Entscheidungsstichwort (Thema)

NZB: Verfahrensmangel, keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung

 

Leitsatz (NV)

1. Die Wiedereröffnung des Verfahrens nach Schluss der mündlichen Verhandlung steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts.

2. Die mündliche Verhandlung muss nicht wiedereröffnet werden, wenn ein Beteiligter nachträglich Tatsachen vorträgt, die er bereits in der mündlichen Verhandlung hätte vorbringen können.

 

Normenkette

FGO § 116 Abs. 3 S. 3, § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 93 Abs. 3

 

Verfahrensgang

FG Münster (Urteil vom 26.02.2003; Aktenzeichen 1 K 1972/99 F)

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen i.S. von § 115 Abs. 2 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

1. Die Voraussetzungen eines Verfahrensmangels nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO haben die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) nicht ausreichend dargelegt.

a) Das betrifft insbesondere ihren Vortrag, das Finanzgericht (FG) habe die mündliche Verhandlung verfahrensfehlerhaft nicht wiedereröffnet. Soweit sich die Kläger auf ihren nachgereichten Schriftsatz an das FG vom 26. Februar 2003 beziehen, kann darauf kein Verfahrensmangel gestützt werden. Zum einen steht die Wiedereröffnung des Verfahrens nach Schluss der mündlichen Verhandlung grundsätzlich im Ermessen des Gerichts (vgl. Gräber/ Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 93 Rz. 9, m.w.N.), zum anderen muss die mündliche Verhandlung nicht wiedereröffnet werden, wenn ein Beteiligter nachträglich Tatsachen vorträgt, die er bereits in der mündlichen Verhandlung hätte vorbringen können. Denn im finanzgerichtlichen Verfahren können nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, Angriffs- und Verteidigungsmittel grundsätzlich nicht mehr vorgebracht werden (vgl. Gräber/Koch, a.a.O., § 93 Rz. 7; Hellwig in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 93 FGO Rz. 14; Senatsbeschluss vom 12. November 1993 VIII R 17/93, BFH/NV 1994, 492). Im Streitfall hat das FG die Frage des anschaffungsnahen Erhaltungsaufwandes ausweislich des Sitzungsprotokolls mit den Beteiligten erörtert. Die Kläger hatten während der mündlichen Verhandlung daher hinreichend Gelegenheit, auf den Neubau einer Dachgeschosswohnung im Rahmen einer einheitlichen Baumaßnahme hinzuweisen. Die Entscheidung des FG, die mündliche Verhandlung nicht wiederzueröffnen, war demnach nicht verfahrensfehlerhaft.

b) Im Übrigen fehlt es insoweit an dem schlüssigen Vortrag, inwiefern das angefochtene Urteil auf dem Verfahrensmangel beruht, es also ohne Verfahrensfehler möglicherweise anders ausgefallen wäre (ständige Rechtsprechung, vgl. Nachweise in Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 48, 49). Denn das FG ist ausweislich der Urteilsgründe davon ausgegangen, dem Vorbringen der Kläger sei --auch unter Berücksichtigung des Schriftsatzes vom 26. Februar 2003-- weder substantiiert zu entnehmen, es handele sich bei der Neueindeckung des Daches und der Reparatur bzw. der Renovierung einer Dachgeschosswohnung um eine einheitliche Baumaßnahme, noch dass eine Steigerung des Wohnstandards im Sinne der Rechtsprechung zum anschaffungsnahen Aufwand gegeben sei. Insofern ist auch der konkludent erhobene Vorwurf des Verstoßes gegen den klaren Inhalt der Akten nicht substantiiert dargelegt.

2. Die Kläger haben auch nicht schlüssig dargelegt, dass der Streitfall die Klärung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) erfordert.

Die schlüssige Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung verlangt ein konkretes und substantiiertes Eingehen des Beschwerdeführers darauf, inwieweit die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist (ständige Rechtsprechung, s. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. Mai 1999 V B 162/98, BFH/NV 1999, 1497, sowie vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Kläger haben weder eine abstrakte über ihren Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage bezeichnet, noch aus welchen Gründen und in welchem Umfang diese umstritten ist. Die bloße Behauptung, nach den ab 2001 festgestellten "Negativentwicklungen bei Lebensversicherungen" seien die unverbindlich prognostizierten Kapitalwerte nicht mehr erzielbar, so dass sich bei der Vollfinanzierung von Immobilien durch Lebensversicherungsansprüche nicht gesicherte Darlehensteile ergeben, die von den Steuerpflichtigen nachfinanziert werden müssten, ist nicht geeignet, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen. Denn die Steuerschädlichkeit der Abtretung von Lebensversicherungsansprüchen zur Sicherung/Tilgung von Darlehensverbindlichkeiten hängt nicht davon ab, ob die später fällig werdenden Lebensversicherungsansprüche zur Tilgung der Darlehensverbindlichkeiten ausreichen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1411471

BFH/NV 2005, 1823

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