Entscheidungsstichwort (Thema)

PKH im AdV-Verfahren

 

Leitsatz (NV)

Wer im Rahmen vorläufigen Rechtsschutzes gegenüber einem Schätzungsbescheid Prozeßkostenhilfe begehrt, dem obliegen in besonderem Maße Mitwirkungspflichten.

 

Normenkette

FGO §§ 79b, 142; ZPO § 114 ff.

 

Tatbestand

I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Beschwerdeführerin) hatte im März 1990 ein "Gewerbe zur Eröffnung einer ambulanten Imbißeinrichtung" für die Zeit "ab 10. 3. 90" und vom 1. November 1990 an eine "Erweiterung von Imbiß auf Einzelhandel mit Lebensmittel(n)" beantragt. Beim Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --), der hiervon in Kenntnis gesetzt war, hatte sie, beraten von ihrem jetzigen Prozeßbevollmächtigten, für Juli bis Dezember 1990 Umsatzsteuer- Voranmeldungen abgegeben und ihr Unternehmen dabei jeweils mit "X.-Imbiss-Betrieb A.B. ... " bezeichnet. -- Die auf den Namen der Beschwerdeführerin lautende Gewerbeabmeldung, die am 3. März 1992 beim FA eingegangen ist, enthält den Vermerk "Gewerbe ruht seit: 01.01.91" und weist als "Datum der Betriebsaufgabe" den "31.12.1991" aus.

Im Bericht vom 31. März 1993 über eine für Juli bis Dezember 1990 bei der Beschwerdeführerin durchgeführte Umsatzsteuersonderprüfung sind das Unternehmen als "Einzelunternehmen" und als steuerlicher Berater der Prozeßbevollmächtigte bezeichnet. Steuer und Vorsteuer müßten, so heißt es in dem Bericht weiter, unter Berücksichtigung der Voranmeldungen "auf der Grundlage von Erfahrungs- bzw. Richtwerten" geschätzt werden, da die Beschwerdeführerin bis zu diesem Zeitpunkt keine Unterlagen (Rechnungen) vorgelegt habe. Auch die Voranmeldungen seien jeweils erst nach mehreren Mahnungen abgegeben worden. Wegen der Einzelheiten der fehlgeschlagenen Bemühungen des FA wird auf Tz. 9 des Berichts vom 31. März 1993 Bezug genommen.

Am 30. April 1993 erließ das FA einen entsprechenden Schätzungsbescheid über die Steuerrate und die Umsatzsteuer 1990. Nachdem die Beschwerdeführerin den Erhalt dieses Bescheids bestritten hatte, wiederholte das FA die Bekanntgabe am 1. Dezember 1994 (mit Postzustellungsurkunde).

Zur Begründung des hiergegen eingelegten Einspruchs berief sich der Prozeßbevollmächtigte namens der Beschwerdeführerin auf die Einkommensteuer- und auf die Umsatzsteuererklärung, die am 3. Mai 1994 im Namen der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes eingereicht worden waren und Einkünfte in Höhe von ./. ... DM bzw. eine Umsatzsteuer in Höhe von ./. ... DM aus einem "Lebensmittel Groß- und Einzelhandel, Imbißbetrieb" auswiesen.

Nachdem das FA den Prozeßbevollmächtigten mit Schreiben vom 23. Oktober 1995 vergeblich aufgefordert hatte, entweder das Bestehen einer Gesellschaft nachzuweisen oder aber für die Beschwerdeführerin und ihren Ehemann getrennte Gewinnermittlungen und Steuererklärungen einzureichen, und ein Erinnerungsschreiben vom 23. November 1995 ebenfalls unbeantwortet geblieben war, wiederholte das FA diese Aufforderung mit Verfügung vom 13. Mai 1996 und setzte zur Erledigung unter Berufung auf §364 b Abs. 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) eine Ausschlußfrist bis zum 13. Juni 1996.

Nachdem sich die Beschwerdeführerin auch hierzu nicht geäußert hatte, wies das FA den Rechtsbehelf mit Einspruchsentscheidung vom 2. August 1996 wegen mangelnder Mitwirkung ohne weitere Sachprüfung als unbegründet zurück.

Die hiergegen am 5. September 1996 erhobene Klage begründete die Beschwerdeführerin erst, nachdem sie wiederholt vergeblich hierzu aufgefordert worden und schließlich am 11. März 1997 eine auf §79 b Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützte Aufklärungsverfügung ergangen war. Unterlagen allerdings legte der Prozeßbevollmächtigte mit der Begründung nicht vor, sie seien entweder nicht vorhanden oder aber ohne Aussagekraft hinsichtlich der vom Finanzgericht (FG) gestellten Frage, ob der Gewerbebetrieb im Streitjahr von einer Gesellschaft oder von der Beschwerdeführerin als Einzelunternehmen geführt worden sei. Daß die Eheleute die gewerbliche Tätigkeit gemeinsam ausgeübt hätten, ergebe sich aus dem gemeinschaftlichen Jahresabschluß und den gemeinsamen Steuererklärungen. "Dafür, daß dieser Jahresabschluß und diese Steuererklärungen alle Daten und Werte beider Eheleute bzw. deren gesamte gewerbliche Tätigkeit beinhalten", benannte der Prozeßbevollmächtigte sich selbst als Zeugen und eine bei ihm angestellte Steuerfachgehilfin.

Daraufhin beraumte das FG am 16. April 1997 einen Erörterungstermin auf den 15. Mai 1997 an. Verbunden war die Ladung hierzu mit der erneuten Aufforderung an die Beschwerdeführerin, die Ein- und Verkaufsrechnungen sowie Bankbelege vorzulegen.

