Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage an EuGH: Jagdverpachtung durch einen Pauschallandwirt

 

Leitsatz (amtlich)

Dem EuGH werden folgende Fragen zur Auslegung der Richtlinie 77/388/EWG vorgelegt:

1. Dürfen oder müssen die Mitgliedstaaten, die die in Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehene gemeinsame Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger in ihr innerstaatliches Recht übernommen haben, die Pauschallandwirte im Ergebnis von der Zahlung von Umsatzsteuer freistellen?

2. Falls Frage 1 bejaht wird: Gilt dies nur für die Lieferungen landwirtschaftlicher Erzeugnisse und für landwirtschaftliche Dienstleistungen oder auch für sonstige Umsätze des Pauschallandwirts oder unterliegen die sonstigen Umsätze der allgemeinen Regelung der Richtlinie 77/388/EWG?

Was folgt daraus für die Verpachtung einer Jagd durch einen Pauschallandwirt?

 

Normenkette

UStG 1993 § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 3, § 24; EWGRL 388/77 Art. 2, 4, 25

 

Verfahrensgang

FG Münster (Entscheidung vom 11.02.2003; Aktenzeichen 5 K 3018/01 U; EFG 2003, 1127)

 

Nachgehend

EuGH (Urteil vom 26.05.2005; Aktenzeichen C-43/04)

 

Tatbestand

I. Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Stadtgemeinde mit eigenen Forstflächen. In den Streitjahren 1994 bis 1999 hatte sie u.a. Einnahmen aus Holzverkäufen und Forstbenutzung sowie aus der Verpachtung von Eigenjagdbezirken. Die Einnahmen aus der Jagdverpachtung beliefen sich 1994 auf 32 601,59 DM, 1995 bis 1997 jeweils auf 33 461,05 DM, 1998 auf 34 571,72 DM und 1999 auf 34 810 DM.

Die Klägerin behandelte die Jagdverpachtungen zunächst als Umsätze im Sinne der Pauschalregelung des § 24 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG); d.h. sie erklärte insoweit keine Umsatzsteuer.

Bei der Umsatzsteuerfestsetzung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) im Anschluss an eine Außenprüfung die Auffassung, dass diese Jagdverpachtungen nach den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11. Februar 1999 V R 27/97 (BFHE 187, 359, BStBl II 1999, 378) nicht zu den land- und forstwirtschaftlichen Umsätzen i.S. des § 24 UStG zu rechnen seien, sondern nach den allgemeinen Vorschriften mit dem Regelsteuersatz zu versteuern seien.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gegen die Umsatzsteuerbescheide für 1994 bis 1999 statt. Es sah in der Jagdverpachtung keine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit der Klägerin gemäß § 2 Abs. 3 UStG; die Jagdverpachtung erfolge weder im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes noch im Rahmen eines Betriebes gewerblicher Art; sie übersteige nicht den Betrieb einer bloßen Vermögensverwaltung.

Hiergegen wendet sich das FA mit der vorliegenden Revision. Es meint, der Begriff des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes i.S. des § 2 Abs. 3 UStG richte sich nach einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen. Die Jagdverpachtung sei deshalb gemäß § 2 Abs. 3 UStG im Rahmen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes der Klägerin erfolgt; gleichwohl liege aber kein landwirtschaftlicher Umsatz i.S. des § 24 UStG vor, so dass die Jagdverpachtung der Regelbesteuerung unterliege.

 

Entscheidungsgründe

II. Der Senat setzt das Verfahren aus (§ 74 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) und legt dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) die im Tenor genannten Fragen zur Vorabentscheidung vor.

III. Die maßgeblichen Rechtsvorschriften

1. Nach Auffassung des Senats sind für die Lösung des Streitfalles die folgenden Vorschriften der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) ―in der in den Streitjahren geltenden Fassung― maßgebend.

Artikel 2

Der Mehrwertsteuer unterliegen:

1. Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt;

Artikel 4

(1) Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.

(2) Die in Absatz 1 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten sind alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfasst.

(5) Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Leistungen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben.

