Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag auf Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Zulässigkeit eines Antrages und den Voraussetzungen der Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten.

2. Zur erforderlichen und fristgerechten Darlegung mangelnden Verschuldens bei Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

 

Normenkette

FGO §§ 56, 155; ZPO § 78b; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat in verschiedenen Verfahren (u. a. wegen Einkommensteuer 1986 bis 1992, Umsatzsteuer 1987 bis 1991 und Investitionszulage 1987 bis 1991) Klage erhoben. Im Rahmen der Klageverfahren hat er einen Richter und den Präsidenten des Finanzgerichts (FG) wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Er beruft sich jeweils auf unzutreffende Sachbehandlung in den vorliegenden und anderen Verfahren. Das FG hat diese Ablehnungsgesuche zurückgewiesen. Gegen diese ihm im September und im Oktober 1993 zugestellten Beschlüsse hat der Kläger durch seinen Prozeßbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 8. Dezember 1993, eingegangen beim FG am 10. Dezember 1993, jeweils Beschwerde eingelegt. Eine Begründung ist bislang nicht erfolgt. Zugleich hat der Kläger -- ebenfalls durch seinen Prozeßbevollmächtigten -- Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwerdefrist beantragt. Zur Begründung dieses Antrags führt er aus, er habe sich auf einer zweimonatigen Auslandsreise befunden, so daß es ihm nicht möglich gewesen sei, die Rechtsmittel rechtzeitig einzulegen.

Nach Einlegung der Beschwerden hat der Prozeßbevollmächtigte das Mandat niedergelegt.

Daneben hat der Kläger persönlich beantragt, ihm gemäß §155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. §78 b der Zivilprozeßordnung (ZPO) für die genannten Beschwerdeverfahren jeweils einen Prozeßbevollmächtigten beizuordnen, da sein bisheriger Vertreter das Mandat wegen Arbeitsüberlastung niedergelegt habe. Der zu bestellende Notanwalt müßte den Antrag auf Wiedereinsetzung ergänzen und die vorliegenden Beschwerden begründen.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat verbindet die vorliegenden Beschwerdeverfahren mit dem zugehörigen Verfahren wegen Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten zur gemeinsamen Entscheidung (§73 FGO).

1. Die Anträge auf Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten sind zulässig, obwohl der Kläger bei der Antragstellung nicht von einem Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertreten wurde. Der Vertretungszwang nach Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) gilt nicht für den Antrag nach §155 FGO i. V. m. §78 b ZPO, da durch ihn dem Kläger erst ein Prozeßvertreter verschafft werden soll (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 16. Januar 1984 GrS 5/82, BFHE 140, 408, BStBl II 1984, 439).

2. Die Anträge sind jedoch abzulehnen.

a) Gemäß §155 FGO i. V. m. §78 b ZPO hat das Prozeßgericht einer Partei auf ihren Antrag für den jeweiligen Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, soweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Im Verfahren wegen Steuerstreitigkeiten kommt auch die Beiordnung eines anderen gemäß Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG zur Vertretung befugten Prozeßbevollmächtigten in Betracht (BFH-Beschluß vom 18. November 1977 III S 6/77, BFHE 123, 433, BStBl II 1978, 57).

Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob die übrigen Voraussetzungen für die Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten im Streitfall vorliegen. Denn jedenfalls haben die Beschwerden keine Aussicht auf Erfolg. Sie sind nämlich erst am 10. Dezember 1993 und damit nach Ablauf der Beschwerdefrist am 13. Oktober 1993, 26. Oktober 1993 und 29. Oktober 1993 eingelegt worden und daher wegen Verfristung unzulässig.

b) Zwar hat der Kläger jeweils Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§56 FGO) gestellt. Sie kommt jedoch nicht in Betracht.

Bereits das Begehren um Wiedereinsetzung ist nicht schlüssig vorgetragen, da nicht, wie erforderlich, die Tatsachen dargelegt worden sind, die belegen, daß der Kläger nach Behebung des Hindernisses unter Einhaltung der Frist des §56 Abs. 2 Satz 1 FGO um die Wiedereinsetzung nachgesucht hat (BFH-Beschlüsse vom 5. Dezember 1990 II B 66/90, BFH/NV 1991, 335; vom 13. Oktober 1993 II B 130/93, BFH/NV 1994, 254). Diese Frist hat mit Kenntnis der Fristversäumung durch den Kläger zu laufen begonnen.

