Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnung eines Befangenheitsgesuchs nur ausnahmsweise Verfahrensmangel; Bindungswirkung der Bescheinigung der Gemeinde für die Zulagenfestsetzung nicht klärungsbedürftig

 

Leitsatz (NV)

  1. Soweit mit Wirkung vom 1.1.2001 die Beschwerde gegen einen ein Ablehnungsgesuch zurückweisenden Beschluss ausgeschlossen worden ist, kann auch mit der Nichtzulassungsbeschwerde nur noch eingeschränkt ein Verfahrensmangel geltend gemacht werden.
  2. Die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs durch gesonderten Beschluss stellt nur dann einen Verfahrensverstoß dar, wenn der Beschluss nicht nur fehlerhaft, sondern greifbar gesetzwidrig und damit willkürlich ist.
  3. Ein Ablehnungsgrund liegt nicht bereits darin, dass ein Berichterstatter dem Kläger vor Abschluss der mündlichen Verhandlung eine vorläufige Meinung über den voraussichtlichen Ausgang des Verfahrens mitteilt und dies mit der Bitte verbindet, eine Klagerücknahme zu erwägen.
  4. Eine derartige Anregung kann die Annahme der Befangenheit nur ausnahmsweise dann nahe legen, wenn sie erkennen lässt, dass dem Richter um jeden Preis an einer Beendigung des Verfahrens gelegen und zweifelhaft ist, ob er noch Gründen gegen seine Rechtsauffassung zugänglich sein wird.
  5. Ebenso wenig rechtfertigt für sich allein eine freimütige Formulierung die Richterablehnung, es sei denn, der Sprachgebrauch wäre offensichtlich unsachlich und unangemessen. Stets ist aber eine Gesamtschau des Verhaltens und sämtlicher Umstände erforderlich.
  6. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat, auch wenn der BFH bislang noch nicht ausdrücklich zu einer bestimmten gesetzlichen Regelung entschieden hat.
  7. Sowohl in der höchstrichterlichen Rechtsprechung als auch einhellig im Schrifttum wird den Bescheinigungen anderer Behörden für die Zulagenfestsetzung Bindungswirkung zuerkannt. Die Bescheinigungen werden als Grundlagenbescheide beurteilt, welche die Finanzbehörden bei der Zulagengewährung entsprechend binden.
  8. Weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht unterliegen sie der Nachprüfung durch die Finanzbehörden, soweit es sich um außersteuerliche Beurteilungen handelt.
  9. Auch soweit die Gemeindebehörden in den Bescheinigungen nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 InvZulG 1999 lediglich Rechtstatsachen feststellen und keine Beurteilungen aufgrund besonderer, den Finanzbehörden fehlender eigener Sachkunde vornehmen, wird die Eigenschaft als Verwaltungsakt nicht in Frage gestellt.
 

Normenkette

AO 1977 § 171 Abs. 10; FGO § 51 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 119 Nr. 1, § 124 Abs. 2, § 128 Abs. 2; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2; InvZulG 1999 § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 S. 3; ZPO § 42

 

Gründe

Von der Wiedergabe des Sachverhalts wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abgesehen.

Die Beschwerde ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 132 FGO).

1. a) Soweit der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) beanstandet, das Ablehnungsgesuch gegen die Einzelrichterin sei vom Finanzgericht (FG) zu Unrecht abgelehnt worden, kommt eine Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels nicht in Betracht.

Durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) ist mit Wirkung vom 1. Januar 2001 an die Beschwerde gegen einen ein Ablehnungsgesuch zurückweisenden Beschluss ausgeschlossen (§ 128 Abs. 2 FGO) worden. Nach § 124 Abs. 2 FGO unterliegen dem Endurteil vorausgegangene Entscheidungen, die nach der FGO unanfechtbar sind, nicht der Beurteilung der Revision. Daher kann eine Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich nicht auf die Ablehnung eines Befangenheitsgesuchs gestützt werden (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 13. Januar 2003 III B 51/02, BFH/NV 2003, 640).

