Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertretung vor dem BFH durch eine Beratungsgesellschaft

 

Leitsatz (NV)

Eine Steuerberatungsgesellschaft m. b. H. ist kein Vertreter i. S. d. Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs. Trägt der Briefkopf der Revisionsschrift nur die Bezeichnung der Beratungsgesellschaft, die außerdem im Betreff des Schreibens als Prozeßbevollmächtigte angegeben ist, und wird hinsichtlich der Revisionseinlegung das Wort "wir" verwendet, ist davon auszugehen, daß die Beratungsgesellschaft die Revision eingelegt hat und nicht der unterzeichnende Steuerberater und Geschäftsführer.

 

Normenkette

BFHEntlG Art. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wegen Investitionszulage 1993 ab. In dem Urteil vom 29. November 1995, welches der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin in erster Instanz, der X-Steuerberatungsgesellschaft mbH in Z (GmbH), am 14. Dezember 1995 zugestellt wurde, war die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassen worden. Am 11. Januar 1996 ging beim FG ein Schriftsatz vom 9. Januar 1996 mit dem Briefkopf "X- Steuerberatungsgesellschaft mbH, Z" ein, in dem als Betreff das o. g. Urteil "im Rechtsstreit zwischen Y-GmbH ... vertreten durch X- Steuerberatungsgesellschaft mbH, ... Z ... " angeführt ist und in dem es heißt: " ... namens und im Auftrag unserer Mandantin legen wir gegen das o. g. Urteil ... Revision ein. Gleich zeitig beantragen wir ... das Ruhen des Verfahrens ... ". Der Schriftsatz weist die Unterschrift eines der beiden Geschäftsführer der GmbH, Steuerberater W, auf.

Mit Schreiben vom 14. März 1996, der GmbH zugestellt am 21. März 1996, teilte der Vorsitzende des erkennenden Senats mit, daß die Revisionsbegründungsfrist am 12. Februar 1996 ergebnislos abgelaufen sei. Gleichzeitig wies er auf § 56 FGO hin. Außerdem machte er darauf aufmerksam, daß die in der "wir"- Form abgefaßte Revision, ohne einer Entscheidung des Senats vorgreifen zu wollen, nicht von einer vor dem Bundesfinanzhof (BFH) postulationsfähigen Person eingelegt sein dürfte.

Mit am 28. März 1996 beim BFH eingegangenem Schriftsatz trägt der nunmehrige Prozeßbevollmächtigte der Klägerin, Steuerberater W, unter erneuter Verwendung eines Briefbogens der GmbH vor, die Revision sei durch ihn selbst eingelegt worden, was auch aus der Unterschrift hervorgehe. Die "wir"- Form sei nur gewählt worden, um zu verdeutlichen, daß er als Bevollmächtigter der Klägerin auftrete. Die Revision sei zunächst wegen des gestellten Antrags auf Ruhen des Verfahrens nicht begründet worden. Vorsorglich werde diesbezüglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO beantragt. Sodann folgen in dem Schriftsatz eine erneute Revisionseinlegung sowie Ausführungen zur Revisionsbegründung. Dem Schriftsatz ist eine auf den Steuerberater W lautende Prozeßvollmacht der Klägerin beigefügt.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Investitionszulage in Abänderung des Zulagenbescheids vom 9. August 1994 sowie der Einspruchsentscheidung vom 10. Juni 1996 auf ... DM festzusetzen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig. Sie ist zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 FGO).

Die Klägerin hat die Revision innerhalb der Revisionsfrist des § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht ordnungsgemäß erhoben. Die gesetzliche Einmonatsfrist lief aufgrund der Zustellung des FG-Urteils am 14. Dezember 1995 am Montag, dem 15. Januar 1996, ab. Innerhalb dieser Frist ist nur das Schreiben vom 9. Januar 1996 beim FG eingegangen, mit dem Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) i. d. F. vom 20. Dezember 1993 (BGBl I 1993, 2236, BStBl I 1994, 100) nicht entsprochen wurde. Danach muß sich jeder Beteiligte vor dem BFH schon bei der Einlegung einer Revision -- ausgenommen juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden -- durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertreten lassen. Steuerberatungsgesellschaften sind von der Vertretungsbefugnis ausgeschlossen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluß vom 9. November 1988 II R 20/86, BFHE 155, 23, BStBl II 1989, 109, m. w. N.).

Die Revision vom 9. Januar 1996 ist als Erklärung der GmbH anzusehen. Sie wurde namens und im Auftrag der Klägerin unter dem Briefkopf "X-Steuerberatungsgesellschaft mbH" eingelegt. Den Schriftsatz hat Steuerberater W, der ausweislich des Briefbogens einer der beiden Geschäftsführer der GmbH ist, unterschrieben. Außerdem ist im Betreff des Schreibens als Prozeßbevollmächtigte ausdrücklich die GmbH genannt, und es wird mehrfach das Wort "wir" verwendet. Aus diesen Umständen ergibt sich, daß die GmbH das Rechtsmittel eingelegt hat (vgl. auch BFH-Beschluß vom 25. September 1992 VIII B 57/92, BFH/NV 1993, 187). Eine andere Auslegung ist nicht etwa deshalb möglich, weil das Schreiben die Unterschrift des Steuerberaters W trägt. Denn dieser ist Geschäftsführer der GmbH. Im Hinblick auf den Rechtsgrundsatz des § 164 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches ist im Interesse der Rechtsklarheit davon auszugehen, daß eine unter dem Briefkopf einer GmbH von deren Geschäftsführerin abgegebene Erklärung mangels irgendwelcher Einschränkungen als Erklärung der GmbH angesehen werden muß.

Der Umstand, daß nach Ablauf der Revisionsfrist eine auf den Steuerberater W lautende Prozeßvollmacht vorgelegt wurde, kann den Mangel der wirksamen Einlegung der Revision nicht beheben. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die Ausführungen im Beschluß vom 7. Februar 1977 IV B 62/76 (BFHE 121, 171, BStBl II 1977, 291).

Die Erklärung der GmbH kann auch nicht in eine solche des Steuerberaters W umgedeutet werden. Grundsätzlich ist zwar davon auszugehen, daß der Rechtsmittelführer das Rechtsmittel einlegen will, das zu dem erkennbar von ihm erstrebten Erfolg führt. Dabei ist jedoch nur der Inhalt der Erklärung der Umdeutung fähig, nicht auch die Person des Erklärenden (BFH-Beschluß vom 26. April 1989 I B 60/88, BFHE 157, 17, BStBl II 1989, 701, m. w. N.).

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO ist schon deshalb nicht möglich, weil der Fehler bei Beachtung der langjährigen BFH-Rechtsprechung zu Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG (s. z. B. die Nachweise bei Tipke/Kruse, Abgabenordnung -- Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 120 FGO Rz. 35) hätte vermieden werden können.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421664

BFH/NV 1997, 141

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