Der Kläger hat aber auch nicht hinreichend dargelegt, daß er ohne Verschulden verhindert war, die Beschwerdefrist einzuhalten. Mit dem bloßen Hinweis, er habe sich auf einer zweimonatigen Auslandsreise befunden, ist die Versäumnis nicht entschuldigt (BFH-Beschluß vom 17. September 1996 XI B 141/96, BFH/NV 1997, 192). Jedenfalls bei längerer Abwesenheit entspricht es dem Gebot prozessualer Sorgfalt, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, daß man von Zustellungen Kenntnis erhält und Fristen gewahrt werden. Dies gilt um so mehr, wenn wie vorliegend mit fristauslösenden Zustellungen konkret zu rechnen ist (BFH-Beschlüsse vom 8. Oktober 1981 IV R 108/81, BFHE 134, 388, BStBl II 1982, 165; vom 14. November 1989 VII B 82/89, BFH/NV 1990, 584, m. w. N.; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §56 Anm. 13, m. w. N.).

Die Darlegung entsprechender Tatsachen zur Rechtfertigung einer Wiedereinsetzung hätte innerhalb der Frist des §56 Abs. 2 Satz 1 FGO erfolgen müssen. Allenfalls ihre Glaubhaftmachung kann später nachgeholt werden (BFH-Beschlüsse vom 21. Oktober 1982 IV R 74/82, nicht veröffentlicht; vom 29. März 1990 V R 44/86, BFH/NV 1991, 687). Wegen der Verpflichtung zu eigener prozessualen Vorsorge wäre als rechtfertigende Tatsache auch ein vorheriger allgemeiner Hinweis an das FG auf eine voraussichtliche urlaubsbedingte Abwesenheit von ungefähr bestimmter Dauer nicht ausreichend. Auch insoweit fehlt es im übrigen an einer entsprechenden fristgerechten Darlegung. Bis zum Ablauf der Frist des §56 Abs. 2 Satz 1 FGO wurde der Kläger in den genannten Beschwerdeverfahren auch nach Niederlegung des Mandats unverändert von seinem bisherigen Prozeßbevollmächtigten vertreten. Diese Prozeßvertretung besteht im übrigen fort. Denn gemäß Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG i. V. m. §155 FGO und §87 Abs. 1 ZPO erlangt die Kündigung des Vollmachtvertrages erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Prozeßbevollmächtigten, der nach Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG postulationsfähig ist, Wirksamkeit (vgl. BFH-Urteil vom 13. Januar 1977 V R 87/76, BFHE 121, 20, BStBl II 1977, 238; BFH-Beschlüsse vom 16. Dezember 1994 III B 24/94, BFH/NV 1995, 889; vom 28. Juni 1996 XI B 73/96, BFH/NV 1996, 816). Sie liegt im Streitfall bislang nicht vor. Daher ist auch die vorliegende Entscheidung dem bisherigen Prozeßbevollmächtigten zuzustellen (BFH-Urteil vom 3. Februar 1988 I R 399/83, BFHE 153, 58, BStBl II 1988, 416, 418, a. E.; BFH-Beschluß in BFH/NV 1996, 816).

c) Ein nach Ablauf der Frist des §56 Abs. 2 Satz 1 FGO von einem neu beizuordnenden Prozeßbevollmächtigten gestellter Antrag auf Wiedereinsetzung wäre nicht zulässig; neues Vorbringen zur Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung könnte nicht mehr berücksichtigt werden (BFH- Beschluß vom 8. Mai 1996 X B 12/96, BFH/NV 1996, 833). Die vorliegenden Beschwerden sind somit unheilbar unzulässig.

3. Aus den ausgeführten Gründen folgt die Entscheidung über die vorliegenden Beschwerden. Sie waren zu verwerfen.

4. Die Entscheidung über die Anträge auf Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten ist gerichtsgebührenfrei.

 

Fundstellen

Haufe-Index 302996

BFH/NV 1998, 617

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