Entscheidungsstichwort (Thema)

Selbständigkeit eines in einer Gaststätte aufspielenden Musikers; Verkennung der Beweislast und geringfügige Überschreitung der Zweiwochenfrist des § 104 Abs. 2 FGO keine Verfahrensfehler

 

Leitsatz (NV)

1. Auch wenn ein Steuerpflichtiger geltend macht, er habe als unselbständiger Musiker in einer Gaststätte aufgespielt, ist das FG nicht von sich aus verpflichtet, den Sachverhalt weiter aufzuklären, wenn der Steuerpflichtige nicht sämtliche, seine "Arbeitsverhältnisse" betreffenden Unterlagen vorlegt.

2. Die Verkennung der Grundsätze über die Beweislast stellt keinen Verfahrensmangel i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dar.

3. Das gilt auch für eine nur geringfügige Überschreitung der Zweiwochenfrist in § 104 Abs. 2 FGO zur Übergabe eines zuzustellenden Urteils.

 

Normenkette

EStG § 15; FGO § 76 Abs. 1 S. 1, §§ 96, 104 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 142

 

Tatbestand

Der Kläger, Beschwerdeführer und Antragsteller (Antragsteller) führte in den Streitjahren (1982 bis 1984) eine Gaststätte. Außerdem war er als Musiker für verschiedene private Personen und in Gaststätten auf Feiern und sonstigen Veranstaltungen tätig. Einen Teil der Einkünfte als Musiker erklärte er als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Lt. vorgelegter Lohnsteuerkarte wurde als Arbeitslohn für 1982 ein Betrag von 11 660 DM, für 1983 ein Betrag von 13 850 DM und für 1984 von 7 300 DM ausgewiesen. Als Arbeitgeber war auf den Lohnsteuerkarten die Verrechnungsstelle für Musiker, Bühnen-, Hotel- und Gaststättenangestellte in X (kurz: Verrechnungsstelle) bescheinigt. Die vereinbarten Entgelte erhielt der Antragsteller direkt vom jeweiligen Auftraggeber. Eine Vermittlung durch die Verrechnungsstelle fand nicht statt; auch war der Antragsteller ihr gegenüber nicht weisungsgebunden. Der Antragsteller meldete einen bestimmten Teil der Gesamtgagen aus seiner Musikertätigkeit der Verrechnungsstelle, die dann monatliche Abrechnungen fertigte. Den monatlichen Gesamtbetrag einschließlich aller Abzüge überwies der Antragsteller an die Verrechnungsstelle. Diese führte dann die ermittelte Lohn- und Lohnkirchensteuer an das zuständige Finanzamt (FA) ab.

Nach der Außenprüfung behandelte der Beklagte und Beschwerdegegner (FA) den Gaststättenbetrieb und die Musikerdarbietungen des Antragstellers als zwei verschiedene Betriebe und ordnete die Einkünfte aus den Musikdarbietungen den Einkünften aus selbständiger Arbeit zu. Die der Verrechnungsstelle gemeldeten und als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erklärten Gagen beurteilte das FA als Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Das FA änderte die Einkommensteuerbescheide 1982 bis 1984 entsprechend. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg.

Mit der Klage machte der Antragsteller geltend, die von der Verrechnungsstelle abgerechneten Einnahmen seien Arbeitslohn. Die Verrechnungsstelle sei insoweit als Arbeitgeber anzusehen; sie habe bestimmte Entgelte abgerechnet und entsprechende Steuerabzugs- und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt. Das FA könne dem Antragsteller nicht vorschreiben, ob er selbständig oder nichtselbständig tätig sei.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage im hier allein noch streitigen Punkt ab; der Antragsteller sei als Musiker selbständig tätig gewesen. Er habe nicht nachgewiesen, daß er bezüglich eines bestimmten Teils dieser Einkünfte nichtselbständig tätig gewesen sei. Es hätten keine Anhaltspunkte festgestellt werden können, daß der Antragsteller gegenüber der Verrechnungsstelle weisungsgebunden gewesen sei. Er habe die von dieser abgerechneten Beträge dieser selbst zur Verfügung gestellt. Soweit er für private Personen und bei Gastwirten als Musiker aufgetreten sei, hätten sich auch und gerade nach seinen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung keine Anhaltspunkte ergeben, die auf eine nichtselbständige Arbeit schließen ließen. Zwar sei er von den privaten Personen und Gastwirten mit der Durchführung von Musikerveranstaltungen beauftragt worden. Art und Weise wie auch die Durchführung habe er aber in eigener Regie vorgenommen. Insoweit sei er an Weisungen nicht gebunden gewesen. Seinen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung sei zudem zu entnehmen, daß er die mit der Verrechnungsstelle abgerechneten Gagen deshalb den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zugeordnet habe, um sich Ansprüche aus der Sozialversicherung zu sichern. Der Antragsteller habe auch keine Angaben gemacht, die eine Unterscheidung in einen selbständigen und einen nicht selbständigen Bereich rechtfertigen würden, und auch nicht, daß er seine Arbeitskraft im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses in der Weise geschuldet habe, daß er in der Betätigung seines Willens unter der Leitung eines Arbeitgebers gestanden habe und im geschäftlichen Organismus eines Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet gewesen sei. Die diesbezügliche Beweislast treffe den Antragsteller.

