Leitsatz (amtlich)

Geht ein Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist im Sinn des § 120 Abs. 1 Satz 2 FGO erst nach Ablauf dieser Frist beim BFH ein, so kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 Abs. 1 FGO nur gewährt werden, wenn innerhalb der für diesen Antrag zu beachtenden Zweiwochenfrist auch die versäumte Revisionsbegründung beim BFH eingeht. Die nachzuholende versäumte Rechtshandlung im Sinn des § 56 Abs. 2 Satz 3 FGO ist nicht der versäumte rechtzeitige Fristverlängerungsantrag, sondern die Revisionsbegründung selbst.

 

Normenkette

FGO § 120 Abs. 1, § 56

 

Tatbestand

Gegen das Urteil des FG hat der Steuerpflichtige fristgemäß Revision eingelegt. Die Frist zur Begründung der Revision wurde mehrmals verlängert, letztmals bis zum 10. Februar 1969. Bis zum Ablauf dieser Frist wurde die Revision jedoch wiederum nicht begründet. Statt dessen beantragte der Prozeßbevollmächtigte des Steuerpflichtigen mit Schreiben vom 10. Februar 1969, das erst am 11. Februar 1969 beim BFH einging, erneut Fristverlängerung. Außerdem bat er im Hinblick auf die Fristversäumnis unter Vorlage eines ärztlichen Attestes um Wiedereinsetzung gemäß § 56 FGO, weil er wegen einer hochfiebrigen Erkrankung vom 7. bis 10. Februar 1969 arbeitsunfähig gewesen sei.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision mußte als unzulässig verworfen werden.

Nach § 56 Abs. 1 FGO kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur gewährt werden, wenn sie innerhalb von zwei Wochen beantragt und wenn innerhalb dieser Frist die versäumte Rechtshandlung nachgeholt worden ist. Das ist hier nicht geschehen.

Nach § 120 Abs. 1 Satz 2 FGO hätte die Frist zur Begründung der Revision zwar über den 10. Februar 1969 hinaus verlängert werden können, wenn die Verlängerung vor Ablauf dieses Tages beantragt worden wäre. Ohne Verlängerung der Frist hätte die Revision spätestens bis zum 10. Februar 1969 begründet werden müssen. Diese Revisionsbegründung ist die versäumte Rechtshandlung, nicht etwa der nicht rechtzeitig eingereichte Antrag auf erneute Verlängerung der Frist. Mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung hätte also die Revisionsbegründung verbunden werden müssen. Die Nachholung des Fristverlängerungsantrags reichte nicht aus.

Daß nicht der Fristverlängerungsantrag, sondern die Revisionsbegründung die nachzuholende (versäumte) Rechtshandlung ist, ergibt sich schon aus der Erwägung, daß in Fällen der vorliegenden Art der Bevollmächtigte damit rechnen muß, daß der Vorsitzende des Senats auch einem rechtzeitig gestellten Antrag nicht mehr entsprechen werde. Bei Versagung der Fristverlängerung hätte der Bevollmächtigte dann aber die Frist zur Begründung der Revision versäumt, wenn er die Begründung nicht noch vorher eingereicht hätte. Es kann dahingestellt bleiben, ob er in einem solchen Fall Wiedereinsetzung nach § 56 FGO mit der Begründung beantragen könnte, daß er mit einer Ablehnung seines Antrages nicht zu rechnen brauchte. Jedenfalls wäre auch mit diesem Antrag die Revisionsbegründung zu verbinden.

Im Streitfall kann das Fehlen der Revisionsbegründung auch nicht damit entschuldigt werden, daß das angeforderte Gutachten des Deutschen wissenschaftlichen Steuerinstituts der Steuerbevollmächtigten e. V. noch nicht vorgelegen habe. Wenngleich die Anforderung dieses Gutachtens mit ein Grund für die Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist gewesen ist, so steht dessen Fehlen doch der Nachholung der Revisionsbegründung nicht entgegen; denn auf das Gutachten kommt es für die Revisionsbegründung nicht entscheidend an. Bei Einlegung der Revision müssen sich der Steuerpflichtige und sein Prozeßbevollmächtigter bereits über die Gründe klar gewesen sein, aus denen sie das Urteil des FG angefochten haben. Diese hätten sie nunmehr dem BFH darlegen können und müssen, auch wenn sie zur Stützung ihrer Argumente das Gutachten für erforderlich hielten. Auf jeden Fall hätte eine knappe Revisionsbegründung, die weitere Ergänzungen angekündigt hätte, innerhalb der Zweiwochenfrist nachgeholt werden können und müssen. Im übrigen war der Prozeßbevollmächtigte des Steuerpflichtigen im Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 14. Februar 1969 darauf hingewiesen worden, daß auch die versäumte Revisionsbegründung innerhalb der Frist des § 56 Abs. 2 FGO einzureichen ist.