Der Grundsatz, dass unanfechtbare Entscheidungen jeder Nachprüfung durch ein übergeordnetes Gericht entzogen sind, wird indes eingeschränkt. Die Bindung des BFH bezieht sich auf die unanfechtbare Entscheidung als solche. § 124 Abs. 2 FGO schließt die Rüge solcher Verfahrensmängel nicht aus, die als Folge der beanstandeten Vorentscheidung fortwirken und damit dem angefochtenen Urteil anhaften, sofern die Vorentscheidung gegen das Willkürverbot verstößt oder ein Verfahrensgrundrecht verletzt wird, wie der Anspruch auf rechtliches Gehör oder auf den gesetzlichen Richter (BFH-Urteil vom 21. Februar 1980 V R 71-73/79, BFHE 130, 157, BStBl II 1980, 457, 458; BFH-Beschluss vom 25. November 1999 VII B 140/99, BFH/NV 2000, 589, 590).

Verletzt die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs durch gesonderten Beschluss u.a. das Verfahrensgrundrecht auf den gesetzlichen Richter nach § 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG), so kann dieser Verfahrensverstoß aufgrund der seit dem 1. Januar 2001 geltenden Rechtslage als Verfahrensmangel nach §§ 115 Abs. 2 Nr. 3, 119 Nr. 1 FGO geltend gemacht werden (vgl. Begründung zum 2.FGOÄndG zu Art. 1 Nr. 18 in BTDrucks 14/4061, S. 10 f.; Spindler, Der Betrieb ―DB― 2001, 61, 62; ferner BFH-Beschluss vom 19. August 2002 VIII B 112/02, BFH/NV 2003, 65, unter Bezugnahme auf Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 128 Rz. 9 und § 119 Rz. 9).

Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG greift indes nur bei willkürlichen Verstößen gegen Verfahrensvorschriften ein. Deshalb hat eine Besetzungsrüge nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn sich dem Beschwerdevorbringen entnehmen lässt, dass der Beschluss über die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs nicht nur fehlerhaft, sondern greifbar gesetzwidrig und damit willkürlich ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 21. Oktober 1999 VII R 15/99, BFHE 190, 47, BStBl II 2000, 88, unter 2. und 3., m.umf.N.; in BFH/NV 2003, 640; Ruban in Gräber, a.a.O., § 119 Rz. 9).

b) Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 42 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Ein derartiger Grund ist gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus, jedoch nach Maßgabe einer vernünftigen, objektiven Betrachtung, davon ausgehen kann, der Richter werde nicht unvoreingenommen entscheiden. Verfahrensverstöße oder sonstige Rechtsfehler eines Richters bilden ―selbst wenn sie objektiv vorliegen― grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund.

Es kommt nicht darauf an, ob die Entscheidung wirklich durch Voreingenommenheit beeinflusst wird. Zureichende Ablehnungsgründe liegen allerdings nicht bereits darin, dass ein Richter als Berichterstatter sich vor dem Abschluss der mündlichen Verhandlung eine vorläufige Meinung über den ―für den Kläger ungünstigen― Ausgang des Klageverfahrens gebildet hat, sie dem Kläger bzw. dessen Prozessvertreter bekannt gibt und damit die Bitte verbindet, eine Klagerücknahme zu erwägen. Dies entspricht der Pflicht des Gerichts, den Verfahrensfortgang zu fördern. Derartige richterliche Hinweise über den voraussichtlichen Verfahrensausgang liegen im Allgemeinen im wohl verstandenen Interesse der Beteiligten.

Regelmäßig ergibt sich eine Besorgnis der Befangenheit auch nicht daraus, dass der Richter den rechtlichen Hinweis mit der Empfehlung verbindet, die Zweckmäßigkeit einer Klagerücknahme zu prüfen. Eine solche Anregung oder Anfrage kann die Annahme von Befangenheit ausnahmsweise nur dann nahe legen, wenn sie erkennen lässt, es sei dem Richter an einer Beendigung des Verfahrens "um jeden Preis" gelegen und wenn Zweifel aufkommen, ob der Richter weiterhin Gründen gegen seine eigene Rechtsauffassung überhaupt noch zugänglich ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl II 1985, 555; vom 20. Oktober 1997 V B 80/97, BFH/NV 1998, 592; ferner vom 5. März 1971 VI B 64/70, BFHE 102, 10, BStBl II 1971, 527).

