischen Besitzunternehmens entgegenstehende -- Maßnahmen zur Abwendung des Konkursverfahrens einen Fall von höherer Gewalt darstellen könnten, kein weiterer Klärungsbedarf. (Wegen der vergleichbaren Auswirkungen der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Betriebsgesellschaft auf eine bestehende Betriebsaufspaltung und im Urteilsfall auf die §1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1982 und 1986 vergleichbare Vorschrift des §14 Abs. 2 Nr. 1 des Berlinförderungsgesetzes s. BFH-Urteil vom 6. März 1997 XI R 2/96, BStBl II 1997, 460).

2. Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Angabe weiterer Gründe.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66690

BFH/NV 1998, 497

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