Entscheidungsstichwort (Thema)

PKH: ,,Einsatz" bzw. ,,Verwertung" von Grundvermögen durch Beleihung

 

Leitsatz (NV)

1. Die Gewährung von Prozeßkostenhilfe setzt voraus, daß der Antragsteller im Rahmen des Möglichen sein Grundvermögen beleiht.

2. Zur Darlegungspflicht des Antragstellers im PKH-Verfahren.

 

Normenkette

FGO § 142; ZPO §115

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Im Hauptverfahren hat die Klägerin, Revisionsbeklagte und Antragstellerin (Antragstellerin) im Wege der Fortsetzungs- Feststellungsklage beantragt festzustellen, daß eine gegen sie ,,nach Durchführung der Prüfung" ergangene Anordnung einer Außenprüfung rechtswidrig gewesen sei. Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Hiergegen hat das Finanzamt (FA) die vom FG zugelassene Revision eingelegt.

Im vorliegenden Verfahren beantragt die Antragstellerin sinngemäß, ihr für das Revisionsverfahren X R 27/87 rückwirkend Prozeßkostenhilfe (PKH) zu gewähren und ihr den Rechtsanwalt S zur vorläufigen unentgeltlichen Wahrung ihrer Rechte beizuordnen. Sie hat in der Erklärung über ihre wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse angegeben, sie habe im ersten Halbjahr des Jahres 1987 einen Verlust aus Gewerbebetrieb (Karosserie-Reparaturen, Einbrennlackierungen) in Höhe von 14 242 DM erlitten. Der Arbeitslohn ihres Ehemannes wird - u. a. nach Berücksichtigung von Pfändungen des FA K - in Höhe von monatlich 880 DM ausgezahlt. Einnahmen aus der Vermietung eines in K belegenen Grundstücks in Höhe von 5 400 DM (1. Januar bis 30. Juni 1987) standen Ausgaben in Höhe von 11 535 DM gegenüber.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag ist nicht begründet.

Zwar ist die Frage, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, nicht zu prüfen, weil das FA Revision eingelegt hat (§ 142 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i. V. m. § 119 Satz 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Indes hat die Klägerin nicht hinreichend dargelegt (§ 142 FGO i. V. m. § 117 Abs. 2, § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO), daß sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung - bei einem Streitwert von 16 408 DM in Höhe von etwa 3 520 DM (vgl. Eberl, Betriebs-Berater - BB -, Beilage 4/1987, 3) - nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen könnte (§ 142 FGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO). Sie hat insbesondere - trotz dahingehender Fragen des Gerichts - nicht ausreichend dargelegt, daß ihr eine (weitere) Kreditaufnahme unter Beleihung ihres Grundvermögens nicht möglich gewesen wäre.

Der Antragstellerin obliegt es, ihr Vermögen einzusetzen, soweit ihr dies zumutbar ist; § 88 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) ist entsprechend anzuwenden (§ 142 FGO i. V. m. § 115 Abs. 2 ZPO). Dies bedeutet auch, daß sie Grundbesitz, sofern er nicht zum Schonvermögen i. S. des § 88 Abs. 2 BSHG gehört, entweder langfristig veräußern (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. Mai 1985 V B 17/82, BFH/NV 1986, 114) oder kurzfristig durch Beleihung ,,verwerten" bzw. ,,einsetzen" muß. Es kann dahingestellt bleiben, ob es der Gesetzgeber, worauf die Gesetzesmaterialien hindeuten (vgl. BTDrucks 8/3068, 42, 53, 8/3694, 16), den Gerichten ersparen wollte, stets die persönliche Kreditwürdigkeit eines Antragstellers zu überprüfen (verneinend Oberlandesgericht - OLG - Frankfurt, Beschluß vom 7. November 1986 2 WF 235/86, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - RR 1987, 320, m. w. N.). Jedenfalls ist ein Prozeßbeteiligter, der PKH beantragt, im Rahmen des ihm Möglichen gehalten, einen Realkredit aufzunehmen. Sollte den Ausführungen von Zöller/Schneider (Zivilprozeßordnung, 15. Aufl., 1987, § 115 Rdnr. 42) und Gräber/Ruban (Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., 1987, § 142 Rdnr. 5) eine weniger strenge Auffassung zu entnehmen sein, könnte sich der Senat dem nicht anschließen (vgl. auch BFH-Beschluß vom 30. Juli 1985 VII S 2/85, BFH/NV 1986, 233, betreffend die Beleihung von Bausparguthaben; Beschluß des Oberverwaltungsgerichts - OVG - Münster vom 8. November 1985 8 B 855/85, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht - FamRZ - 1986, 188). Die Pflicht zum ,,Einsatz" bzw. ,,Verwertung" von Vermögen schließt grundsätzlich die Beleihung von nicht zum sog. Schonvermögen i. S. des § 88 Abs. 2 BSHG gehörenden Vermögensgegenständen ein (vgl. auch Knopp/Fichtner, Bundessozialhilfegesetz, Kommentar, 5. Aufl., 1983, § 88 Anm. 3; Schellhorn/Jirasek/Seipp, Kommentar zum Bundessozialhilfegesetz, 12. Aufl., 1985, § 88 Rdnr. 21). Die Auffassung von E. Schneider (Der Deutsche Rechtspfleger - RPfleger - 1985, 49, 50), von keinem Antragsteller könne verlangt werden, für einen ,,Alltagsprozeß" Grundpfandrechte als Kreditgrundlage zu bestellen, entspricht nicht dem Gesetz. Der vorliegende Fall gibt dem Senat keine Veranlassung, zu der Frage Stellung zu nehmen, wo - über die Verschonung von Vermögensgegenständen auf der Rechtsgrundlage des § 88 BSHG hinaus - unter den rechtlichen Gesichtspunkten der Unzumutbarkeit, der Unverhältnismäßigkeit oder aus Gründen einer der Belastung entgegenstehenden Kreditvergabepraxis der Banken die Pflicht des Antragstellers zur Aufnahme eines durch Grundpfandrechte gesicherten Kredits endet.

