Entscheidungsstichwort (Thema)

Klagebefugnis einer nicht steuerrechtsfähigen Person

 

Leitsatz (NV)

1. Richtet das Finanzamt (FA) einen Steuerbescheid an eine nicht steuerrechtsfähige Person, so ist dennoch nur derjenige, dessen Steuerrechtsfähigkeit in dem ggfs. nichtigen Steuerbescheid behauptet wird, oder dessen Gesamtrechtsnachfolger klagebefugt.

2. Die Angabe des Adressaten in einem Steuerbescheid ist dann nicht mehr auslegungsfähig, wenn das FA erklärt, es habe den so bezeichneten Adressaten des Steuerbescheides als selbständiges Steuerrechtssubjekt in Anspruch nehmen wollen.

 

Normenkette

FGO § 40 Abs. 2

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) hat die Klagen der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wegen Körperschaftsteuer 1973-1979 mangels Beschwer i. S. des § 40 Abs. 2 FGO als unzulässig abgewiesen, ohne die Revision zuzulassen. Gegen die Urteile legte die Klägerin fristgerecht Nichtzulassungsbeschwerden ein, denen das FG nicht abgeholfen hat und denen folgender Sachverhalt zugrunde liegt.

Die Klägerin ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, der die öffentliche Berufsvertretung ihrer gesetzlichen Mitglieder obliegt. Nach dem maßgebenden Kammergesetz ist der Klägerin die Möglichkeit eingeräumt, Untergliederungen durch Satzung zu bilden. Von dieser Möglichkeit hat die Klägerin dadurch Gebrauch gemacht, daß sie eine sog. Bezirkskammer für einen örtlich abgegrenzten Bereich gegründet und der Bezirkskammer Aufgaben übertragen hat, die der Klägerin gesetzlich zugewiesen sind.

Das FA sah in einer bestimmten und von der Bezirkskammer ausgeübten Tätigkeit einen Betrieb gewerblicher Art. Es erließ deshalb gegenüber der Bezirkskammer u. a. Körperschaftsteuerbescheide, gegen die die Bezirkskammer Einsprüche einlegte. Die Einsprüche wurden vom FA gegenüber der Bezirkskammer als unbegründet zurückgewiesen. Gegen die Einspruchsentscheidungen erhob die Klägerin Klagen, die das FG - wie eingangs erwähnt - als unzulässig abgewiesen hat. Die Nichtzulassungsbeschwerden der Klägerin werden auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf Verfahrensmängel gestützt.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerden, die der Senat zur gemeinsamen Entscheidung verbunden hat, sind unbegründet. Die Rechtssachen haben weder grundsätzliche Bedeutung noch sind dem FG Verfahrensfehler unterlaufen.

1. Grundsätzliche Bedeutung

a) Das FG hat die Klagen der Klägerin als unzulässig abgewiesen, weil die Klägerin durch die angefochtenen Bescheide nicht i. S. des § 40 Abs. 2 FGO beschwert sei. Die Klägerin hat zwar in ihrer Beschwerdebegründung zur grundsätzlichen Bedeutung bestimmter Rechtsfragen Stellung genommen. Sie hat jedoch die Entscheidungserheblichkeit dieser Rechtsfragen für die vom FG verneinte Beschwer nicht weiter vertieft.