Ebenso wenig rechtfertigt für sich allein eine freimütige Formulierung die Richterablehnung, es sei denn der Sprachgebrauch wäre offensichtlich unsachlich und unangemessen (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Januar 1996 X B 130/95, BFH/NV 1996, 561). Erforderlich ist insbesondere eine Gesamtschau des Verhaltens und aller Umstände (vgl. BFH-Beschlüsse vom 27. September 1994 VIII B 64-76/94, BFH/NV 1995, 526; vom 18. Dezember 1998 III S 4/98, BFH/NV 1999, 944).

c) Die Erwägungen des FG im Beschluss vom 22. Januar 2002, mit dem es das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen die Einzelrichterin zurückgewiesen hat, orientieren sich erkennbar an dieser Rechtsprechung und sind insbesondere auch auf der Grundlage der dienstlichen Äußerungen, die in positiver wie in negativer Hinsicht zu berücksichtigen sind (vgl. BFH-Beschluss vom 26. August 1997 VII B 80/97, BFH/NV 1998, 463), keineswegs völlig unvertretbar.

Eine greifbar gesetzwidrige, zu einer Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter führende Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs lässt sich dieser Würdigung jedenfalls nicht entnehmen.

Den rechtlichen Hinweis auf der Eingangsverfügung vom 4. Mai 2001 sowie den Zusatz vom 24. Juli 2001, ob die Klage aufrechterhalten werden soll, hat nicht die Einzelrichterin, sondern der Vorsitzende Richter beim FG vorgenommen.

Zu dem Telefonat im August 2001 zwischen der Einzelrichterin und der Prozessbevollmächtigten des Klägers führt die Prozessvertreterin im Schriftsatz vom 7. Dezember 2001 selbst aus, es habe sich um ein sachliches Rechtsgespräch gehandelt und sie habe sich nach Würdigung der von der Einzelrichterin angeführten BFH-Entscheidung eine Prüfung vorbehalten und eine diesbezügliche Stellungnahme in Aussicht gestellt.

Soweit mit der Beschwerde nunmehr pointiert die Reaktion der Einzelrichterin geschildert wird, findet sich weder im Ablehnungsgesuch noch in dem weiteren Schriftsatz vom 7. Dezember 2001 zur dienstlichen Stellungnahme der Einzelrichterin ein derartiger Vortrag.

Die schriftliche Anfrage vom 11. September 2001, ob die Klage fortgeführt werden soll, ist vor dem Hintergrund des vorausgegangenen telefonischen sachlichen Rechtsgesprächs ohne weiteres nachvollziehbar; denn die Prozessvertreterin wollte ihren Rechtsstandpunkt anhand der höchstrichterlichen Entscheidungen überprüfen und hatte eine Stellungnahme in Aussicht gestellt. Von einem Anruf einer Mitarbeiterin der Kanzlei der Prozessvertreterin bei der Geschäftsstelle des FG, in dem die Fortführung der Klage bestätigt worden sein soll, hat die Einzelrichterin nach ihrer dienstlichen Äußerung und nach Aktenlage keine Kenntnis erlangt. Deshalb erscheint es keineswegs sachfremd, dass die Einzelrichterin sich eine Woche vor dem Verhandlungstermin nochmals mit der Kanzlei der Prozessvertreterin in Verbindung gesetzt hat.

Ebenso ist die Erläuterung der Einzelrichterin einleuchtend, dass sie sich für die Terminierung weiterer Sachen Klarheit über die Fortführung des hier vorliegenden Rechtsstreits verschaffen wollte.

Soweit die Prozessbevollmächtigte mit der Beschwerde geltend macht, die Einzelrichterin habe wiederholt in der Kanzlei angerufen, handelt es sich um neuen Vortrag, der sich insbesondere nicht aus der eidesstattlichen Versicherung der in der Kanzlei der Prozessvertreterin beschäftigten Mitarbeiterin X ableiten lässt.

Ebenso ist der Anruf der Einzelrichterin beim Steuerberatungsbüro des Klägers wegen ihrer Zweifel an der Echtheit der Unterschrift unter dem Investitionszulagenantrag für 1999 erklärlich. Das Büro hatte bei der Anfertigung der Erklärung mitgewirkt. Ein Vergleich der Unterschriften unter den für mehrere Jahre eingereichten Investitionszulagenanträgen wie auch unter der für das Einspruchsverfahren eingereichten Vollmacht weist zumindest ins Auge springende Abweichungen auf, welche die Annahme ―wie die Prozessbevollmächtigte offenbar meint― lediglich vorgeschobener Zweifel der Einzelrichterin nicht rechtfertigen.