Der Senat geht davon aus, daß die im Obergeschoß gelegene Eigentumswohnung (Grundbuch von E, Blatt 3348) bei Anwendung der vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entwickelten sog. ,,Kombinationstheorie" (BVerwG-Urteil vom 17. Januar 1980 5 C 48.78, BVerwGE 59, 295) nicht zum Schonvermögen gehört. Hierzu hat die Klägerin trotz diesbezüglichen Hinweises des Gerichts (Verfügung vom 10. März 1988) nicht Stellung genommen.

Der Vorsitzende des Senats hat die Klägerin weiterhin darauf hingewiesen, daß die auf diesem Grundstück lastende, an dritter Rangstelle eingetragene Eigentümer- Grundschuld gegen Valuta in Höhe von lediglich 17 000 DM abgetreten worden sei, so daß insoweit grundsätzlich die Möglichkeit einer weiteren Beleihung bestehe. Mit ihrer unsubstantiierten Behauptung, ,,wegen ihrer schlechten Einkommenssituation" erhalte sie ,,trotz eventuell belastungsfreien Grundvermögens keine weiteren Bankdarlehen", kann die Klägerin keinen Erfolg haben. Die Stadtsparkasse hat der Klägerin am 5. Februar 1986 einen Investitionskredit in Höhe von 20 000 DM bewilligt, der per 27. November 1987 mit 12 607,55 DM valutierte. Die Klägerin war offenbar jedenfalls zu jener Zeit in der Lage, ein weiteres Darlehen in Höhe von etwa 3 500 DM aufzunehmen und den Verpflichtungen aus dieser zusätzlichen Kreditaufnahme nachzukommen. Darüber hinaus bestand auf einem Konto bei der Stadtsparkasse per 4. Dezember 1987 ein Sollsaldo in Höhe von 31 276 DM. Bei dieser Sachlage bedurfte die Behauptung der Klägerin, sie erhalte keine weiteren Kredite, einer detaillierten und sorgfältig belegten Begründung. Dies vor allem auch im Hinblick auf den Umstand, daß die Klägerin und ihr Ehemann offenbar in der Lage sind, auf die bisher aufgenommenen Kredite Zins- und Tilgungszahlungen in Höhe von mindestens 18 000 DM jährlich zu leisten. Auch der Aufforderung des Gerichts, darzulegen, wie diese Kredite bedient werden, ist die Klägerin nicht nachgekommen. Der Senat kann offenlassen, ob hieraus Rückschlüsse auf die Richtigkeit der Erklärung über die Einkommensverhältnisse zu ziehen sind.

Mit ihrem Vortrag, das FA pfände das Gehalt ihres Ehemannes aufgrund rechtswidriger Steuerbescheide und verhindere durch seine Weigerung, die Vollziehung auszusetzen, daß sie die Kosten des Revisionsverfahrens X R 27/87 tragen könne, kann die Klägerin gleichfalls nicht gehört werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415864

BFH/NV 1989, 124

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