Leitsatz (amtlich)

1. Aus welchen Titeln vollstreckt wird, ist für den Bereich der Finanzgerichtsbarkeit im § 151 Abs. 2 FGO erschöpfend geregelt.

2. Der Umstand, daß die gegen einen Beschluß eingelegte Beschwerde gemäß § 131 FGO grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung hat, kann es nicht rechtfertigen, § 151 Abs. 2 Nr. 1 FGO gegen seinen eindeutigen Wortlaut auszulegen und auch auf Beschlüsse anzuwenden, die weder rechtskräftig noch für vorläufig vollstreckbar erklärt worden sind.

 

Normenkette

FGO § 151 Abs. 2, § 131

 

Tatbestand

Das FG erklärte durch Beschluß vom 26. Februar 1969 den Rechtsstreit über den Erlaß einer einstweiligen Anordnung in der Hauptsache für erledigt und erlegte dem Antragsgegner und Beschwerdegegner (HZA) die Kosten auf. Das HZA stellte daraufhin am 16. April 1969 Antrag auf mündliche Verhandlung. Auf Veranlassung der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) erließ die Geschäftsstelle des FG am 30. Juli 1969 einen Kostenfestsetzungsbeschluß über die nach § 139 FGO zu erstattenden notwendigen Auslagen. Diesen Beschluß hob das FG aufgrund der vom HZA eingelegten Erinnerung mit folgender Begründung auf: Die Vorschriften des § 149 FGO enthielten außer der Verweisung auf § 148 Abs. 1 bis 3 FGO keine Vorschriften über das Verfahren bei einem Kostenfestsetzungsbeschluß. Deshalb seien nach § 155 FGO die Vorschriften der §§ 103 bis 107 ZPO sinngemäß anzuwenden. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Erlaß eines Kostenfestsetzungsbeschlusses enthalte § 103 Abs. 1 ZPO. Danach könne der Anspruch auf Erstattung der Kosten nur aufgrund eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels geltend gemacht werden. Diese Voraussetzung liege hier nicht vor. Im Bereich der Finanzgerichtsbarkeit seien die Vorschriften der § 704 und § 794 ZPO durch § 151 Abs. 2 und 3 FGO ersetzt. Zu den hier abschließend aufgezählten Vollstreckungstiteln gehöre der Beschluß vom 26. Februar 1969 nicht. Er gehöre nicht zu den rechtskräftigen Entscheidungen im Sinne des § 151 Abs. 2 Nr. 1 FGO, da er vom HZA angefochten worden sei. Er könne auch nicht als eine einstweilige Anordnung im Sinne des § 151 Abs. 2 Nr. 2 FGO angesehen werden. Er sei zwar in einem Verfahren über den Erlaß einer einstweiligen Anordnung ergangen, enthalte jedoch keine einstweilige Regelung im Sinne des § 114 FGO.

Mit der Beschwerde macht die Antragstellerin geltend: Vollstreckungsfähige Beschlüsse seien unabhängig vom Eintritt der Rechtskraft vollstreckbar (Redeker-v. Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl., § 168 Anm. 2; v. Wallis-List in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 151 FGO, Anm. 3); sie brauchten nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt zu werden (Schunck-de Clerck, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 2. Aufl., § 168, Erl. 1 a). Ein Beschluß könne grundsätzlich auch dann vollstreckt oder vollzogen werden, wenn gegen ihn Beschwerde eingelegt worden sei (Eyermann-Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 5. Aufl., § 149, Rdnr. 1; v. Wallis-List, a. a. O., § 131 FGO Anm. 1; Klinger, Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl., § 149 Erl. A; Ziemer-Birkholz, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 131 Textziff. 1). Diese Auffassung beruhe im wesentlichen auf der Erwägung, daß ein Beschluß nach § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO schon wegen seiner Beschwerdefähigkeit ein Vollstreckungstitel sei und daß weder die VwGO noch die FGO hieran etwas geändert habe. Es sei durchaus sinnvoll, wenn § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bei Beschlüssen auf deren Beschwerdefähigkeit abstelle. Darin liege eine Verweisung auf § 572 ZPO, wonach die Beschwerde grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung habe. Dem § 572 ZPO entsprecht § 131 FGO. Die Auslegung des § 151 Abs. 2 Nr. 1 FGO durch das FG leugne eine Verweisung auf § 131 FGO mit der Folge, daß die Beschwerde entgegen dem Wortlaut des § 131 FGO in bezug auf eine Vollstreckung im Sinne des § 151 Abs. 1 FGO grundsätzlich aufschiebende Wirkung hätte. Die Auffassung des FG berge daher die Gefahr in sich, daß der BFH mit sinnlosen Rechtsmitteln überschwemmt würde.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Finanzgerichtsordnung keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, nach dem der Anspruch auf Erstattung der Prozeßkosten geltend gemacht werden kann, und daß deshalb gemäß § 155 FGO die Vorschrift des § 103 Abs. 1 ZPO sinngemäß anzuwenden ist, wonach der Anspruch nur aufgrund eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels geltend gemacht werden kann. Die Frage, welche Titel zur Zwangsvollstreckung geeignet sind, ist für den Bereich der Finanzgerichtsbarkeit im § 151 Abs. 2 FGO ausdrücklich und erschöpfend geregelt. Denn insofern hat es der Gesetzgeber ersichtlich nicht bei der im § 151 Abs. 1 FGO angeordneten allgemeinen sinngemäßen Anwendung des Achten Buches der Zivilprozeßordnung bewenden lassen wollen; er hat vielmehr hier die Vollstreckungstitel durch eine von den Vorschriften der §§ 704 und 794 ZPO abweichende Fassung aufgezählt. Anstelle der in § 704 bzw. § 794 Nr. 3 ZPO erwähnten "Endurteile, die rechtskraftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt worden sind", und "Entscheidungen, gegen die das Rechtsmittel der Beschwerde stattfindet", erwähnt § 151 Abs. 2 Nr. 1 FGO die "rechtskräftigen und vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen". § 151 Abs. 2 Nr. 1 FGO faßt damit die Endurteile und Entscheidungen im Sinne der §§ 704 und 794 ZPO zusammen und fordert für sie beide wie im § 704 ZPO für die Endurteile, daß sie rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt worden sind. Schließlich zeigt auch die Erwähnung der auch im Katalog des § 794 ZPO enthaltenen Kostenfestsetzungsbeschlüsse im § 151 Abs. 2 Nr. 3 FGO, daß der Gesetzgeber hier für die Finanzgerichtsbarkeit eigenständig und abschließend bestimmt hat, aus welchen Titeln vollstreckt wird. Das gleiche ist durch § 168 VwGO für den Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit geschehen (vgl. Eyermann-Fröhler, a. a. O., § 168 Rdnr. 1; Redeker-v. Oertzen, a. a. O., § 168 Rdnr. 1; Schunck-de Clerck, a. a. O., § 168 Erl. 1; Thomas, Bayerisches Verwaltungsblatt 1967 S. 335).