Hierauf teilte der Prozeßbevollmächtigte am 13. Mai 1997 mit, er könne an diesem Termin nicht teilnehmen, weil die Beschwerdeführerin nicht in der Lage sei, "den erforderlichen Gebühren- und Reisekostenvorschuß" für ihn, den Prozeßbevollmächtigten, aufzubringen, und beantragte Gewährung von Prozeßkostenhilfe (PKH) für das Klageverfahren. Dieser Antrag blieb ebenso erfolglos wie die hiergegen eingelegte Beschwerde.

Außerdem beantragte die Beschwerdeführerin (nach vergeblicher Anrufung des FA) Aussetzung der Vollziehung (AdV) beim FG, über die noch nicht entschieden ist, und gleichzeitig Gewährung von PKH auch für dieses Verfahren. Zur Begründung dieses Antrags berief sich die Beschwerdeführerin auf das Vorbringen im Klageverfahren, auf die dort angebotenen Beweise sowie auf die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 28. Juli 1997.

Gegen die Ablehnung dieses Antrags im FG- Beschluß vom 30. Januar 1998 richtet sich die Beschwerde, mit der die Beschwerdeführerin ihr Begehren mit im wesentlichen unveränderter Begründung weiterverfolgt.

Das FA hat von der Möglichkeit, sich zu äußern, keinen Gebrauch gemacht.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat den PKH-Antrag der Beschwerdeführerin zu Recht abgelehnt.

Nach §142 FGO i. V. m. §§114 ff. der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält ein Prozeßbeteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. -- Der zu diesem Zweck beim Prozeßgericht zu stellende Antrag (§117 Abs. 1 Satz 1 ZPO) ist insofern zu substantiieren, als es Sache des Rechtsuchenden ist, das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen (§117 Abs. 1 Satz 2 ZPO) sowie außerdem -- unter Verwendung der hierfür eingeführten amtlichen Vordrucke -- eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst entsprechenden Belegen beizufügen (§117 Abs. 2 und 4 ZPO).

1. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerdeführerin den letztgenannten Anforderungen zeitnah gerecht geworden ist (vgl. dazu die Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 27. November 1992 III B 80/92, BFH/NV 1993, 325, und vom 23. Dezember 1993 VIII B 98/93, BFH/NV 1994, 657, 658), denn jedenfalls aus sachlichen Gründen kann das Rechtsmittel keinen Erfolg haben.

2. Die sachlichen Voraussetzungen für die Gewährung von PKH sind erfüllt, wenn bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Eintritt des Erfolges in der Hauptsache spricht (Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., 1997, §142 Rz. 7, m. w. N.). Dies ist nach Aktenlage, grundsätzlich nicht mit Hilfe von Beweiserhebungen, sondern anhand präsenter Beweismittel zu beurteilen (vgl. BFH-Beschluß vom 26. Februar 1997 VII B 201/96, BFH/NV 1997, 610). Dabei trifft den Rechtsuchenden eine besondere, in Schätzungssachen verstärkte Mitwirkungspflicht (BFH-Beschluß vom 9. Juli 1996 IV B 105/95, BFH/NV 1997, 58, 59, m. w. N.; vgl. auch BFH- Beschluß vom 3. Dezember 1996 IV S 2/96, BFH/NV 1997, 700, m. w. N.), die im Streitfall noch durch das frühere Verhalten der Beschwerdeführerin verstärkt wird: Sie selbst nämlich ist, schon damals fachkundig beraten, den Behörden gegenüber zunächst als Einzelunternehmerin aufgetreten. Wenn dieser Eindruck unzutreffend sein sollte, so ist die Beschwerdeführerin in besonderem Maße aufgefordert, alles in ihren Kräften Stehende und ihr Zumutbare zu tun, um den (ihrer Meinung nach) wahren Sachverhalt aufzuklären (zur gesteigerten Mitwirkungspflicht aus vorangegangenem Verhalten: Gräber, a. a. O., §96 Rz. 9, m. w. N.). Statt dessen aber weigert sich die Beschwerdeführerin seit Jahren beharrlich, dem FA bzw. nunmehr dem FG Belege vorzulegen. Dafür gibt es keinen rechtfertigenden Grund. Es ist Sache des FG (unter Heranziehung der Beteiligten), sich ein Urteil auch über den Beweiswert der vorhandenen Unterlagen zu bilden und dann im Rahmen einer Gesamtbeurteilung darüber zu befinden, inwieweit hier Zeugenvernehmungen ausnahmsweise als Beweismittel geeignet sind (s. dazu Gräber, a. a. O., §76 Rz. 24, m. w. N.). Was die bisherigen Beweisangebote angeht, so erscheint dies in besonderem Maße zweifelhaft, weil es (anders als nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin) vorrangig nicht um die unter Beweis gestellte Vollständigkeit von Jahresabschluß bzw. von Steuererklärungen geht und weil die entscheidende rechtliche Wertung (alleinige Tatbestandsverwirklichung durch die Beschwerdeführerin oder gemeinsame Einkünfteerzielung in Form einer Mitunternehmerschaft mit ihrem Ehemann) ohnedies nicht Gegenstand einer Beweiserhebung sein kann.

Unter diesen Umständen kann unerörtert bleiben, inwieweit die Erfolgsaussichten des AdV-Begehrens nicht schon dadurch in Frage gestellt sind, daß die Beschwerdeführerin im Hauptsacheverfahren nach §76 Abs. 3 FGO bzw. nach §79 b Abs. 3 FGO mit weiterem Sachvortrag präkludiert ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 302836

BFH/NV 1998, 1517

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