Leitsatz (amtlich)

Lehnt es das FA ab, für eine KG, deren Kommanditistin Treuhänderin für zahlreiche Treugeber ist, ein einheitliches und gesondertes Feststellungsverfahren durchzuführen, weil die KG steuerrechtlich nicht als Mitunternehmerschaft zu behandeln sei, so sind in diesem Verfahren die Treugeber auch dann nicht rechtsbehelfsbefugt, wenn das Treuhandverhältnis inzwischen beendet ist. Dies gilt unabhängig davon, ob ein offenes oder verdecktes Treuhandverhältnis vorliegt (Weiterentwicklung der Rechtsprechung des BFH in dem Urteil vom 24. Mai 1977 IV R 47/76, BFHE 122, 400, BStBl II 1977, 737).

 

Normenkette

FGO § 48 Abs. 1; StAnpG § 11 Nrn. 2-3; AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2a, § 179 Abs. 2 S. 3

 

Tatbestand

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) hatte sich am 26. November 1969 zu einer Geldeinlage in Höhe von 100 000 DM bei der O-KG, einer Reederei GmbH & Co. KG (KG), - zu leisten auf ein Konto der R-Treuhandgesellschaft mbH (R-GmbH) - verpflichtet. Die R-GmbH war ihrerseits der KG durch Gesellschaftsvertrag vom 11. Dezember 1969 als - einzige - Kommanditistin mit einer Kommanditeinlage von 4 500 000 DM beigetreten. Mit ihren über 100 Geldgebern hatte sie (die R-GmbH) Treuhandverträge abgeschlossen. Darin hatte sie bekundet, sich im Auftrag des jeweiligen Treugebers an der KG beteiligt zu haben. Durch einen Konsortialvertrag mit der persönlich haftenden Gesellschafterin der KG sollte sichergestellt werden, daß jeder Treugeber "in Höhe seiner Kommanditeinlage als selbständig beteiligter Kommanditist gelte, dem im Innenverhältnis alle gesellschaftlichen Rechte und Pflichten aus seiner Kommanditeinlage zustünden" (§ 2 des Treuhandvertrags). Zum Abschluß des Konsortialvertrags ist es nicht gekommen. Nach § 3 Nr. 1 des Treuhandvertrags sollte die Treuhänderin, die R-GmbH, nach außen im eigenen Namen auftreten. Der Gesellschaftsvertrag vom 11. Dezember 1969 enthält keinen Hinweis auf ihre Treuhandstellung. Am 2. Juli 1975 beschloß die Gesellschafterversammlung (der KG), das einzige Schiff der KG zu verkaufen und die Gesellschaft aufzulösen. Die Auflösung ist noch nicht ins Handelsregister eingetragen worden.

Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) sah die KG nicht als Mitunternehmergemeinschaft an. Er hob im Feststellungsverfahren für die KG mit Bescheid vom 10. Januar 1978 die bisher ergangenen Feststellungsbescheide für die Jahre 1969 bis 1973 sowie die Einheitswertbescheide auf den 1. Januar 1970, 1971, 1972 und 1973 auf und lehnte die Anträge auf Durchführung von einheitlichen und gesonderten Feststellungen für die Streitjahre 1969 bis 1975 sowie auf die streitigen Stichtage 1. Januar 1970 bis 1. Januar 1976 ab. Der Bescheid wurde der KG und der R-GmbH jeweils mit Rechtsbehelfsbelehrung, den einzelnen Treugebern ohne eine solche bekanntgegeben.

Dagegen wurde Einspruch eingelegt und vom Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung beantragt.

Das FA hat bisher noch nicht entschieden.

Das Finanzgericht (FG), dessen Entscheidung in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1979 S. 7 (EFG 1979, 7) veröffentlicht ist, hat den Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Es hat die Antragsberechtigung des Antragstellers verneint.

Die Beschwerde hat das FG zugelassen.

Der Antragsteller wendet sich mit seiner Beschwerde insbesondere dagegen, daß das FG von einem Weiterbestehen des Treuhandverhältnisses ausgegangen sei. Er und die R-GmbH seien übereinstimmend der Auffassung, daß der Treuhandvertrag mit der Veräußerung des (einzigen) Schiffes durch die KG gegenstandslos geworden sei. Mit der Beendigung des Treuhandverhältnisses sei der Antragsteller aus der KG ausgeschieden. Das wiederum habe zur Folge, daß er entsprechend der Rechtsprechung zur Klagebefugnis des ausgeschiedenen Gesellschafters auch antragsberechtigt für das Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung geworden sei.

