Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO n.F.; Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung; Erforderlichkeit

 

Leitsatz (NV)

  1. Die Revision ist grundsätzlich nur wegen geltend gemachter Zulassungsgründe zuzulassen. Insoweit hat sich durch die Neufassung des § 115 Abs. 2 FGO nichts geändert.
  2. Stellt das FG von der BFH-Rechtsprechung abweichende Rechtssätze auf, erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung i.S. des § 115 Abs. 2 FGO nur dann eine Entscheidung des BFH, wenn die Entscheidung des FG auf dieser Abweichung beruht.
  3. Wird im Rahmen einer Betriebsaufspaltung bei der Ermittlung der gewerblichen Einkünfte des Gesellschafters der Betriebsgesellschaft (=Besitzunternehmer) eine vGA angesetzt, die darin bestand, dass ihm die Betriebsgesellschaft ein zinsloses Darlehen gewährte, sind die ersparten Zinsaufwendungen nur dann als fiktive Aufwendungen abziehbar, wenn die Darlehensaufnahme durch den Betrieb der Besitzgesellschaft veranlasst war.
 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2, § 116 Abs. 3; KStG § 8 Abs. 3

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist als unbegründet zurückzuweisen. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhobenen Rügen, das Urteil des Finanzgerichts (FG) widerspreche den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. März 1975 I R 137/73 (BFHE 116, 12, BStBl II 1975, 722) und vom 25. September 1970 VI R 122/67 (BFHE 100, 301, BStBl II 1971, 53) und das FG habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes ―GG―) verletzt, können nicht zur Zulassung der Revision führen.

1. Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Die Zulassungsgründe sind darzulegen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Zuzulassen ist grundsätzlich nur wegen geltend gemachter Zulassungsgründe. Insoweit hat sich durch die Neufassung der Zulassungsnormen nichts geändert, denn der in § 116 Abs. 3 FGO vorgesehene Begründungszwang bezweckt ―wie nach altem Recht § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F.― die Entlastung des Revisionsgerichts. Dieses soll der Mühe enthoben werden, selbst die Akten auf mögliche Zulassungsgründe durchzusehen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 27. Juni 1985 I B 27/85, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625). Etwas anderes kann nach ständiger Rechtsprechung des BFH bei Offenkundigkeit eines Zulassungsgrundes gelten (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 29. Januar 1999 V B 130/98, BFH/NV 1999, 993; vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30).

2. Die Beschwerde stützt sich auf einen "Widerspruch" zwischen der Rechtsauffassung des FG und der o.g. BFH-Urteile. Damit beantragt der Kläger sinngemäß eine Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.

a) Der Kläger hat die Voraussetzungen für eine Zulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt.

Eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist u.a. erforderlich in den Fällen der sog. Divergenzrevision, wie sie nach altem Recht verstanden worden ist (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 14. August 2001 XI B 57/01, BFH/NV 2002, 51; Dürr in Schwarz, Finanzgerichtsordnung, § 115 Rdnr. 49). Danach war und ist die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen, wenn das FG in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Rechtsauffassung vertritt als der BFH. Es kann im Streitfall dahingestellt bleiben, ob nach der Neufassung des § 115 Abs. 2 FGO jede unrichtige Anwendung oder Auslegung eines vom BFH aufgestellten Rechtssatzes zur Revisionszulassung führt (zum Meinungsstand vgl. BFH-Beschluss in BFHE 196, 30). Da der Kläger rügt, das FG habe seinem Urteil einen Rechtssatz zugrunde gelegt, der mit einem Rechtssatz der BFH-Rechtsprechung nicht übereinstimme, hat der Kläger einen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO dargelegt. Er hat vorgetragen, das FG habe als steuerlich abziehbare Aufwendungen nur tatsächliche Vermögensabflüsse verstanden, während der BFH den Rechtssatz aufgestellt habe, dass bei Hinzurechnung einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA), die in einem Zinsvorteil des Gesellschafters bestehe, die ersparten Zinsaufwendungen in Anrechnung zu bringen sind (vgl. BFH-Urteile in BFHE 116, 12, BStBl II 1975, 722, und in BFHE 100, 301, BStBl II 1971, 53).

b) Der Senat kann im Streitfall dahingestellt lassen, ob das FG tatsächlich von der bezeichneten Rechtsprechung des BFH im dargelegten Sinn abgewichen ist (vgl. auch Beschluss des Großen Senats vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86, BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348, unter C. II. 2. d). Selbst wenn dies zu bejahen wäre, würde die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des BFH erfordern, da das Urteil des FG nicht auf der Divergenz beruhen würde.

