Entscheidungsstichwort (Thema)

PKH - Hinreichende Erfolgsaussichten; atypische stille Gesellschaft als Mitunternehmerschaft

 

Leitsatz (NV)

1. PKH für das finanzgerichtliche Verfahren kann auch noch nach Ergehen des FG-Urteils bewilligt werden, wenn der PKH-Antrag während des Verfahrens gestellt wurde und das Verfahren in der Hauptsache an den BFH gelangen kann.

2. Zur Gewährung von PKH ist erforderlich, daß die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Hinreichend erfolgversprechend ist die Rechtsverfolgung nur, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist.

3. Eine atypische stille Gesellschaft ist als Mitunternehmerschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusehen, wenn der stille Gesellschafter am laufenden Gewinn und Verlust teilnimmt und bei Auflösung der Gesellschaft nicht nur seine Einlage, sondern auch einen Anteil an den Wertsteigerungen des Betriebsvermögens einschließlich des - nach verkehrsüblichen Methoden berechneten - Geschäftswerts erhalten soll.

 

Normenkette

FGO § 142 Abs. 1; ZPO § 114 S. 1; EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) ist Garten- und Landschaftsarchitekt. Am 1. Juni 1980 schloß er mit dem im finanzgerichtlichen Verfahren beigeladenen Herrn Z einen Vertrag über die Durchführung von Arbeiten der Gartengestaltung unter der - von Z zu führenden - Firma ,,X", an der der Antragsteller nach dem Wortlaut des Vertrages als ,,stiller Teilhaber zu 50 %" beteiligt sein sollte.

Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) nahm aufgrund dieses Vertrages eine aus Z und dem Antragsteller bestehende atypische stille Gesellschaft an, stellte deren Gewinn erstmals für das Jahr 1980 einheitlich und gesondert fest und rechnete dem Antragsteller diesen Gewinn zu 50 v. H. zu.

Im Streitjahr 1981 schätzte das FA den Gewinn der Gesellschaft - wegen Nichtabgabe der Gewinnfeststellungserklärung - auf . . . DM und rechnete den Gewinn Z sowie dem Antragsteller zu je . . . DM zu.

Dagegen hat der Antragsteller nach erfolglosem Einspruch Klage erhoben.

Den gleichzeitig mit der Klage gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH) lehnte das Finanzgericht (FG) wegen fehlender Erfolgsaussichten des Klageverfahrens ab.

Mit seiner Beschwerde hält der Antragsteller sein PKH-Begehren mit der Begründung aufrecht, das FG habe die Sach- und Rechtslage nicht fehlerfrei gewürdigt.

Die Beeinträchtigung der Gewinnauszahlung durch Z sei entgegen der Auffassung des FA keine Privatangelegenheit. Dies folge auch aus der Verfügung der Oberfinanzdirektion (OFD) Frankfurt / Main vom 23. Oktober 1983, in der ausdrücklich klargestellt sei, daß der atypische Stille Sonderbetriebsvermögen habe. Inzwischen hat das FG die Klage in der Hauptsache als unbegründet abgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

PKH für die erste Instanz kann auch nach Ergehen des FG-Urteils bewilligt werden, wenn - wie hier - der PKH-Antrag während des Verfahrens gestellt wurde und das Verfahren in der Hauptsache - wenn auch erst nach Zulassung der Revision gegen das FG-Urteil - an den Bundesfinanzhof (BFH) gelangen kann (vgl. BFH-Beschluß vom 7. August 1984 VII B 27/84, BFHE 141, 494, BStBl II 1984, 838; Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 142 Anm. 24 und 28, m. w. N.).

Die Bewilligung von PKH ausschließende Anhaltspunkte dafür, daß der Antragsteller gegen das FG-Urteil kein Rechtsmittel einlegen will, sind nicht ersichtlich (vgl. dazu BFH-Entscheidungen in BFHE 141, 494, BStBl II 1984, 838).

