Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozeßkostenhilfe für eine juristische Person

 

Leitsatz (NV)

1. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das Rechtsmittel nicht von einer postulationsfähigen Person eingelegt wurde und ein Wiedereinsetzungsantrag mangels Vorlage der für die Bewilligung der PKH notwendigen Unterlagen erfolglos wäre.

2. Auch wenn sich aus den Steuerakten eine Vermögenslosigkeit ergibt, müssen im PKH-Verfahren die wirtschaftlichen Verhältnisse der juristischen Person in der von § 117 Abs. 2 ZPO gebotenen Form dargelegt werden.

3. Zum allgemeinen Interesse an der Rechtsverfolgung durch eine juristische Person.

 

Normenkette

FGO § 142

 

Tatbestand

Die Klägerin, Revisionsklägerin und Antragstellerin (Antragstellerin) ist eine in Liquidation befindliche GmbH, die von Herrn X, dem jetzigen Liquidator der Antragstellerin und dessen Tochter gegründet wurde. Gegenstand der Antragstellerin war die Erbringung von Leistungen im In- und Ausland.

Die Antragstellerin hatte Beziehungen zu dem in Amman/Jordanien lebenden Z, an den sie nach eigenen Angaben wegen Pflege geschäftlicher Beziehungen für die Streitjahre 1979 bis 1986 ... US-Dollar überwies. Zu Geschäftsabschlüssen kam es aufgrund dieser Verbindung aber nicht. Nachdem Z 1983 vor dem Generalstaatsanwalt von Amman ausgesagt hatte, von der Antragstellerin insgesamt nur 8000 DM erhalten zu haben und im Rahmen einer Betriebsprüfung bei der Antragstellerin die Belege für Zahlungen an Z nicht als ausreichend angesehen wurden, ließ der Beklagte, Revisionsbeklagte und Antragsgegner (das Finanzamt - FA -) die Zahlungen an Z nicht zum Abzug zu. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Die Klage der Antragstellerin, die sich u.a. gegen die Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer 1979 bis 1986 sowie die Feststellung gemäß § 47 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zum 31. Dezember 1979 bis 31. Dezember 1986 richtete, wies das Finanzgericht (FG) nach den Regeln der Feststellungslast ab, weil die Antragstellerin den einzig möglichen Zeugen, Z, nicht als Zeugen gestellt habe. Die Antragstellerin habe lediglich ein Schreiben des Zeugen eingereicht, wonach dieser sich aus Alters- und Gesundheitsgründen zu einer Aussage nicht mehr in der Lage sah.

Der Liquidator der Antragstellerin legte gegen das Urteil fristgerecht Revision ein und beantragte Prozeßkostenhilfe (PKH) mit dem Hinweis, daß der Antragstellerin jegliche finanziellen Mittel fehlten.

 

Entscheidungsgründe

Dem Antrag auf PKH kann nicht entsprochen werden.

Gemäß § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 Satz 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) kann eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten einer Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH erhalten, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für eine inländische juristische Person setzt § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO weiter voraus, daß die Kosten des Verfahrens weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interssen zuwiderlaufen würde. Gemäß § 117 Abs. 2 ZPO hat der Antragsteller dem PKH-Antrag eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.

1. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Die von dem Liquidator der Antragstellerin gegen das Urteil des FG eingelegte Revision ist schon deswegen unzulässig, weil sie nicht von einer postulationsfähigen Person i.S. des Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG), d.h. von einem Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer, eingelegt wurde. Ein nach Gewährung der PKH von einer postulationsfähigen Person eingelegtes Rechtsmittel könnte nur dann Erfolg haben, wenn wegen der Versäumnis der Rechtsmittelfrist, die einen Monat beträgt und ab Zustellung des Urteils läuft (vgl. § 115 Abs. 3 Satz 1, § 120 Abs. 1 FGO), Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO zu gewähren wäre. Dies setzt allerdings nach ständiger Rechtsprechung voraus, daß im PKH-Verfahren alle für die Bewilligung der PKH notwendigen Unterlagen vorgelegt worden sind (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. November 1986 IV S 7/86, IV B 49/86, BFHE 148, 13, BStBl II 1987, 62; vom 1. Oktober 1990 X S 17/90, BFH/NV 1991, 474; vom 25. März 1986 III R 134/80, BFH/NV 1986, 631 m.w.N.; vom 1. September 1982 I S 4/82, BFHE 136, 354, BStBl II 1982, 737; vom 14. April 1992 VII S 14/92, BFH/NV 1992, 624). Dazu gehört die Erklärung über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin gemäß § 117 Abs. 2 ZPO. Eine solche Erklärung hat die Antragstellerin nicht vorgelegt. Ihre unsubstantiierte Behauptung, über keine finanziellen Mittel zu verfügen, genügt diesen Anforderungen nicht (vgl. z.B. auch BFH-Beschluß vom 31. Juli 1992 VI B 266/89, BFH/NV 1993, 264). Der Anwendungsbereich des § 117 Abs. 2 ZPO beschränkt sich auch weder seinem Wortlaut noch seinem Zweck nach auf natürliche Personen. Dies gilt jedenfalls insoweit, als die Darlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse vom Gesetz verlangt wird. Nur die Erklärung über die persönlichen Verhältnisse wird bei der juristischen Person durch die Anforderungen des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO ersetzt (vgl. BFH-Beschluß vom 1. Juni 1989 IV B 32/89, BFH/ NV 1990, 116).