Es trifft zwar zu, dass der Kläger in seiner eidesstattlichen Versicherung behauptet hat, die Einzelrichterin habe bei ihrem Anruf im Steuerberatungsbüro einen unverzüglichen persönlichen Rückruf des Klägers verlangt. Insofern ist der Sachverhalt ―entgegen der Darstellung des FG― nicht unstreitig. Gleichwohl ist die Würdigung des FG, dass der Kläger auf Veranlassung des Steuerberatungsbüros und nicht wegen eines dringlichen Verlangens der Einzelrichterin angerufen hat, sowohl im Hinblick auf die dienstliche Äußerung der Einzelrichterin als auch die eidesstattliche Versicherung des Klägers selbst keineswegs völlig sachwidrig. Wenn der Kläger erklärt, ihm sei die Telefonnummer der Richterin weitergegeben worden mit der Bitte, die Fragen des Gerichts persönlich zu klären, so lässt sich diesem Vorbringen sehr wohl entnehmen, dass das Steuerberatungsbüro ein solches Vorgehen für sinnvoll erachtet und deshalb einen unmittelbaren Anruf durch den Kläger empfohlen hat. Jedenfalls kann dieser Schilderung nicht zwingend entnommen werden, die Richterin habe auf einem Rückruf des Klägers bestanden.

Ebenso ist die Würdigung des FG vertretbar, wenn es im Zusammenhang mit dem Gespräch des Klägers mit der Einzelrichterin eine absichtliche Untergrabung des Vertrauensverhältnisses zwischen Kläger und Prozessvertreterin verneint hat.

Der Kläger hat in seiner eidesstattlichen Versicherung erklärt, die Einzelrichterin habe über die Erfolgsaussichten eigentlich überhaupt nicht mit ihm reden wollen. Zwar hat er seinen Eindruck von dem Gespräch dahin gehend wiedergegeben, dass die Einzelrichterin ihn von der völligen Aussichtslosigkeit der Klage habe überzeugen und zu einer Klagerücknahme habe drängen wollen. Diese Ausführungen stehen aber in deutlichem Widerspruch zu der dienstlichen Äußerung der Einzelrichterin vom 21. November 2001.

Auch die Prozessbevollmächtigte führt in der Beschwerdebegründung aus, anlässlich des Telefonats mit ihr Anfang September habe die Einzelrichterin geäußert, sie halte die Klage für völlig aussichtslos und rate aus Gründen der Kostenersparnis dringend zu einer Klagerücknahme. Nach der Erwiderung, der Kläger wolle seinen Anspruch auf rechtliches Gehör in jedem Falle wahrnehmen, habe die Einzelrichterin etwas genervt gewirkt und erklärt, dies bringe doch alles nichts. In dem Schreiben vom 7. Dezember 2001 an das FG bestätigt die Prozessbevollmächtigte hingegen, es sei ein sachliches Rechtsgespräch geführt worden.

Zur Erläuterung ihrer Auffassung, dass die Einzelrichterin gegenüber den Argumenten des Klägers nicht aufgeschlossen gewesen sei, trägt die Prozessbevollmächtigte in der Beschwerdebegründung weiter vor, mit Schreiben vom 11. September 2001 sowie kurz vor dem Verhandlungstermin habe die Einzelrichterin noch einmal in offensiver Weise versucht, sie ―die Prozessbevollmächtigte― und später auch den Kläger persönlich zu einer Klagerücknahme zu veranlassen.

Da die Prozessbevollmächtigte die von der Einzelrichterin bei dem Telefonat Anfang September 2001 angegebenen Entscheidungen des BFH lesen und dazu Stellung nehmen wollte, ist die schriftliche Nachfrage der Einzelrichterin vom 11. September 2001, ob die Klage fortgeführt werden soll, verständlich. Ein Drängen auf eine Klagerücknahme ist weder dieser Anfrage noch der telefonischen Kontaktaufnahme der Einzelrichterin mit dem Büro der Prozessbevollmächtigten zu entnehmen.

Die Kanzleimitarbeiterin Frau X hat in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 27. November 2001 auch keineswegs bestätigt, die Einzelrichterin habe wiederholt in der Kanzlei angerufen. Angesichts der unter Ziff. 2 näher ausgeführten Eindeutigkeit der materiellen Rechtslage kann es schließlich nicht als völlig unvertretbar gewertet werden, wenn die Einzelrichterin im Verlauf des Telefonats mit dem Kläger, diesen deutlich auf die fehlenden Erfolgsaussichten des Klagebegehrens hingewiesen und dementsprechend eine Klagerücknahme empfohlen hat.

