Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Beschwerde gegen die Anberaumung eines Verhandlungstermins; kein Rechtsbehelf bei Verzögerung der Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens

 

Leitsatz (NV)

1. Die Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

2. Eine Entscheidung über den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

 

Normenkette

FGO §§ 128, 74

 

Tatbestand

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) führen vor dem Finanzgericht (FG) einen Rechtsstreit gegen den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) wegen Einkommensteuer 1985. Im Laufe des Klageverfahrens machten sie - zusätzlich zu den bisher streitigen Betriebsausgaben - geltend, die Klage richte sich auch gegen die Besteuerung des Existenzminimums und der Familienlasten. Gleichzeitig beantragten sie, wegen der - aufgrund der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 29. Mai 1990 und vom 12. Juni 1990 (BStBl II 1990, 653 und 664) zu erwartenden - Erhöhung der kinderbedingten Steuerentlastungen und des Grundfreibetrages und weiter wegen anhängiger Verfassungsbeschwerden betreffend die beschränkte Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen das Verfahren nach § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen. Nachdem das FA sich gegen die Aussetzung des Verfahrens gewandt und angeboten hatte, den Steuerbescheid insoweit gemäß § 165 der Abgabenordnung (AO 1977) vorläufig zu stellen, lud das FG zur mündlichen Verhandlung auf den 11.Februar 1992.

Gegen die Anberaumung des Termins zur mündlichen Verhandlung erhoben die Kläger die vorliegende Beschwerde.

Zur Begründung machten sie geltend, im Streitfall lägen die Voraussetzungen vor, unter denen das FG zur Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO verpflichtet sei. Die Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung ergebe keinen Sinn. Die Beschwerde richte sich deshalb auch dagegen, daß das FG über den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens nicht entschieden habe.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Das FA hat am 29. Juni 1992 den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1985 nach § 54 des Einkommensteuergesetzes geändert. Dieser Bescheid ist auf Antrag der Kläger Gegenstand des Verfahrens.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig.

1. Soweit die Kläger sich mit der Beschwerde gegen die Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung wenden, steht ihr § 128 Abs. 2 FGO entgegen.

Nach dieser Vorschrift können u.a. prozeßleitende Verfügungen nicht mit der Beschwerde angefochten werden. Prozeßleitende Verfügungen sind Entscheidungen des Gerichts oder seines Vorsitzenden, die eine Förderung des Verfahrens, mithin den Verlauf des gerichtlichen Verfahrens selbst betreffen (z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2. Dezember 1982 IV B 35/82, BFHE 137, 393, BStBl II 1983, 332, und vom 2. Dezember 1987 IX B 138 und 139/87, BFH/NV 1988, 382). Zu den prozeßleitenden Verfügungen gehört u.a. auch die Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung durch den Vorsitzenden (vgl. BFH/NV 1988, 382).

2. Soweit die Kläger mit der Beschwerde eine Entscheidung über die Aussetzung des Klageverfahrens erzwingen wollen, ist sie ebenfalls unzulässig.

a) Nach § 128 Abs. 1 FGO ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegen Entscheidungen des FG, die nicht Urteile oder Vorbescheide sind, und gegen Entscheidungen des Vorsitzenden zulässig. Mit der Beschwerde anfechtbar ist auch die Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens (§ 128 Abs. 2 2. Halbsatz FGO).

b) Ein besonderer - mit der Beschwerde anfechtbarer - Beschluß über die Aussetzung des Verfahrens (§ 74 FGO) ist allerdings nur erforderlich, wenn ein Rechtsstreit ausgesetzt wird; hingegen kann die Ablehnung eines Antrags auf Aussetzung des Verfahrens auch erst im Urteil erfolgen (z.B. BFH-Urteil vom 29. Juli 1966 IV 264/65, BFHE 86, 671, BStBl III 1966, 629; BFH-Beschluß vom 6. Oktober 1982 I R 71/82, BFHE 136, 521, BStBl II 1983, 48; BFH-Urteil vom 14. März 1989 VIII R 96/84, BFH/NV 1989, 784); hat das FG rechtsfehlerhaft eine Sachentscheidung getroffen, obwohl es das Klageverfahren nach § 74 FGO hätte aussetzen müssen, liegt darin ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr.3 FGO (z.B. BFH-Beschluß vom 8. Mai 1991 I B 132, 134/90, BFHE 164, 194, BStBl II 1991, 641).

Lehnt das FG jedoch den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens durch besonderen Beschluß ab, ist dieser mit der Beschwerde anfechtbar (z.B. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 2. Aufl. 1987, § 74 Anm.20).

c) Anfechtbar nach § 128 Abs. 1 FGO sind nur Entscheidungen des FG oder des Vorsitzenden, die bereits ergangen sind. Bei Verzögerung einer solchen Entscheidung sieht die FGO kein Rechtsmittel vor (bereits BFH-Beschluß vom 31. Januar 1967 VI B 30/66, BFHE 88, 108, BStBl III 1967, 292). Eine Entscheidung - wie hier über den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO - kann deshalb auch nicht mit der Beschwerde erzwungen werden (BFH-Beschluß vom 11.August 1989 VIII B 74/89, BFH/NV 1990, 305).

 

Fundstellen

Haufe-Index 418804

BFH/NV 1993, 372

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