Der Antragsteller beantragt, den Beschluß des FG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA ist den Ausführungen des Antragstellers entgegengetreten. Es beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, ist nicht begründet.

Das FG hat im Ergebnis den Antrag zu Recht als unzulässig zurückgewiesen.

Der Antragsteller ist nicht antragsbefugt. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), der für das Verfahren nach § 69 FGO entsprechend anwendbar ist (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. Oktober 1968 IV B 40/68, BFHE 93, 543, BStBl II 1969, 40), sind nicht erfüllt. Geht es - wie hier - um die Anerkennung der KG als Mitunternehmerschaft (§ 15 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -), so sind nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 bzw. 2 FGO zwar auch die einzelnen Gesellschafter der KG klagebefugt. Der Antragsteller ist jedoch nicht Gesellschafter der KG.

1. Durch den Gesellschaftsvertrag vom 11. Dezember 1969 ist nur die R-GmbH der KG als Kommanditistin beigetreten. Der Antragsteller ist (als Treugeber) weder zivilrechtlich noch steuerrechtlich an der KG beteiligt. Daran ändert auch nichts, daß vorgesehen war, durch Abschluß eines sogenannten Konsortialvertrags mit der persönlich haftenden Gesellschafterin der KG jedem Treugeber im Innenverhältnis die Stellung eines selbständig beteiligten Kommanditisten zu verschaffen. Auch bei Abschluß dieses Vertrags wäre der Antragsteller in "keiner Beziehung" Gesellschafter der KG geworden. Selbst bei einem offenen Treuhandverhältnis schließt der Treuhänder den Gesellschaftsvertrag im eigenen Namen ab; er allein wird Gesellschafter und Träger aller Rechte und Pflichten aus dem Gesellschaftsverhältnis (BFH-Urteil vom 24. Mai 1977 IV R 47/76, BFHE 122, 400, BStBl II 1977, 737, mit weiteren Nachweisen). Ist - wie im Streitfall - die Mitgliedschaft in einer Personengesellschaft Gegenstand eines Treuhandverhältnisses, so ist dieses Treuhandverhältnis einer sogenannten atypischen stillen Unterbeteiligung nach dem BFH-Urteil IV R 47/76 in bestimmter Hinsicht ähnlich. Wie in diesem Urteil dargelegt, ist es sachlich gerechtfertigt, ein derartiges Treuhandverhältnis - mindestens dann, wenn es sich um ein offenes Treuhandverhältnis handelt - verfahrensrechtlich sinngemäß nach den Rechtsgrundsätzen zu behandeln, die für die verfahrensrechtliche Behandlung von offenen atypischen stillen Unterbeteiligungsverhältnissen anzuwenden wären. Der erkennende Senat folgt dieser Rechtsauffassung. Er ist darüber hinaus der Auffassung, daß bei sogenannten verdeckten Treuhandverhältnissen ebenso zu verfahren ist.

2. Diesem Ergebnis steht auch der Wortlaut des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO 1977), der im Streitfall gemäß Art. 97 § 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) anwendbar ist, nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift ist eine gesonderte Feststellung insbesondere dann durchzuführen, wenn "an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind". Das (gegenüber § 215 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung - AO - zusätzlich aufgenommene) Erfordernis der steuerlichen Zurechnung soll zwar jene Fälle von einer einheitlichen und gesonderten Feststellung ausschließen, in denen lediglich eine zivilrechtliche (bürgerlich- oder handelsrechtliche) Beteiligung besteht, die nicht auch zu einer (unmittelbaren) steuerrechtlichen Zurechnung führt. In der Begründung zu § 161 des Entwurfs einer Abgabenordnung - AO 1974 - (Bundestags-Drucksache VI/1982 S. 156), der dem § 180 AO 1977 entspricht, ist in diesem Zusammenhang auf die Beteiligung an einer GmbH verwiesen worden (vgl. auch Schwarz, Kommentar zur Abgabenordnung, § 180 Rdnr. 3). Die besondere Feststellung von Unterbeteiligungen und ähnlichen Rechtsgebilden - nach einer vorrangigen Feststellung für die Hauptgesellschaft - ist durch § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 jedoch nicht ausgeschlossen worden. Der Gesetzgeber hat diese Möglichkeit vielmehr in § 179 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 - entsprechend dem Beschluß des Großen Senats des BFH vom 5. November 1973 GrS 3/72 (BFHE 112, 1, BStBl II 1974, 414) - ausdrücklich zugelassen (siehe auch Kühn-Kutter-Hofmann, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 179 AO Anm. 5). Der Wortlaut dieser Vorschrift erfaßt nicht nur die (gesellschaftsrechtlichen) sogenannten atypischen stillen Unterbeteiligungen, sondern auch die (schuldrechtlichen) Beteiligungen kraft eines Treuhandverhältnisses. Denn auch der Treugeber ist steuerrechtlich am "Gegenstand der Feststellung nur über eine andere Person", dem Treuhänder, beteiligt (so auch Schwarz, a. a. O., § 179 Rdnr. 3 a).

