Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Begründung einer auf Verfahrensmängel gestützten Nichtzulassungsbeschwerde

 

Leitsatz (NV)

Stützt der Beschwerdeführer seine Nicht zulassungsbeschwerde auf die unterlassene Einnahme eines Augenscheins, muß er darlegen, was das Ergebnis der Beweisaufnahme gewesen wäre und weshalb die Vorentscheidung auf dem Fehlen dieses Beweisergebnisses beruhen kann. Hierzu reicht die Behauptung nicht aus, daß die Vorentscheidung "bestimmt anders ausgefallen" wäre.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen (§ 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1. Wird als Zulassungsgrund Divergenz i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO geltend gemacht, so muß in der Beschwerdeschrift nicht nur die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH), von der das Urteil des Finanzgerichts (FG) abweichen soll, bezeichnet werden; es muß darüber hinaus aus der Entscheidung des FG ein diese tragender abstrakter Rechtssatz abgeleitet werden, der zu einem ebenfalls die Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz der BFH- Entscheidung in Widerspruch stehen kann. Die nach Auffassung des Beschwerdeführers voneinander abweichenden Rechtssätze sind dabei erkennbar oder zumindest in nachvollziehbarer Weise gegenüberzustellen (vgl. Senatsbeschluß vom 17. Oktober 1990 II B 44/90, BFH/NV 1991, 483). An dieser Gegenüberstellung der voneinander abweichenden Rechtssätze fehlt es im Streitfall. Aus den Ausführungen der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist deshalb eine Divergenz nicht erkennbar.

2. Auch soweit die Kläger Verfahrensmängel i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO als Zulassungsgrund geltend machen, entspricht die Begründung nicht den gesetzlichen Anforderungen.

a) Die Kläger tragen insoweit im wesentlichen lediglich folgendes vor:"

Wegen der nicht durchgeführten Ortsbesichtigung sowie der urplötzlichen Beiziehung der Bauakten des Landratsamtes (mit denen man sich vor der mündlichen Verhandlung in keinster Weise auseinandersetzen konnte) werden Verfahrensmängel i. S. von § 115 (2) Ziff. 3 FGO gerügt. Die Entscheidung des Finanzgerichts wäre bestimmt anders ausgefallen, wenn die begehrte Ortsbesichtigung erfolgt wäre."

Zwar kann das Übergehen eines Beweisantrags einen Verfahrensmangel darstellen. Für eine hierauf gestützte Nichtzulassungsbeschwerde wäre es jedoch erforderlich gewesen, daß die Kläger u. a. darlegen, was das Ergebnis der Beweisaufnahme durch Einnahme eines Augenscheins gewesen wäre (vgl. BFH-Urteil vom 26. Februar 1975 II R 120/73, BFHE 115, 185, BStBl II 1975, 489) und weshalb die Vorentscheidung auf dem Fehlen dieses Beweisergebnisses beruhen kann (BFH-Urteil vom 14. Januar 1981 I R 131/79, BFHE 132, 508, BStBl II 1981, 443).

Hierzu reicht die Behauptung der Kläger nicht aus, daß die Entscheidung des FG "bestimmt anders ausgefallen" wäre.

Es fehlt ferner -- was für eine formgerechte Rüge mangelnder Sachaufklärung erforderlich gewesen wäre -- an einer Darlegung der ermittlungsbedürftigen Punkte sowie des Schriftsatzes mit Datum und Seitenzahl, in dem das Beweismittel genannt wird, das das FG nicht erhoben hat (vgl. BFH-Urteil vom 31. Juli 1990 I R 173/83, BFHE 162, 236, BStBl II 1991, 66).

Da das Übergehen eines Beweisantrags zu den verzichtbaren Mängeln gehört (vgl. BFH in BFHE 162, 236, BStBl II 1991, 66), setzt die zulässige Rüge des geltend gemachten Verfahrensverstoßes ferner die Darlegung in der Beschwerdeschrift voraus, daß die Kläger auf ihr Rügerecht nicht verzichtet haben (vgl. BFH-Beschluß vom 19. August 1994 X B 124/94, BFH/NV 1995, 238 m. w. N.). Entsprechende Ausführungen fehlen indessen im Beschwerdeschriftsatz. Auch läßt sich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung des FG vom 13. Oktober 1994 nicht entnehmen, daß die Kläger die unterlassene Augenscheinseinnahme gerügt hätten.

Soweit die Rüge der Kläger als Rüge der Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes durch das FG (§ 76 FGO) verstanden werden sollte, hätten die Kläger u. a. darlegen müssen, warum sich diese Beweiserhebung durch eine Einnahme des Augenscheins als erforderlich hätte aufdrängen müssen (vgl. Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, S. 101).

b) Soweit die Kläger "die urplötzliche Beiziehung der Bauakten" rügen, ist darin eine Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs zu sehen. Zu einer schlüssigen Rüge hätten die Kläger aber u. a. substantiiert darlegen müssen,

-- zu welchen dem angefochtenen Urteil zugrundegelegten Tatsachen sie sich nicht haben äußern können (vgl. Senatsurteil in BFHE 115, 185, BStBl II 1975, 489),

-- was sie bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätten (vgl. BFH-Beschluß vom 16. Januar 1986 III B 71/84, BFHE 145, 497, BStBl II 1986, 409)

-- und daß sie bei sich bietender Gelegenheit den Verfahrensverstoß vor dem FG gerügt haben (vgl. Herrmann, a. a. O., S. 103).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift nicht. Im übrigen ergibt sich aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem FG vom 13. Oktober 1994, daß die beigezogenen Bauakten des Landratsamts Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Daraus kann nur geschlossen werden, daß die Kläger Gelegenheit hatten, auch insoweit Stellung zu nehmen.

3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 25 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes. Der Streitwert bei Anfechtung eines Einheitswertbescheids beträgt im Regelfall 60 v. T. des streitigen Wertunterschieds (vgl. BFH- Beschluß vom 11. Februar 1977 III B 28/75, BFHE 121, 300, BStBl II 1977, 352).

 

Fundstellen

Haufe-Index 420673

BFH/NV 1995, 909

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