Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässigkeit der Beschwerde gegen Versagung der Prozeßkostenhilfe für Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung

 

Leitsatz (NV)

1. Die Beschwerde gegen die Ablehnung eines Antrags auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe für ein Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung eines (Haftungs-)Bescheids ist unzulässig.

2. Stellt die Begründung des FG, mit der ein Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe für das Klageverfahren abgelehnt worden ist, eine Überraschungsentscheidung dar, mit der der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt worden ist, so ist sie im Beschwerdeverfahren aufzuheben.

3. Auch im Prozeßkostenhilfeverfahren gilt für das FG der Untersuchungsgrundsatz des § 76 FGO.

 

Normenkette

FGO § 142 Abs. 1; BFHEntlG Art. 1 Nr. 3; ZPO §§ 114, 118, 127

 

Gründe

1. Die Beschwerde gegen die Versagung von Prozeßkostenhilfe für das Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids ist unzulässig.

Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 127 Abs. 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) findet gegen ablehnende Entscheidungen über die Prozeßkostenhilfe die Beschwerde statt, ,,es sei denn, daß das Berufungsgericht die Entscheidung getroffen hat". Aus dieser Regelung wird entnommen, daß die Beschwerde in einer Prozeßkostenhilfesache nicht an diejenige Instanz gerichtet werden kann, an die die zugehörige Hauptsache nicht kommen kann (vgl. Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, Zivilprozeßordnung, 48. Aufl., § 127 Anm. 12 c m. w. N.). Eine Beschwerde ist also auch nicht gegen die Ablehnung der Prozeßkostenhilfe durch das Finanzgericht (FG) zulässig, wenn die zugehörige Hauptsache nicht an den Bundesfinanzhof (BFH) gelangen kann. Das ist hier der Fall. Bei dem zugehörigen Hauptsacheverfahren handelt es sich um ein Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO, in welchem das FG nach Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) durch unanfechtbaren Beschluß entschieden hat (vgl. BFH-Beschluß vom 14. Mai 1982 VIII B 1/82, BFHE 136, 53, BStBl II 1982, 600).

2. Soweit sich die Beschwerde gegen die Ablehnung der Prozeßkostenhilfe für das Klageverfahren gegen den gegen den Kläger ergangenen Lohnsteuerhaftungsbescheid richtet, ist sie zulässig und begründet.

Das FG hat die Ablehnung der Prozeßkostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Klage (§ 142 Abs. 1 FGO i. V. m. § 114 ZPO) damit begründet, daß von der Bestandskraft des Haftungsbescheids auszugehen sei, weil der Kläger seine Behauptung im Einspruchsverfahren, sein Sohn habe das nicht bei den Akten befindliche Einspruchsschreiben vom 24. Juni 1986 noch am selben Tage in den Briefkasten des Finanzamts (FA) eingeworfen, nicht glaubhaft gemacht habe. Die Entscheidung des FG stellt eine Überraschungsentscheidung dar, mit der der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -, § 96 Abs. 2 FGO, § 155 FGO i. V. m. § 278 Abs. 3 ZPO) verletzt worden ist (vgl. Gräber / von Groll, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 96 Rz. 31, 32 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Das FA hat auf die entsprechende Erklärung des Klägers hin den Einspruch gegen den Lohnsteuerhaftungsbescheid für zulässig angesehen. Es hat in der Einspruchsentscheidung das ,,Einspruchsschreiben vom 24. Juni 1986" ausdrücklich erwähnt. Im Klageverfahren ist dann weder von den Beteiligten noch vom FG die Frage der Bestandskraft des Haftungsbescheids aufgeworfen worden, so daß der Kläger keinen Anlaß hatte, sich erneut zu den Umständen der Einspruchseinlegung zu äußern.

Auch im Prozeßkostenhilfeverfahren gilt für das FG der Untersuchungsgrundsatz des § 76 FGO. Das Gericht kann verlangen, daß der Antragsteller seine tatsächlichen Angaben glaubhaft macht. Es kann Erhebungen anstellen, insbesondere die Vorlegung von Urkunden anordnen und Auskünfte einholen. Zeugen und Sachverständige werden nur in Ausnahmefällen vernommen (§ 142 Abs. 1 FGO i. V. m. § 118 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 ZPO). Erst wenn der Antragsteller innerhalb einer ihm vom Gericht gesetzten Frist bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet, hat das Gericht die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe abzulehnen (§ 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO).

Das FG hätte demnach, wenn es Zweifel an der fristgerechten Einspruchseinlegung hatte, den Kläger zur Stellungnahme und ggf. diesen und seinen Sohn, der das Einspruchsschreiben befördert haben soll, zu Auskünften und zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung (§ 294 ZPO) auffordern müssen. Mit der ohne jeden Hinweis in diesem Stadium des Verfahrens für den Kläger überraschenden Entscheidung, der Haftungsbescheid sei bestandskräftig geworden, hat es den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt. Der mit der Beschwerde angefochtene Beschluß war deshalb hinsichtlich der Prozeßkostenhilfeentscheidung zum Klageverfahren aufzuheben. Der Senat hält es für sachgerecht, die Sache insoweit an das FG zurückzuverweisen (§ 155 FGO i. V. m. § 575 ZPO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 417477

BFH/NV 1991, 549

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