Der Umstand, daß § 151 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht entsprechend dem § 704 ZPO von Entscheidungen spricht, die "für vorläufig vollstreckbar erklärt worden sind", sondern von solchen, die "vorläufig vollstreckbar" sind, gibt keinen Anlaß, die Vorschrift etwa dahin auszulegen, daß es nur auf die tatsächliche Möglichkeit einer vorläufigen Vollstreckung der Entscheidung ankomme, nicht aber auf eine entsprechende Vollstreckbarkeitserklärung. Denn gerichtliche Entscheidungen die schon ihrer Natur nach "vorläufig" vollstreckbar wären, gibt es nicht. Der Begriff der vorläufigen Vollstreckbarkeit einer gerichtlichen Entscheidung birgt den Gedanken in sich, daß eine solche Entscheidung erst nach Eintritt ihrer Rechtskraft vollstreckbar ist, aber durch eine besondere gerichtliche Erklärung diese Eigenschaft bis dahin unter der auflösenden Bedingung verliehen bekommen kann, daß sie auf Grund des gegen sie gegebenen Rechtsmittels aufgehoben wird. Auch aus § 151 Abs. 3 FGO ergibt sich, daß mit den im § 151 Abs. 2 Nr. 1 FGO erwähnten "vorläufig vollstreckbaren" gerichtlichen Entscheidungen solche gemeint sind, die das Gericht für vorläufig vollstreckbar erklärt hat, Auch die mit § 151 Abs. 2 Nr. 1 FGO übereinstimmende Fassung des § 168 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist nicht anders zu verstehen (vgl. Redeker-v. Oertzen, a. a. O., § 168 Rdnr. 6; Schunck-de Clerck, a. a. O., § 167 Anm. 2 f, § 168 Anm. 1 a; Ule, Verwaltungsprozeß-Recht, 5. Aufl., S. 287; Turegg-Kraus, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 4. Aufl., S. 428; Wolff, Verwaltungsrecht III, § 177 I 1).

Wie die Vorschrift des § 168 Abs. 1 Nr. 1 VwGO bezieht § 151 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Forderung, daß die Rechtskraft eingetreten oder die Eigenschaft der vorläufigen Vollstreckbarkeit durch eine gerichtliche Erklärung verliehen sein muß, auf die "gerichtlichen Entscheidungen" schlechthin. Beide Vorschriften machen hier keinen Unterschied zwischen Urteilen und Beschlüssen, bringen also den Willen des Gesetzgebers zum Ausdruck, auch nichtrechtskräftige Beschlüsse als Vollstrekkungstitel nur dann gelten zu lassen, wenn sie für vorläufig vollstreckbar erklärt worden sind. Damit ist die von einem Teil des Schrifttums, insbesondere von Redeker-v. Oertzen (a. a. O., § 168 Rdnr. 2) vertretene Auffassung nicht vereinbar, auf die Rechtskraft bzw. vorläufige Vollstreckbarkeit komme es in der Zwangsvollstrekkung nur bei Urteilen an. Der Umstand, daß die gegen einen Beschluß eingelegte Beschwerde gemäß § 131 FGO grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung hat, kann es nicht rechtfertigen, § 151 Abs. 2 Nr. 1 FGO gegen seinen eindeutigen Wortlaut auszulegen und auch auf Beschlüsse anzuwenden, die weder rechtskräftig noch für vorläufig vollstreckbar erklärt worden sind, zumal die wortgetreue Auslegung des § 151 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht zu einem sinnwidrigen Ergebnis führt. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, inwiefern die wortgetreue Auslegung die Gefahr heraufbeschwöre, daß der BFH mit sinnlosen Rechtsmitteln überschwemmt werde.

Das FG hat somit zutreffend entschieden, daß der Beschluß vom 26. Februar 1969 nicht zu den Vollstrekkungstiteln des § 151 Abs. 2 FGO gehört. Der Beschluß war weder rechtskräftig noch für vorläufig vollstreckbar erklärt.

Der Senat teilt schließlich auch die Auffassung des FG, daß der Beschluß vom 26. Februar 1969 keine einstweilige Anordnung im Sinne des § 151 Abs. 2 Nr. 2 FGO war.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70187

BStBl II 1973, 499

BFHE 1973, 479

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