2. Die Beschwerde ist unbegründet.

Das FG hat das PKH-Begehren des Antragstellers zu Recht abgelehnt; bei der im Rahmen dieses Verfahrens gebotenen summarischen Prüfung bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -, § 114 Satz 1 der Zivilprozeßordnung - ZPO -).

a) Hinreichend erfolgversprechend ist die Rechtsverfolgung nur, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist; danach ist PKH zu versagen, wenn der vom Antragsteller begehrte Erfolg bei summarischer Prüfung und Würdigung der wichtigsten Tatumstände insbesondere auch bei Schätzungen - wie hier - nicht zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 25. März 1986 III B 5-6/86, BFHE 146, 223, BStBl II 1986, 526, und vom 16. Dezember 1986 VIII B 115/86, BFHE 148, 215, BStBl II 1987, 217, m. w. N.).

Diese Grundsätze gelten auch für die Entscheidung über PKH-Begehren nach Ergehen der Sachentscheidung in der Hauptsache, so daß das PKH-Gesuch nicht allein unter Hinweis auf das Ergebnis der Sachentscheidung beschieden werden kann (vgl. BFH-Entscheidungen in BFHE 146, 223, BStBl II 1986, 526, und in BFHE 148, 215, BStBl II 1987, 217).

b) Das Vorliegen der vorbezeichneten Voraussetzungen hat das FG zu Recht verneint.

Nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand ist auch unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung und ungeachtet der Entscheidung in der Hauptsache davon auszugehen, daß der Antragsteller im Streitjahr als Mitunternehmer einer atypischen stillen Gesellschaft neben Z gewerbliche Einkünfte aus Gesellschafter-Gewinnanteilen erzielt hat, deren Schätzung durch das FA wegen Nichtabgabe der Gewinnfeststellungserklärung geboten war und der Höhe nach aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist.

aa) Nach dem Inhalt des Vertrages vom 1. Juni 1980 ist der Antragsteller als atypischer stiller Gesellschafter der mit Z gegründeten (atypischen) stillen Gesellschaft ,,X" als Mitunternehmer i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzusehen.

Die Feststellung einer Mitunternehmerschaft i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG setzt voraus, daß der Antragsteller Unternehmerrisiko getragen und Mitunternehmerinitiative entfaltet hat (vgl. BFH-Beschluß vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751 sowie Urteile vom 12. November 1985 VIII R 364/83, BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311; vom 9. Oktober 1986 IV R 235/84, BFHE 148, 42, BStBl II 1987, 124, und vom 10. November 1987 VIII R 166/84, BFHE 152, 325, BStBl II 1989, 758).

Diese Voraussetzungen sind bei einer atypischen stillen Gesellschaft gegeben (vgl. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 9. Aufl., § 15 Anm. 58 a; Schulze zur Wiesche in Hartmann / Böttcher / Nissen / Bordewin, Einkommensteuergesetz, § 15 Rz. 431 ff.; Söffing in Lademann / Söffing / Brockhoff, Einkommensteuergesetz, § 15 Anm. 299).

Eine atypische stille Gesellschaft und damit eine Mitunternehmerschaft ist nämlich schon zu bejahen, wenn der stille Gesellschafter am laufenden Gewinn und Verlust teilnimmt und bei Auflösung der Gesellschaft nicht nur seine Einlage, sondern auch einen Anteil an den Wertsteigerungen des Betriebsvermögens einschließlich des - nach verkehrsüblichen Methoden berechneten - Geschäftswerts erhalten soll (vgl. BFH-Urteile vom 5. Juli 1978 I R 22/75, BFHE 125, 545, BStBl II 1978, 644; vom 25. Juni 1981 IV R 61/78, BFHE 134, 261, BStBl II 1982, 59; vom 26. Februar 1987 IV R 147/85, BFH/NV 1989, 363; vom 8. November 1988 VIII R 359/83, BFH/NV 1989, 572; vom 11. Juli 1989 VIII R 41/84, BFH/NV 1990, 92, und vom 4. Juli 1989 VIII R 139/85, BFH/NV 1990, 160).

Diese Voraussetzungen sind nach Abschnitt II des Vertrages vom 1. Juni 1980 gegeben. Denn danach werden Gewinn und Verlust ,,von beiden Partnern zu 50 v. H. geteilt"; bei Ausscheiden eines der Partner wird dem Ausscheidenden ,,50 v. H. des Gesamtvermögens ausgezahlt".

