Entscheidungsstichwort (Thema)

Fristversäumnis durch den Prozeßbevollmächtigten

 

Leitsatz (NV)

Ein Prozeßbevollmächtigter, der aus Unkenntnis des neuen Verfahrensrechtes eine Ausschlußfrist versäumt, handelt insbesondere dann schuldhaft, wenn er in der dem FG-Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung auf die neue Rechtslage durch das angeführte Gesetz ausdrücklich hingewiesen worden ist.

 

Normenkette

FGO § 56

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat wegen der Feststellung des Teilwerts nach § 55 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Klage erhoben. Das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) vom 25. September 1985 wurde der Klägerin am 16. Oktober 1985 zugestellt. Das FG hat die Revision nicht zugelassen.

Gegen das Urteil des FG legte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin am 12. November 1985 Revision ein.

Mit Schreiben vom 27. November 1985 wies die Geschäftsstelle des erkennenden Senats unter Bezugnahme auf Art. 2 des am 17. Juli 1985 in Kraft getretenen Gesetzes zur Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher und finanzgerichtlicher Verfahren vom 4. Juli 1985 (BStBl I, 496) darauf hin, daß mangels Zulassung der Revision im Urteil des FG Köln die eingelegte Revision nur dann zulässig wäre, wenn die Voraussetzungen einer zulassungsfreien Revision i. S. des § 116 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vorlägen.

Mit Schriftsatz vom 3. Dezember 1985, eingegangen beim FG am 3. Dezember 1985, legte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin gegen das Urteil des FG Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ein und beantragte gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist. Zur Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand führte der Prozeßbevollmächtigte aus, er habe irrtümlich übersehen, daß durch das Gesetz zur Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher und finanzgerichtlicher Verfahren vom 4. Juli 1985 die Streitwertrevision beim Bundesfinanzhof (BFH) abgeschafft worden und dieses Gesetz am 17. Juli 1985 in Kraft getreten sei. Bei der Bearbeitung des vorliegenden Falles sei die Kommentierung von Tipke/Kruse zur Abgabenordnung aufgrund der neuesten Ergänzungslieferung Nr. 47 vom Juni 1985 benutzt worden, in der sich kein Hinweis auf das Gesetz vom 4. Juli 1985 befunden habe. Dadurch sei das Versehen zustande gekommen. Dieser Irrtum sei entschuldbar.

Zusätzlich beantragte der Prozeßbevollmächtigte, die Revision in eine Nichtzulassungsbeschwerde umzudeuten.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig.

Gemäß § 115 Abs. 3 FGO kann die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des FG-Urteils angefochten werden. Im Streitfall ist diese Beschwerdefrist am 18. November 1985 abgelaufen, die Nichtzulassungsbeschwerde ging jedoch erst am 3. Dezember 1985 beim FG ein. Diese Fristversäumnis hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin dadurch verursacht, daß er die durch das Gesetz zur Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher und finanzgerichtlicher Verfahren vom 4. Juli 1985 geänderte Rechtslage hinsichtlich der Einlegung der Revision im finanzgerichtlichen Verfahren übersehen bzw. nicht gekannt hat. Ein Prozeßbevollmächtigter, der aus Unkenntnis des Verfahrensrechts eine Ausschlußfrist versäumt, handelt insbesondere dann schuldhaft, wenn - wie im Streitfall - in der dem FG-Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung auf die neue Rechtslage durch das angeführte Gesetz ausdrücklich hingewiesen worden ist. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Fristversäumnis (§ 56 Abs. 1 FGO) kommt daher nicht in Betracht.

Auch eine Umdeutung der innerhalb der Beschwerdefrist ursprünglich eingelegten Revision scheidet aus. Das ergibt sich schon daraus, daß zwischen einer Revision und einer Nichtzulassungsbeschwerde erhebliche rechtliche und verfahrensmäßige Unterschiede bestehen (vgl. u. a. BFH-Beschluß vom 19. Januar 1968 III R 147/66, BFHE 91, 460, BStBl II 1968, 383). Im Streitfall kommt hinzu, daß die innerhalb der Beschwerdefrist eingelegte Revision erst nach Ablauf der Monatsfrist begründet wurde.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414621

BFH/NV 1987, 782

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