Unerheblich ist, ob sich aus den Steuerakten eine Vermögenslosigkeit der Antragstellerin ergibt. Sinn und Zweck der Erklärung des § 117 Abs. 2 ZPO ist es, durch eine aufgegliederte und substantiierte Aufstellung den Gerichten eine Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers zu ermöglichen. Dies gilt für die natürliche wie juristische Person gleichermaßen. Auf die Abgabe dieser Erklärung kann jedenfalls dann nicht verzichtet werden, wenn die für die wirtschaftliche Situation maßgeblichen Angaben nicht anderweitig und in einer vergleichbar übersichtlichen Weise dem Prozeßgericht zur Verfügung stehen (vgl. BFH-Beschluß vom 25. März 1986 III S 2/86, BFH/NV 1986, 553; BFH-Beschluß vom 27. Juni 1985 I S 7/85, BFH/NV 1986, 484). Für die juristische Person wird ferner vorausgesetzt, daß die am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten, d.h. insbesondere die Gesellschafter, die Kosten nicht aufbringen können (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 142 Rdnr. 9 m.w.N.).

2. Die Antragstellerin hat auch nicht dargelegt, daß die Unterlassung der Rechtsverfolgung im Streitfall allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde. Ein allgemeines Interesse i.S. des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO kann nur angenommen werden, wenn außer den an der Führung des Prozesses wirtschaftlich Beteiligten ein erheblicher Kreis von Personen durch die Unterlassung der Rechtsverfolgung in Mitleidenschaft gezogen werden kann (vgl. BFH-Beschlüsse vom 26. Mai 1982 I B 98-99/81, BFHE 136, 62, BStBl II 1982, 600 m.w.N.; vom 17. Januar 1985 VII S 24/84, BFH/NV 1986, 425; vom 12. November 1987 IV B 20/87, BFH/NV 1989, 657; vom 12. November 1987 V B 58/87, BFHE 151, 338, BStBl II 1988, 198; Beschluß des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 5. November 1985 X ZR 23/85, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1986, 2058, m.w.N.). Dies ist insbesondere zu bejahen, wenn ohne die Durchführung des Rechtsstreits eine Vielzahl von Arbeitsplätzen bedroht wäre oder eine Vielzahl von (Klein-)Gläubigern betroffen wäre (vgl. BFH in BFHE 136, 62, BStBl II 1982, 600; BFH-Beschlüsse vom 24. September 1985 IV B 65/85, BFH/NV 1987, 530; vom 2. Oktober 1989 I B 55/89, BFH/NV 1990, 522; vom 1. Juni 1989 IV B 32/89, BFH/NV 1990, 116; BGH in NJW 1986, 2058; BGH-Beschluß vom 24. Oktober 1990 VIII ZR 87/90, NJW 1991, 703). Hierfür bestehen im Streitfall keine Anhaltspunkte, zumal bereits die Liquidation im Regelfall zum Wegfall von Arbeitsplätzen führt (vgl. auch BFH in BFH/NV 1990, 116).

Der erfolglose Antrag auf PKH ist kostenfrei (vgl. § 118 Abs. 1 Sätze 4 und 5 ZPO; § 1 Abs. 1 Buchst. c des Gerichtskostengesetzes).

 

Fundstellen

Haufe-Index 419177

BFH/NV 1994, 55

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