Der Antragsteller entfaltete nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarungen mit Z auch Unternehmerinitiative. Denn nach dem Vertragsinhalt führte der Antragsteller die Geschäfte, pflegte die Kundschaft, zeichnete die Pläne, machte die Büroarbeiten und hatte die Oberleitung bei den Gartenarbeiten bis zur völligen Einarbeitung des - branchenunkundigen - Z; im übrigen war vereinbart, daß der Antragsteller bei Meinungsverschiedenheiten aufgrund seines höheren Alters und seiner 50jährigen Erfahrung in der Gartengestaltung entscheiden sollte. Dem Antragsteller war damit eine Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen eingeräumt, wie sie Geschäftsführern und leitenden Angestellten obliegen (vgl. BFH-Entscheidungen in BFHE 148, 42, BStBl II 1987, 124, und in BFH/NV 1989, 572, sowie Urteil vom 11. Dezember 1986 IV R 222/84, BFHE 149, 149, BStBl II 1987, 553).

bb) Der Vertrag vom 1. Juni 1980 ist auch tatsächlich durchgeführt worden.

Aus dem vom Antragsteller vorgelegten Schriftverkehr der Gesellschaft (u. a. Auftragsbestätigung vom 4. Mai 1981 an die Eheleute A und Mängelrüge des Herrn Z vom 29. Oktober 1981) ergibt sich, daß die Gesellschaft tatsächlich tätig geworden ist.

Der Einwand des Antragstellers, eine Mitunternehmerschaft könne für das Streitjahr nicht angenommen werden, weil er Gewinnanteile weder in der Vergangenheit erhalten habe noch in der Zukunft erwarten könne, steht der Feststellung, der Vertrag sei tatsächlich durchgeführt worden, nicht entgegen.

Denn für die Anerkennung einer (atypischen) stillen Gesellschaft als Mitunternehmerschaft ist die tatsächliche Durchführung der Gewinnauszahlung nicht erforderlich, soweit es sich - wie hier - nicht um eine Familiengesellschaft handelt; insoweit kommt es allein darauf an, ob der Antragsteller Mitunternehmerrisiko getragen hat und Unternehmerinitiative entfalten konnte (vgl. BFH-Urteil vom 13. Juni 1989 VIII R 47/85, BFHE 157, 192, BStBl II 1989, 720). Diese Voraussetzungen sind hier - wie unter 2 b aa ausgeführt - gegeben.

Infolgedessen ist es für die Feststellung der Mitunternehmerschaft auch unerheblich, ob die Behauptung des Antragstellers zutrifft, daß Z keine zivilrechtlich wirksamen Verträge geschlossen und die ihm, Z, obliegende Rechnungslegung nicht vorgenommen habe.

b) Da weder der Antragsteller noch Z eine Gewinnfeststellungserklärung für das Streitjahr abgegeben haben, sind die Voraussetzungen für eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nach § 162 der Abgabenordnung (AO 1977) gegeben.

c) Bei der im Rahmen dieses Verfahrens gebotenen summarischen Prüfung ist die Schätzung auch der Höhe nach aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

aa) Nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG war die Gesellschaft unter Berücksichtigung der eigenen Angaben des Antragstellers mindestens bis Juni / Juli 1981 tätig. Der für das Streitjahr bis zu jenem Zeitpunkt geschätzte Umsatz in Höhe von 80 000 DM sowie der geschätzte Gewinn in Höhe von 30 000 DM sind unterhalb des Umsatzes von 100 000 DM sowie eines Gewinns von 40 000 DM angesetzt worden, die für die siebenmonatige Geschäftstätigkeit der Gesellschaft im Veranlagungszeitraum 1980 zugrunde gelegt wurden. Da der Antragsteller keine substantiierten Angaben über einen geringeren Geschäftserfolg der Gesellschaft im Streitjahr gemacht hat, kann bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht von einer Fehlerhaftigkeit der Schätzung ausgegangen werden.