Die Revision ließ das FG nicht zu.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers mit der Begründung, das FG habe den Sachverhalt nicht genügend aufgeklärt und § 104 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht beachtet. Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens beantragt er Prozeßkostenhilfe (PKH); eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat er eingereicht.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Gewährung von PKH für das durchzuführende Beschwerdeverfahren ist unbegründet. Der Antragsteller hat schon deshalb keinen Anspruch auf PKH, weil die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Gemäß § 142 FGO i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung erhält ein Prozeßbeteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Auch wenn man davon ausgeht, daß der Antragsteller mittellos ist, so bietet doch die erhobene Nichtzulassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Der Antragsteller hat einen Verfahrensmangel nicht in einer den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechenden Form bezeichnet. Die Rüge, das FG habe gegen seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts verstoßen, erfordert eine genaue Angabe des Beweisthemas und der Beweismittel, die das Gericht nicht berücksichtigt hat. Außerdem ist darzutun, welches Ergebnis die unterlassene Beweisaufnahme nach Auffassung des Antragstellers erbracht hätte und wieso dieses Ergebnis -- ausgehend von der Rechtsauffassung des FG -- zu einer anderen Entscheidung hätte führen können. Da es sich um einen verzichtbaren Mangel handelt, ist auch darzutun, daß ein entsprechender Antrag auf Beweiserhebung gestellt worden ist oder warum sich eine entsprechende Sachverhaltsaufklärung dem Gericht von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 22. Juli 1992 II B 40/92, BFH/NV 1993, 422).

Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdeschrift nicht. Es trifft zwar zu, daß nach dem BFH-Urteil vom 11. Juni 1968 VI R 102/67 (BFHE 93, 135, BStBl II 1968, 726) Musiker, die in einer Gaststätte aufspielen, auch dann Arbeitnehmer des Gastwirts sind, wenn sie nicht dauernd für diesen tätig sind. Das bedeutet aber nicht, daß das FG von sich aus verpflichtet gewesen wäre, den Sachverhalt im einzelnen aufzuklären. Zu Recht hat das FA darauf aufmerksam gemacht, daß das FG den Antragsteller in der Ladung zur mündlichen Verhandlung aufgefordert hatte, sämtliche seine Tätigkeit als Musiker, insbesondere seine "Arbeitsverhältnisse" betreffenden Unterlagen im Termin vorzulegen. Dem ist der Antragsteller jedoch nicht nachgekommen.

Hätte das FG im vorliegenden Fall dennoch die Grundsätze über die Verteilung der Beweislast verkannt, wie der Antragsteller meint, dann wäre das gleichwohl kein zur Zulassung der Revision führender Verfahrensmangel; es handelte sich dann vielmehr um einen materiell-rechtlichen Fehler (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 3. Aufl., § 115 Anm. 28 m. w. N.). Das gilt auch für Verstöße gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze (Gräber/Ruban, a.a.O., Anm. 29).

Einen Verfahrensmangel i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO stellt es auch nicht dar, wenn das Urteil der Geschäftsstelle nicht -- wie in § 104 Abs. 2 FGO vorgesehen -- binnen zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung der Geschäftsstelle übergeben worden ist. Da das Urteil ausweislich der FG-Akten jedenfalls am 1. Dezember übergeben worden ist, hat die Nichteinhaltung der Zweiwochenfrist keine prozessualen Folgen (Gräber/Ruban, a.a.O., § 104 Anm. 10, und Tipke/Kruse, Abgabenordnung -- Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 115 FGO Tz. 67 jeweils m. w. N.; BFH- Urteile vom 22. Februar 1980 VI R 132/79, BFHE 130, 126, BStBl II 1980, 398, und vom 14. März 1990 X R 52/88, BFH/NV 1991, 49).

 

Fundstellen

Haufe-Index 420135

BFH/NV 1995, 118

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