Die Tatsache, dass die Richterin bereits am 22. Oktober 2001 die mündliche Verhandlung des Rechtsstreits auf den 21. November 2001 terminiert hat, verdeutlicht andererseits, dass die Richterin keineswegs sich endgültig und abschließend eine Rechtsauffassung gebildet hat. Insbesondere hat sie sich auch nicht darum bemüht, das Einverständnis der Verfahrensbeteiligten zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zu erreichen, sondern offenbar gerade eine Erörterung der Angelegenheit in der mündlichen Verhandlung für sachgerecht angesehen.

2. Ein Klärungsbedarf der aufgeworfenen Rechtsfrage nach der Rechtsqualität der Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1999 und ihrer Bindungswirkung für das Zulagenfestsetzungsverfahren besteht nicht.

Ein Klärungsbedarf ist dann nicht gegeben, wenn die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat (vgl. BFH-Beschluss vom 18. Dezember 1998 VI B 215/98, BFHE 187, 559, BStBl II 1999, 231, unter II. 1., m.w.N.).

Das angefochtene Urteil entspricht der eindeutigen Rechtslage und stimmt mit der einheitlich im Schrifttum sowie von der Verwaltung vertretenen Auffassung überein. Der BFH hat zwar bislang nicht ausdrücklich zu der hier einschlägigen Bescheinigung entschieden. Indes besteht eine umfangreiche höchstrichterliche Rechtsprechung zu ähnlichen Sachverhalten, in denen der steuerrechtliche Tatbestand ausdrücklich entsprechende Bescheinigungen anderer Behörden als materiell-rechtliche Voraussetzungen verlangt.

a) Der Tatbestand in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 InvZulG 1999 entspricht inhaltlich im Wesentlichen der Regelung in § 5 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1996.

Durch das InvZulG 1996 sollten die gemäß § 3 Satz 2 InvZulG 1993 generell von der Zulagenförderung ausgeschlossenen Betriebsstätten des Handels wieder teilweise begünstigt werden, soweit es sich um kleinere und mittlere Groß- und Einzelhandelsbetriebe handelt. Durch das vorgesehene Bescheinigungsverfahren sollte sichergestellt werden, dass Investitionen von großflächigen Handelsbetrieben in baurechtlich durch Bebauungsplan u.a. festgelegten und in faktischen Gewerbe-, Industrie- und Sondergebieten aus der Förderung ausgeschlossen bleiben und (nur) Investitionen im innerstädtischen Bereich begünstigt werden. Damit sollte zugleich ein Beitrag zur Wiederbelebung der Innenstädte geleistet werden (vgl. Erste Beschlussempfehlung und erster Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zum Jahressteuergesetz ―JStG― 1996, BTDrucks 13/1558 zu Art. 9 Nr. 2; § 5 InvZulG 1993, S. 170).

b) Das Schrifttum hat der Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde Bindungswirkung zugesprochen, soweit darin auch planungsrechtliche Feststellungen getroffen werden, und zwar selbst dann, wenn diese Feststellungen offensichtlich unzutreffend sein sollten. Die Bescheinigungen werden als Grundlagenbescheid i.S. von § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung (AO 1977) beurteilt, welche die Finanzbehörden bei der Zulagengewährung mithin binden. Für diese Beurteilung wird auf vergleichbare, in vorangegangenen Zulagengesetzen enthaltene Bescheinigungsverfahren Bezug genommen (vgl. Selder in Blümich, Einkommensteuergesetz, § 5 InvZulG 1996 Rz. 39). Die dazu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze werden auf das im Streitfall angesprochene Bescheinigungsverfahren übertragen (vgl. Selder, a.a.O.; Zitzmann, Investitionszulagengesetz 1996, Neue Wirtschafts-Briefe ―NWB― Fach 3, S. 10235, 10270; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ―BMF― vom 12. Februar 1996, BStBl I 1996, 111 Tz. 5, und zu § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 InvZulG 1999 Stuhrmann in Blümich, a.a.O., § 2 InvZulG 1999 Rz. 52; Kaligin in Lademann, Einkommensteuergesetz und Nebengesetze, § 2 InvZulG 1999 Rz. 174; Masuch in Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz und Nebengesetze, § 2 InvZulG 1999 Tz. 86; Rosarius, Die neue Investitionsförderung, 4. Aufl., 2002, S. 103; BMF-Schreiben vom 24. August 1998, BStBl I 1998, 1114 Tz. 6; BMF-Schreiben vom 28. Juni 2001, BStBl I 2001, 379 Tz. 88 und 89, dort auch zum Umfang der Bindung; ferner Verfügung der Oberfinanzdirektion ―OFD― Rostock vom 9. Oktober 2000 InvZ 1570 A - St 232, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 2000, 1915, wonach ohne Vorlage der entsprechenden Bescheinigung der Antrag aus formellen Gründen abzuweisen sei).