Der Vortrag des Antragstellers, Z habe als allein Entnahmeberechtigter zu Unrecht Entnahmen getätigt, absprachewidrig bar kassiert und nicht mehr über die von dem Antragsteller geführten Geschäftsbücher abgerechnet, rechtfertigt keine von den gesellschaftsvertraglichen Regelungen abweichende Zurechnung des Gewinns zugunsten des Antragstellers.

Eine solche abweichende Zurechnung käme nur in Betracht, wenn Z zu seinen Gunsten Einnahmen und Gewinne verkürzt hätte. Sind in einem solchen Fall die wechselseitigen zivilrechtlichen Ausgleichsansprüche der Gesellschafter ungeklärt, werden die Mehrgewinne bei einer einheitlichen Gewinnfeststellung den Gesellschaftern zugerechnet, denen sie tatsächlich zugeflossen sind (vgl. BFH-Urteil vom 1. August 1968 IV R 177/66, BFHE 93, 239, BStBl II 1968, 740).

Im vorliegenden Fall handelt es sich indessen nicht um von einem Gesellschafter verkürzte Einnahmen und Gewinne, die im Rahmen einer Außenprüfung aufgedeckt wurden. Vielmehr handelt es sich um eine im Rahmen des Veranlagungsverfahrens wegen Nichtabgabe der Steuererklärung durchgeführte Schätzung, die der Höhe nach im wesentlichen an den Gewinnen des vorhergehenden Veranlagungszeitraums orientiert ist und schon deshalb mit der Feststellung verkürzter Einnahmen und Gewinne nicht verglichen werden kann. Für die Zurechnung eines derart durch Schätzung ermittelten Gewinns ist daher ungeachtet der tatsächlichen Gewinnauszahlung der vertragliche Gewinnverteilungsschlüssel maßgebend (vgl. zu Mehrgewinnen aufgrund von Korrekturen unrichtiger Bilanzansätze BFH-Urteil vom 31. Oktober 1974 IV R 141/70, BFHE 113, 511, BStBl II 1975, 73, m. w. N.).

bb) Bei dem gegenwärtigen Verfahrensstand sind schließlich auch keine Anhaltspunkt dafür ersichtlich, daß für den Streitzeitraum ein Liquidationsverlust zu berücksichtigen ist. Der insoweit vorgetragene Hinweis des Antragstellers, er habe bislang keine Gewinnzuweisungen erhalten, rechtfertigt die Annahme eines solchen Liquidationsverlustes nicht.

Als im Streitjahr zu berücksichtigender Liquidationsverlust hat der Antragsteller den ihm für das Vorjahr (1980) zugerechneten Gewinnanteil in Höhe von . . . DM unter Hinweis auf die von Z unberechtigt vorgenommenen Entnahmen geltend gemacht.

Bereits für den ohne Begründung ergangenen Senatsbeschluß vom 14. Januar 1988, der die Gewinnfeststellung des Vorjahres zum Gegenstand hatte, war maßgebend, daß an die Stelle unrechtmäßig entnommener Beträge ein darauf bezogener Ersatzanspruch tritt (vgl. BFH-Urteil vom 2. August 1968 VI R 219/67, BFHE 93, 218, BStBl II 1968, 746). Offenbar will der Antragsteller geltend machen, dieser Ersatzanspruch habe sich als wertlos erwiesen, wodurch es für ihn zu einem Betriebsverlust gekommen sei (BFH-Urteil vom 24. Juni 1960 VI 16/60, Der Betrieb 1961, 795). Es kann jedoch dahinstehen, ob Z die vom Antragsteller behaupteten Beträge entnommen hat und ob ein hieraus resultierender Ersatzanspruch etwa durch die Erfolglosigkeit des vom Antragsteller angestrengten Zivilrechtsstreits wertlos geworden ist. Denn es spricht nichts dafür, daß die Wertlosigkeit eines solchen Anspruchs, sollte er bestanden haben, bereits im Streitjahr absehbar war. Insoweit verweist das FG zu Recht auf das Schreiben des Antragstellers an Z vom 18. September 1981, in dem er eine ,,gerechte Teilung" ankündigt, also von einer einverständlichen Abwicklung der gegenseitig bestehenden Ansprüche ausgeht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63615

BFH/NV 1992, 388

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