§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO setzt seinem Wortlaut nach, anders als § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F., zwar nicht mehr ausdrücklich voraus, dass das Urteil des FG auf der gerügten Abweichung beruht. Die Notwendigkeit der Entscheidungserheblichkeit der gerügten Abweichung ergibt sich nunmehr jedoch daraus, dass die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO n.F. nur zuzulassen ist, wenn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH "erfordert". Nicht entscheidungserhebliche Erwägungen des FG erfordern keine Entscheidung des BFH (vgl. auch Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Tz. 81; Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 115 FGO Rz. 124). Auch kann nach § 118 Abs. 1 Satz 1 FGO die Revision, deren Zulassung der Kläger begehrt, nur darauf gestützt werden, dass das Urteil des FG auf der Verletzung von Bundesrecht beruht. Selbst wenn der BFH zu einer nicht entscheidungserheblichen Rechtsauffassung des FG Stellung nehmen würde, wäre seine Rechtsauffassung nur ein nicht bindendes obiter dictum (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 24. Juli 1997 VII B 140/97, BFH/NV 1998, 60; vom 10. Juni 1997 IV B 124/96, BFH/NV 1998, 14).

Das FG hat für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt, dass der Kläger eine betriebliche Veranlassung der ersparten Zinsaufwendungen nicht darzulegen und unter Beweis zu stellen vermochte. Ist damit davon auszugehen, dass der Kläger nicht betrieblich, sondern privat veranlasste Darlehenszinsen durch die zinslose Darlehensgewährung der GmbH erspart hat, scheidet ein (fiktiver) steuerlich anzuerkennender Zinsaufwand aus. Sind die Aufwendungen steuerlich nicht abziehbar, ist das ausgewiesene Ergebnis um die vGA zu erhöhen (BFH in BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348; in BFHE 116, 12, BStBl II 1975, 722).

3. Die Rüge des Klägers, das FG habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO i.V.m. Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 FGO) verletzt, kann ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen.

a) Unstreitig hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, die Entwicklung und endgültige Zusammensetzung seines Verrechnungskontos bei der GmbH sei nicht mehr nachvollziehbar. Diesen Vortrag hat das FG ausweislich seiner Entscheidung zur Kenntnis genommen und in seine Würdigung miteinbezogen. Es hat daraus geschlossen, dass der Kläger die betriebliche Veranlassung der ersparten Aufwendungen nicht nachweisen kann. Aus welchen Gründen dem Kläger der Nachweis der betrieblichen Veranlassung unmöglich war, war unter Berücksichtigung der ihn treffenden Feststellungslast nicht entscheidungserheblich (vgl. z.B. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 96 Rz. 23, m.w.N.).

b) Dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem FG am 12. Juni 2001 lässt sich nicht entnehmen, dass der Klägervertreter Ausführungen zu den Wechselbeziehungen zwischen Betriebs- und Besitzunternehmen, wie in der Beschwerdeschrift dargestellt, gemacht hat. Unabhängig davon kann es aber auch auf die rechtlichen Überlegungen des Klägers hierzu unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ankommen. Abziehbar sind, wie dargestellt, beim Besitzunternehmen nur die (ersparten) Zinsaufwendungen, die betrieblich veranlasst sind. Solange der betriebliche Anlass der (ersparten) Zinsaufwendungen nicht nachgewiesen wird, können diese nicht die als vGA dem Gewinn hinzugerechnete Zinsersparnis ausgleichen. Auch bei einem (gewerblichen) Besitzunternehmen mindern privat veranlasste Aufwendungen nicht den Gewinn (§ 12 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―). Privatschulden, d.h. Schulden die durch private Verwendung der gewährten Darlehen entstanden sind, gehören nicht zum (passiven) Betriebsvermögen der Besitzgesellschaft. Daran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, dass die vGA durch die zum notwendigen Betriebsvermögen der Besitzgesellschaft gehörende Beteiligung an der GmbH veranlasst und daher Betriebseinnahme ist (vgl. z.B. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 20. Aufl., § 15 Rdnr. 873, m.w.N.).

c) Das FG hat sich auch mit dem Hilfsantrag des Klägers auseinander gesetzt und ―zu Recht― die Auffassung vertreten, die vGA sei nach § 20 Abs. 3 EStG den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb und nicht aus Kapitalvermögen hinzuzurechnen.

Die Entscheidung ergeht nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO mit Kurzbegründung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 674547

BFH/NV 2002, 542

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