Der BFH hat zur Rechtsnatur und Bindungswirkung derartiger, in einem Steuergesetz als Tatbestandsvoraussetzung geforderten Bescheinigungen in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass sie materiell-rechtliche Voraussetzung für die Festsetzung der Investitionszulage sind und weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht der Nachprüfung durch die Finanzverwaltungsbehörde unterliegen, soweit es sich um außersteuerrechtliche Beurteilungen handelt (BFH-Urteile vom 29. August 1986 III R 71/82, BFHE 147, 572, BStBl II 1986, 920, zu § 1 Abs. 4 InvZulG 1969 ―später § 2 InvZulG 1973―, betreffend Bescheinigung des Bundesministeriums für Wirtschaft; vom 25. August 1989 III R 17/84, BFHE 158, 283, BStBl II 1990, 79, § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 InvZulG 1979, betreffend Bescheinigung des Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft; ferner BFH-Beschluss vom 28. Oktober 1999 III R 50/96, BFH/NV 2000, 484).

Dieselbe Qualifizierung hat der BFH auch zu vergleichbaren anderen Bescheinigungen, die in Steuergesetzen verlangt werden, vorgenommen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 21. August 2001 IX R 20/99, BFHE 196, 191, BFH/NV 2002, 105, betreffend Bescheinigung nach § 7h Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―; vom 13. September 2001 IX R 62/98, BFHE 196, 550, BFH/NV 2002, 405, und vom 6. März 2001 IX R 64/97, BFHE 195, 211, BStBl II 2001, 796, 798, m.w.N., jeweils zu § 82i der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung ―EStDV―). Ebenso hat der BFH den nach § 33b Abs. 3 EStG für die Inanspruchnahme eines Behindertenpauschbetrages notwendigen Nachweis ―von den Versorgungsämtern ausgestellter Ausweis über die Art der Behinderung― als Grundlagenbescheid beurteilt (BFH-Urteile vom 13. Dezember 1985 III R 204/81, BFHE 145, 545, BStBl II 1986, 245; vom 5. Februar 1988 III R 244/83, BFHE 152, 488, BStBl II 1988, 436, 437).

c) Es trifft zwar zu, dass die Bescheinigung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 InvZulG 1999 lediglich Rechtstatsachen feststellt und keine aufgrund besonderer, den Finanzbehörden aber fehlender eigener Sachkunde vorzunehmende Beurteilung betrifft. Indes wird dadurch die Eigenschaft als Verwaltungsakt nicht in Frage gestellt; denn die Bescheinigung ist unmittelbar rechtserheblich, weil der Anspruch auf Investitionszulage tatbestandlich von der entsprechenden Bescheinigung der Gemeindebehörde abhängt (vgl. dazu auch Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl., § 35 Rz. 10 und 36; allgemein zur Abgrenzung bloßer Wissenserklärungen und unverbindlicher Auskünfte von Verwaltungsakten BFH-Urteil vom 20. Mai 1992 I R 138/90, BFH/NV 1993, 150; ferner Söhn in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 118 AO 1977 Rz. 143 und 144 sowie 556).

d) Der Kläger hat im Übrigen im Kern die Richtigkeit des angefochtenen Urteils bezweifelt und in der Art einer Revisionsbegründung eine abweichende eigene rechtliche Beurteilung vorgetragen. Indes fehlt die erforderliche inhaltliche Auseinandersetzung mit den das angefochtene Urteil tragenden Äußerungen im Schrifttum und in der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 958722

BFH/NV 2003, 1218

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