Falls sie jedoch solche Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, gelten sie für diese Tätigkeiten oder Leistungen als Steuerpflichtige, sofern eine Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

Artikel 25

Gemeinsame Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger

(1) Die Mitgliedstaaten können auf landwirtschaftliche Erzeuger, bei denen die Anwendung der normalen Mehrwertsteuerregelung oder gegebenenfalls der vereinfachten Regelung nach Artikel 24 auf Schwierigkeiten stoßen würde, als Ausgleich für die Belastung durch die Mehrwertsteuer, die auf die von den Pauschallandwirten bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen gezahlt wird, eine Pauschalregelung nach diesem Artikel anwenden.

(2) Im Sinne dieses Artikels gelten als

- "landwirtschaftlicher Erzeuger" ein Steuerpflichtiger, der seine Tätigkeit im Rahmen eines nachstehend definierten Betriebes ausübt;

- "landwirtschaftlicher, forstwirtschaftlicher oder Fischereibetrieb" die Betriebe, die in dem einzelnen Mitgliedstaat im Rahmen der in Anhang A genannten Erzeugertätigkeiten als solche gelten;

- "Pauschallandwirt" ein landwirtschaftlicher Erzeuger, der unter die in Absatz 3 und den folgenden Absätzen vorgesehene Pauschalregelung fällt;

- "landwirtschaftliche Erzeugnisse" die Gegenstände, die aus den in Anhang A aufgeführten Tätigkeiten hervorgehen und die von den landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Fischereibetrieben des einzelnen Mitgliedstaats erzeugt werden;

- "landwirtschaftliche Dienstleistungen" die in Anhang B aufgeführten Dienstleistungen, die von einem landwirtschaftlichen Erzeuger mit Hilfe seiner Arbeitskräfte und/oder der normalen Ausrüstung seines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Fischereibetriebes vorgenommen werden;

- "Mehrwertsteuer-Vorbelastung" die Mehrwertsteuer-Gesamtbelastung, die auf den Gegenständen und Dienstleistungen ruht, welche von der Gesamtheit aller der Pauschalregelung unterliegenden landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen und Fischereibetriebe jedes Mitgliedstaats bezogen worden sind, soweit diese Steuer bei einem der normalen Mehrwertsteuerregelung unterliegenden landwirtschaftlichen Erzeuger nach Artikel 17 abzugsfähig sein würde;

- "Pauschalausgleich-Prozentsätze" die Prozentsätze, die die Mitgliedstaaten nach Absatz 3 festsetzen und in den in Absatz 5 genannten Fällen anwenden, damit die Pauschallandwirte den pauschalen Ausgleich der Mehrwertsteuer-Vorbelastung erlangen;

- "Pauschalausgleich" der Betrag, der sich aus der Anwendung des in Absatz 3 vorgesehenen Pauschalausgleich-Prozentsatzes auf den Umsatz des Pauschallandwirts in den in Absatz 5 genannten Fällen ergibt.

(3) Die Mitgliedstaaten legen bei Bedarf die Pauschalausgleich-Prozentsätze fest und teilen, bevor sie diese Sätze anwenden, der Kommission ihre Höhe mit. Diese Prozentsätze werden an Hand der allein für die Pauschallandwirte geltenden makroökonomischen Daten der letzten drei Jahre bestimmt. Sie dürfen nicht dazu führen, dass die Pauschallandwirte insgesamt Erstattungen erhalten, die über die Mehrwertsteuer-Vorbelastung hinausgehen. Die Mitgliedstaaten können diese Prozentsätze bis auf Null herabsetzen. Die Prozentsätze können auf einen halben Punkt ab- oder aufgerundet werden.

Die Mitgliedstaaten können die Höhe der Pauschalausgleich-Prozentsätze für die Forstwirtschaft, die einzelnen Teilbereiche der Landwirtschaft und die Fischerei unterschiedlich festlegen.

(4) Die Mitgliedstaaten können die Pauschallandwirte von den Pflichten befreien, die den Steuerpflichtigen nach Artikel 22 obliegen.