Daß bei Versäumung der Revisionsbegründungsfrist nicht lediglich ein neuer Fristverlängerungsantrag genügt, hat bereits der IV. Senat des BFH in seinem Beschluß IV R 167/66 vom 2. Dezember 1966 (BFH 87, 101, BStBl III 1967, 48) ausgesprochen. Auch der erkennende Senat hat in seinem Beschluß VI R 201/66 vom 20. September 1966 (BFH 86, 813, BStBl III 1967, 4) hierauf hingewiesen. An dieser Auffassung hat der Senat auch im Beschluß VI R 62/67 vom 12. Mai 1967 (BFH 88, 489, BStBl III 1967, 471) festgehalten und ausgesprochen, daß ein Steuerpflichtiger, der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist beantragt, innerhalb von zwei Wochen die Begründung des Rechtsmittels vorzulegen hat. Diese Rechtsauffassung steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung zu der dem § 56 FGO entsprechenden Vorschrift des § 236 ZPO, die als nachzuholende Rechtshandlung bei einer Fristversäumnis ausschließlich die Rechtsmittelbegründung fordert (so schon der Beschluß des Reichsgerichts IV B 29/36 vom 28. Mai 1936, Juristische Wochenschrift 1936 S. 2802). Aus dem Beschluß des Bundesgerichtshofs I b ZR 151/63 vom 4. Dezember 1964 (Neue Juristische Wochenschrift 1965 S. 585) kann nichts Gegenteiliges hergeleitet werden. Daß die nachzuholende Rechtshandlung allein die Rechtsmittelbegründung ist, wird auch im Schrifttum vertreten (vgl. dazu Wieczorek, Zivilprozeßordnung und Nebengesetze, Anm. A II a zu § 236; Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, Anm. 1 E zu § 236; Gräber, Deutsche Steuerzeitung A 1967 S. 309/313). Für die vor dem Inkrafttreten der FGO geltenden Prozeßvorschriften der AO, nämlich die §§ 289 Abs. 2, 86, 87 AO a. F., hat der IV. Senat des BFH in seiner Entscheidung IV 273/64 vom 5. März 1965 (HFR 1965, 284) die gleiche Auffassung vertreten.

Es entspricht zwar der ständigen Rechtsprechung, daß der Revisionskläger nicht gehindert ist, gesetzliche oder richterliche Fristen bis zu ihrem Schluß auszunutzen und insbesondere die Revision und die Revisionsbegründung noch am letzten Tage der Frist einzulegen. Ihn trifft in solchen Fällen lediglich eine erhöhte Sorgfaltspflicht, alles Erforderliche zu tun, um den rechtzeitigen Eingang der Revisionsschrift oder der Begründungsschrift sicherzustellen. Aus dieser Rechtslage kann der Revisionskläger aber nicht herleiten, daß er sich darauf verlassen könne, daß einem am letzten Tag der Frist eingehenden Antrag auf Fristverlängerung oder weitere Fristverlängerung entsprochen werde (vgl. dazu den Beschluß des BFH I R 120/66 vom 20. Dezember 1966, BFH 87, 378, BStBl III 1967, 145). Wird in einem solchen Fall der Fristverlängerungsantrag abgelehnt, so ist die Revision, weil sie nicht begründet worden ist, unzulässig. Anträge auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist müssen deshalb so gestellt werden, daß sich der Steuerpflichtige oder sein Prozeßbevollmächtigter noch rechtzeitig informieren kann, ob seinem Antrag entsprochen worden ist, und im Fall der Ablehnung noch Zeit genug hat, um die Revisionsbegründung rechtzeitig vorzulegen (vgl. auch den Beschluß II R 8/68 vom 20. Juni 1968, BFH 93, 30, BStBl II 1968, 659).

 

Fundstellen

Haufe-Index 68260

BStBl II 1969, 298

BFHE 1969, 29

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