3. Im Streitfall hat das FA dem Antragsteller sowie den übrigen Treugebern lediglich Abschriften des angefochtenen Bescheids vom 10. Januar 1978 ohne Rechtsbehelfsbelehrung zugesandt; vollständige Ausfertigungen der Bescheide mit Rechtsbehelfsbelehrungen sind nur der KG und der R-GmbH bekanntgegeben worden. Das zeigt, daß das FA - entsprechend der Vorschrift des § 179 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 - von zwei besonderen Feststellungsverfahren ausgegangen ist. Es hat zunächst nur im Verfahren für die KG entschieden.

Entsprechend den obigen Ausführungen sind in diesem Feststellungsverfahren für die KG nur die Treuhänder klagebefugt, nicht aber die Treugeber (so im Ergebnis auch das BFH-Urteil IV R 47/76 sowie der BFH-Beschluß vom 10. November 1977 IV B 33-34/76, BFHE 123, 412, BStBl II 1978, 15). Ihre Rechtsbehelfsbefugnis ist beschränkt auf das sich eventuell anschließende zweite Verfahren, das die Zurechnung des auf den Treuhänder-Kommanditisten entfallenden Teils des Betriebsergebnisses der KG betrifft.

4. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob das Treuhandverhältnis zwischen dem Antragsteller und der R-GmbH noch fortbesteht.

a) Eine eventuelle Beendigung des Treuhandvertrags - sei es durch Erreichung des angestrebten Zweckes oder durch einvernehmliche Aufhebung durch die Parteien (vgl. hierzu Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 38. Aufl., § 675 Anm. 3 a i. V. m. § 671 Anm. 4) - führte im Streitfall nicht dazu, daß der Antragsteller etwa anstelle der Treuhänderin Gesellschafter der KG geworden und die Rechtsstellung der R-GmbH auf ihn übergegangen wäre. Eine derartige Rechtsfolge ist im Gesellschaftsvertrag vom 11. Dezember 1969 nicht vorgesehen. Der Senat läßt offen, ob die R-GmbH infolge Nachwirkung des Treuhandvertrags gehalten wäre, die Interessen der Treugeber noch weiterhin wahrzunehmen bis zur rechts- bzw. bestandskräftigen Durchführung der Gewinnfeststellungsverfahren für die KG einerseits und die Treugeber andererseits. Dies hat indes mit der Klagebefugnis der Treugeber im Gewinnfeststellungsverfahren der KG nichts zu tun (siehe auch Martens, Anmerkungen zur Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK-A -, Finanzgerichtsordnung, § 114, Rechtsspruch 25 Nr. 2).

b) Auch die in der Rechtsprechung vertretene Auffassung, daß mit dem Ausscheiden eines Gesellschafters neben die fortbestehende Klagebefugnis der Gesellschaft und ihres geschäftsführenden Gesellschafters eine weitere Klagebefugnis des ausgeschiedenen Gesellschafters tritt (vgl. die Nachweise bei Gräber, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 48 Anm. 10), kommt im Streitfall unter keinem Gesichtspunkt zum Zuge. Sie könnte nach den vorstehenden Ausführungen nur in einem Rechtsstreit bedeutsam werden, der sich unmittelbar aus dem Treuhandverhältnis ergibt, beispielsweise die steuerrechtliche Anerkennung des Treuhandverhältnisses selbst betrifft.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72918

BStBl II 1979, 607

BFHE 1979, 8

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