(5) Die in Absatz 3 vorgesehenen Pauschalausgleich-Prozentsätze werden auf folgenden Preis ―ohne Steuer― angewendet:

a) den Preis der landwirtschaftlichen Erzeugnisse, die die Pauschallandwirte an andere Steuerpflichtige als jene geliefert haben, für die im Inland die Pauschalregelung des vorliegenden Artikels gilt;

b) den Preis der landwirtschaftlichen Erzeugnisse, die die Pauschallandwirte unter den in Artikel 28 c Teil A vorgesehenen Bedingungen an nichtsteuerpflichtige juristische Personen geliefert haben, für die in dem Bestimmungs-Mitgliedstaat der versandten oder beförderten landwirtschaftlichen Erzeugnisse die in Artikel 28 a Absatz 1 Buchstabe a) Unterabsatz 2 vorgesehene Ausnahmeregelung nicht gilt;

c) den Preis der landwirtschaftlichen Dienstleistungen, die von Pauchallandwirten an andere Steuerpflichtige als jene erbracht werden, für die im Inland die Pauschalregelung des vorliegenden Artikels gilt.

Dieser Ausgleich schließt jeden weiteren Vorsteuerabzug aus.

(6) Für Lieferungen landwirtschaftlicher Erzeugnisse und Dienstleistungen gemäß Absatz 5 sehen die Mitgliedstaaten vor, dass die Zahlung des Pauschalausgleichs geschieht:

a) entweder durch den Abnehmer oder Leistungsempfänger. In diesem Fall darf der steuerpflichtige Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger unter den Bedingungen gemäß Artikel 17 und nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Einzelheiten von der Steuer, die er im Inland zu entrichten hat, den Betrag des Pauschalausgleichs, den er den Pauschallandwirten gezahlt hat, abziehen.

b) oder durch den Fiskus.

(8) Bei den in Absatz 5 nicht genannten Lieferungen landwirtschaftlicher Erzeugnisse und landwirtschaftlicher Dienstleistungen wird davon ausgegangen, dass die Zahlung des Pauschalausgleichs durch den Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger geschieht.

(9) Jeder Mitgliedstaat hat die Möglichkeit, bestimmte Gruppen landwirtschaftlicher Erzeuger sowie diejenigen landwirtschaftlichen Erzeuger von der Pauschalregelung auszunehmen, bei denen die Anwendung der normalen Mehrwertsteuerregelung oder gegebenenfalls der vereinfachten Regelung nach Artikel 24 Absatz 1 keine verwaltungstechnischen Schwierigkeiten mit sich bringt.

Anhang B

Liste der landwirtschaftlichen Dienstleistungen

Als landwirtschaftliche Dienstleistungen gelten Dienstleistungen, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen, insbesondere:

- Arbeiten des Anbaus, der Ernte, des Dreschens, des Pressens, des Lesens und Einsammelns, einschließlich des Säens und Pflanzens

- Vermietung normalerweise in land-, forst- und fischwirtschaftlichen Betrieben verwendeter Mittel zu landwirtschaftlichen Zwecken

- technische Hilfe

- Vernichtung schädlicher Pflanzen und Tiere, Behandlung von Pflanzen und Böden durch Besprühen

- Beschneiden und Fällen von Bäumen und andere forstwirtschaftliche Dienstleistungen

2. Die einschlägigen Vorschriften des deutschen Umsatzsteuergesetzes (UStG) lauten:

§ 1

Steuerbare Umsätze

(1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:

1. die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. …

§ 2

Unternehmer, Unternehmen

(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. …

(3) Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 des Körperschaftsteuergesetzes) und ihrer land- oder forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig.

§ 24 (in der vom 1. April 1999 bis 31. Dezember 2001geltenden Fassung)

Durchschnittsätze für land- und forstwirtschaftliche Betriebe

(1) Für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausgeführten Umsätze wird die Steuer vorbehaltlich der Sätze 2 bis 4 wie folgt festgesetzt:

1. für die Lieferungen von forstwirtschaftlichen Erzeugnissen, ausgenommen Sägewerkserzeugnisse, auf fünf vom Hundert,

2. für die Lieferungen der in der Anlage nicht aufgeführten Sägewerkserzeugnisse und Getränke sowie von alkoholischen Flüssigkeiten, ausgenommen die Lieferungen in das Ausland und die im Ausland bewirkten Umsätze, auf sechzehn vom Hundert,

3. für die übrigen Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 auf neun vom Hundert der Bemessungsgrundlage. … Die Vorsteuerbeträge werden, soweit sie den in Satz 1 Nr. 1 bezeichneten Umsätzen zuzurechnen sind, auf fünf vom Hundert, in den übrigen Fällen des Satzes 1 auf neun vom Hundert der Bemessungsgrundlage für diese Umsätze festgesetzt. Ein weiterer Vorsteuerabzug entfällt. § 14 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass der für den Umsatz maßgebliche Durchschnittsatz in der Rechnung zusätzlich anzugeben ist.

(2) Als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gelten

1. die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft, der Wein-, Garten-, Obst- und Gemüsebau, die Baumschulen, alle Betriebe, die Pflanzen und Pflanzenteile mit Hilfe der Naturkräfte gewinnen, die Binnenfischerei, die Teichwirtschaft, die Fischzucht für die Binnenfischerei und Teichwirtschaft, die Imkerei, die Wanderschäferei sowie die Saatzucht;

2. …

Zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehören auch die Nebenbetriebe, die dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu dienen bestimmt sind. …

(3) Führt der Unternehmer neben den in Absatz 1 bezeichneten Umsätzen auch andere Umsätze aus, so ist der land- und forstwirtschaftliche Betrieb als ein in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführter Betrieb zu behandeln.

Nach dieser Regelung gleichen sich Umsatzsteuer und Vorsteuer bei den in § 24 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 UStG genannten Umsätzen aus, so dass der nach § 24 UStG "besteuerte" Landwirt grundsätzlich keine Umsatzsteuer zu zahlen hat.

Zu ergänzen ist noch, dass der Jagdpächter, der die Jagd für sein Unternehmen pachtete, die Aufwendungen für die Jagd in den Streitjahren als Eigenverbrauch versteuern musste (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c UStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―). Dadurch wurde sein Vorsteuerabzug aus den Pachtrechnungen wieder ausgeglichen.

IV. Zur Vorlage an den EuGH

1. Der Senat geht davon aus, dass die Jagdverpachtung eine entgeltliche Dienstleistung i.S. des Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG ist und dass deren Besteuerung Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG nicht entgegensteht. Zu den Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt gehören nämlich nicht die Tätigkeiten, die die Einrichtungen öffentlichen Rechts unter den gleichen rechtlichen Bedingungen ausüben wie private Wirtschaftsteilnehmer (ständige Rechtsprechung des EuGH, vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 12. September 2000 Rs. C-359/97, Kommission/ Großbritannien, Slg. 2000, I-6355, Rdnr. 50). Dies trifft auf die Jagdverpachtung durch die Klägerin zu, da sie nach bürgerlichem Recht erfolgt.

Der Senat beabsichtigt deshalb, auch § 2 Abs. 3 UStG dahin auszulegen, dass er die Besteuerung der Jagdverpachtung nicht hindert.

2. Der Senat hat jedoch Zweifel, ob die Klägerin bei richtlinienkonformer Auslegung des § 24 UStG die Nichtbesteuerung der Jagdverpachtung erreichen kann.

a) Die Jagdverpachtung gibt dem Pächter das Recht, die Jagd auf den Grundstücken des Verpächters auszuüben. Da das Jagdrecht dem Grundstückseigentümer unabhängig von der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung seines Grundbesitzes zusteht, hatte der Senat mit Urteil in BFHE 187, 359, BStBl II 1999, 378 entschieden, dass die Durchschnittsätze des § 24 UStG auf die Jagdverpachtung keine Anwendung finden, die Jagdverpachtung also der Regelbesteuerung unterliegt.

Der Senat hat nunmehr Zweifel, ob diese Rechtsprechung mit der Regelung des Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG vereinbar ist, wenn die Grundstücke, mit denen das Jagdrecht verbunden ist, zu einem land- und bzw. oder forstwirtschaftlichen Betrieb gehören.

b) Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG enthält keine ausdrückliche Regelung, ob und wie die Umsätze des Pauschallandwirts besteuert werden. Ihm ist aber zu entnehmen,

- dass auf den Pauschallandwirt die normale Mehrwertsteuerregelung keine Anwendung findet,

- dass die Pauschalregelung dem Ausgleich für die Belastung durch die Mehrwertsteuer dient, die auf die von den Pauschallandwirten bezogenen Gegenständen und Dienstleistungen gezahlt wird (Art. 25 Abs. 1),

- dass die Mitgliedstaaten vorsehen können, dass der Pauschalausgleich in den in Art. 25 Abs. 5 genannten Fällen durch den Abnehmer oder Leistungsempfänger gezahlt wird und dass dieser dann den dem Pauschallandwirt gezahlten Betrag unter den Bedingungen des Art. 17 von der Steuer abziehen kann (Art. 25 Abs. 6 Buchst. a)

- und dass der Pauschalausgleich jeden weiteren Vorsteuerabzug ausschließt (Art. 25 Abs. 5 letzter Satz).

aa) Daraus dürfte sich ergeben, dass die Umsätze des Pauschallandwirts grundsätzlich nicht der normalen Mehrwertsteuerregelung unterliegen, der Abnehmer oder Leistungsempfänger vielmehr in den Fällen des Art. 25 Abs. 6 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG statt der normalen Mehrwertsteuer den Pauschalausgleich zu zahlen hat.

Dem dürfte grundsätzlich entsprechen, dass der Pauschallandwirt nach § 24 UStG (wegen des Ausgleichs von Steuer und Vorsteuer) regelmäßig keine Steuer zu entrichten hat, seinem Abnehmer oder Leistungsempfänger aber die in § 24 Abs. 1 Nr. 1 und 3 UStG genannte (entsprechend den Vorgaben des Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG) ermittelte Steuer in Rechnung stellen kann.

bb) Für den Fall, dass der Abnehmer oder Leistungsempfänger nicht zu den in Art. 25 Abs. 5 i.V.m. Abs. 6 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG genannten Steuerpflichtigen gehört, wird nach Art. 25 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG davon ausgegangen, dass die Zahlung des Pauschalausgleichs durch den Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger geschieht. Demnach dürften auch in diesem Fall die Umsätze nicht der normalen Mehrwertsteuerregelung unterliegen.

Die Inrechnungstellung der in § 24 Abs. 1 Nr. 1 und 3 UStG genannten (entsprechend den Vorgaben des Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG ermittelten) Steuer ist zwar in diesem Fall nutzlos, da der Käufer oder Dienstleistungsempfänger sie nicht als Vorsteuer abziehen kann (vgl. EuGH-Urteil vom 28. Juni 1988 Rs. 3/86, Kommission/Italien, Slg. 1988, 3369), dürfte insoweit aber unschädlich sein.

cc) Soweit der Pauschallandwirt außer den Lieferungen landwirtschaftlicher Erzeugnisse und außer den landwirtschaftlichen Dienstleistungen noch andere Umsätze im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebes ausführt (als solche kommen z.B. in Betracht: die Veräußerung gebrauchter Maschinen, die Verpachtung von Grundstücken mit Zubehör; die Beherbergung und Beköstigung von Feriengästen auf dem Bauernhof; die zeitweise Abgabe von Speisen und Getränken in sog. Buschwirtschaften oder bei "Hoffesten", die Dienstleistungen im Rahmen eines Reiterhofs), dürfen diese nach Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG nicht zu einem Pauschalausgleich führen.

Hieraus könnte gefolgert werden, dass sie ―entgegen der herkömmlichen Auslegung der Vorschrift des § 24 UStG― der normalen Mehrwertsteuerregelung unterliegen. So vertrat auch die Europäische Kommission in der Rechtssache C-321/02 (Harbs) die Auffassung, dass Dienstleistungen, die keine landwirtschaftlichen Dienstleistungen i.S. des Art. 25 Abs. 2 5. Spiegelstrich der Richtlinie 77/388/EWG sind, der allgemeinen Regelung der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie unterliegen.

Dagegen könnte eingewendet werden, dass Deutschland und andere Mitgliedstaaten bereits vor In-Kraft-Treten des Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG Sonderregelungen kannten, die Landwirte grundsätzlich von der Zahlung von Umsatzsteuer freistellten (vgl. Art. 15 Abs. 2 der Zweiten Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern 67/228/EWG), und dass Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG an diese Sonderregelungen anknüpft; außerdem führt das Nebeneinander von Pauschalregelung und normaler Mehrwertsteuerregelung zu Schwierigkeiten, die nach Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG (allerdings nur bei den landwirtschaftlichen Erzeugern, bei denen die Anwendung der normalen Mehrwertsteuerregelung oder gegebenenfalls der vereinfachten Regelung nach Art. 24 auf Schwierigkeiten stoßen würde) gerade vermieden werden sollen.

dd) Sollte der EuGH zu dem Ergebnis gelangen, dass alle Dienstleistungen des Pauschallandwirts, die keine landwirtschaftlichen Dienstleistungen i.S. des Art. 25 Abs. 2 5. Spiegelstrich der Richtlinie 77/388/EWG sind, den allgemeinen Regelungen dieser Richtlinie unterliegen, wäre zu prüfen, ob die Jagdverpachtung eine derartige landwirtschaftliche Dienstleistung ist.

Als landwirtschaftliche Dienstleistung gelten nach dem Einleitungssatz des Anhangs B zur Richtlinie 77/388/EWG Dienstleistungen, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen. Dies könnte man insofern bejahen, als die Jagd zur Minimierung von Wildschäden und damit auch zur landwirtschaftlichen Produktion beiträgt und die Jagdverpachtung insofern den in Anhang B zur Richtlinie 77/388/EWG ausdrücklich aufgeführten landwirtschaftlichen Dienstleistungen (insbesondere: Arbeiten des Anbaus, der Ernte, …, des Lesens und Einsammelns, einschließlich des Säens und Pflanzens, Vermietung normalerweise in land-, forst- und fischwirtschaftlichen Betrieben verwendeter Mittel zu landwirtschaftlichen Zwecken, technische Hilfe, Vernichtung schädlicher Pflanzen und Tiere, Behandlung von Pflanzen und Böden durch Besprühen, Beschneiden und Fällen von Bäumen und andere forstwirtschaftliche Dienstleistungen) ähnelt. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Jagdverpachtung in erster Linie der Erzielung von Pachteinnahmen beim Jagdverpächter und nur in zweiter Linie der Verhütung von Wild- und Flurschäden im land- und forstwirtschaftlichen Betrieb dient. Dies spricht dagegen, die Jagdverpachtung als landwirtschaftliche Dienstleistung anzusehen.

ee) Der Senat legt deshalb dem EuGH gemäß Art. 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

1. Dürfen oder müssen die Mitgliedstaaten, die die in Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehene gemeinsame Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger in ihr innerstaatliches Recht übernommen haben, die Pauschallandwirte im Ergebnis von der Zahlung von Umsatzsteuer freistellen?

2. Falls Frage 1 bejaht wird: Gilt dies nur für die Lieferungen landwirtschaftlicher Erzeugnisse und für landwirtschaftliche Dienstleistungen oder auch für sonstige Umsätze des Pauschallandwirts oder unterliegen die sonstigen Umsätze der allgemeinen Regelung der Richtlinie 77/388/EWG?

Was folgt daraus für die Verpachtung einer Jagd durch einen Pauschallandwirt?

 

Fundstellen

Haufe-Index 1100166

BFH/NV 2004, 449

BFHE 2004, 340

BFHE 204, 340

BB 2004, 426

DB 2004, 690

DStRE 2004, 346

UR 2004, 208

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