b) Zwar hat das FG sinngemäß die Auffassung vertreten, eine Beschwer der Klägerin i. S. des § 40 Abs. 2 FGO sei zu bejahen, wenn die Bezirkskammer lediglich eine rechtlich unselbständige Untergliederung der Klägerin sein würde. Auch wollte die Klägerin möglicherweise mit ihrer Beschwerdebegründung an diese Rechtsauffassung des FG anknüpfen. Jedoch ist die vom FG insoweit vertretene Auffassung fehlerhaft. Eine Beschwer der Klägerin i. S. des § 40 Abs. 2 FGO ist auch dann zu verneinen, wenn die Bezirkskammer lediglich eine rechtlich unselbständige Untergliederung der Klägerin sein sollte. In diesem Falle würden sich die angefochtenen Steuerbescheide gegen eine nicht steuerrechtsfähige Person richten. Die Bescheide wären nichtig. Klagebefugt wäre dennoch nur derjenige, dessen Steuerrechtsfähigkeit in den ggf. nichtigen Steuerbescheiden behauptet wird (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 40 FGO Anm. 12), oder dessen Gesamtrechtsnachfolger (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. April 1986 VII R 123/80, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Abgabenordnung, § 125, Rechtsspruch 11). Die Klägerin erfüllt beide Voraussetzungen nicht. Sie wird nach der Adressatenbezeichnung in den angefochtenen Bescheiden durch dieselben weder als Steuerschuldner in Anspruch genommen noch läßt sich ihre Inanspruchnahme aus dem Gesichtspunkt der Gesamtrechtsnachfolge ableiten. Die Klägerin kann auch nicht geltend machen, durch den von den streitbefangenen Steuerbescheiden ausgehenden Rechtsschein in eigenen Rechten berührt zu sein. Der Rechtsschein der angefochtenen Steuerbescheide kann nicht über ihren objektiven Erklärungsinhalt hinausgehen. Deshalb ist entscheidend, daß ein gegen die Bezirkskammer gerichteter Steuerbescheid die Klägerin nicht verpflichten kann. Wenn das FA die Steuerbescheide an die ,,Bezirkskammer X" richtete, so drückte es damit konkludent aus, daß es die Bezirkskammer als einen mit der Klägerin nicht identischen, selbständigen Steuerpflichtigen ansieht und gerade deshalb die Steuer (Besteuerungsgrundlage) nicht gegenüber der Klägerin festsetzt (feststellt). Damit geht es gleichzeitig das Risiko ein, daß die erlassenen Steuerbescheide wegen Irrtums über die Steuerrechtsfähigkeit der Bezirkskammer nichtig sind. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, daß das FA letztlich versuchen wird, wegen der festgesetzten Steuern in vermeintliches Vermögen der Bezirkskammer zu vollstrecken, das tatsächlich der Klägerin gehört. Jedoch folgt auch daraus keine Beschwer der Klägerin i. S. des § 40 Abs. 2 FGO. Vielmehr ist das Vollstreckungsverfahren gegenüber dem Steuerfestsetzungsverfahren ein selbständiges. Sollte der Klägerin eine Rechtsverletzung im Vollstreckungsverfahren drohen, so ist sie gehalten, Drittwiderspruchsklage i. S. des § 771 der Zivilprozeßordnung (ZPO) zu erheben. Die Möglichkeit, eine solche Klage zu erheben, begründet jedoch noch keine Beschwer i. S. des § 40 Abs. 2 FGO für das Steuerfestsetzungsverfahren.

c) Zwar ist auch die Angabe des Adressaten in einem Steuerbescheid unter Umständen auslegungsfähig. Inbesondere kann eine ungenaue Adressatenangabe dann unschädlich sein, wenn aus anderen Umständen erkennbar wird, an welche Person sich der Bescheid seinem Inhalt nach richtet (vgl. BFH-Urteil vom 14. November 1986 III R 12/81, BFHE 148, 212, BStBl II 1987, 178). Jedoch scheidet die Berichtigung einer Adressatenbezeichnung im Streitfall aus, weil das FA - wie vom FG im Streitfall festgestellt - erklärt hat, es habe den so bezeichneten Adressaten der Steuerbescheide als selbständiges Steuerrechtssubjekt in Anspruch genommen.

2. Verfahrensfehler

Dem FG sind auch keine Verfahrensfehler unterlaufen. Dies bedarf wegen Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs in der Fassung vom 4. Juli 1985 (BGBl I 1985, 1274, BStBl II 1985, 496) keiner Begründung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415111

BFH/NV 1987, 794

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge