Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorläufiger Rechtsschutz; Abgrenzung private Vermögensverwaltung, Einkünfteerzielung

 

Leitsatz (NV)

1. Zur grundsätzlich an keine besonderen Voraussetzungen geknüpften Änderung von Steuerbescheiden nach §164 Abs. 2 AO 1977.

2. Zur Zuordnung von Gewinnen eines Immobilienmaklers aus Grundstücksverkäufen.

 

Normenkette

AO 1977 § 164 Abs. 2, § 176; FGO § 69; EStG § 15 Abs. 2, § 16

 

Tatbestand

I. In dem beim Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) anhängigen Einspruchsverfahren streiten die Beteiligten darum, ob der Antragsteller und Beschwerdeführer (Beschwerdeführer) im Streitjahr 1992 aus dem Verkauf von Immobilien einen (diesem Veranlagungszeitraum zuzuordnenden, laufenden) gewerblichen Gewinn erzielt hat.

Der seit 1983 als Immobilienmakler im Rahmen seines Einzelunternehmens "X-Immobilien" tätige Beschwerdeführer handelte von 1986 an auch mit selbst angeschafften Immobilien und errichtete außerdem in den Jahren 1988 und 1989 Eigentumswohnungen, um diese ebenfalls zu veräußern.

Am 1. Mai 1990 gründete der Beschwerdeführer die "X-Bauträger und Baubetreuungsgesellschaft mbH" (GmbH), deren Zweck in der Errichtung, dem Vertrieb, der Vermietung, der anderweitigen Verwertung von Wohnungen und Gewerbebauten sowie in der Betreuung von Bauvorhaben aller Art besteht. Alsbald nach ihrer Gründung übernahm die GmbH, mit dem Beschwerdeführer als Geschäftsführer, die Tätigkeiten des Einzelunternehmens und führte diese fort.

Im August 1991 meldete der Beschwerdeführer das Einzelunternehmen beim zuständigen Gewerbeaufsichtsamt ab, teilte dem FA im September 1991 mit, er habe sein bisheriges Einzelunternehmen "zum 31. 12. 1990" aufgegeben, und wies in der zum 31. Dezember 1990 erstellten Aufgabebilanz aus der "Entnahme" der noch vorhandenen Grundstücke einen Aufgabegewinn in Höhe von rund 712 000 DM aus.

Diese Behandlung übernahm das FA im Anschluß an eine für die Veranlagungszeiträume 1986 bis 1990 durchgeführte Außenprüfung dem Grunde nach, erhöhte jedoch im Einkommensteuerbescheid für 1990 vom 12. Mai 1993 den -- gemäß §34 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) besteuerten -- Aufgabegewinn auf 1 354 000 DM. Dieser Bescheid ist bestandskräftig geworden.

Im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer für das Streitjahr 1992 stellte sich das FA auf den Standpunkt, der Beschwerdeführer habe seinen gewerblichen Grundstückshandel nicht aufgegeben, sondern mit den Verkäufen im Jahr 1992 (28 Wohnungen) fortgeführt, nahm insoweit einen weiteren -- nicht tarifbegünstigten -- Gewinn des Beschwerdeführers aus Gewerbebetrieb an, und zwar in Höhe von 214 310 DM, errechnet aus der Differenz zwischen Entnahmewert per 31. Dezember 1990 und dem Verkaufserlös.

Im anschließenden Einspruchsverfahren änderte das FA seine Ansicht zur Gewinnberechnung: Maßgeblich seien insoweit nicht die Entnahme-/Teilwerte zum 31. Dezember 1990, sondern die zuvor im Einzelunternehmen ausgewiesenen Buchwerte. Das führte in dem auf §164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Änderungsbescheid vom 14. August 1996 zu einer Erhöhung des (laufenden) Gewinns aus Gewerbebetrieb auf 1 320 179 DM.Ü

ber den Einspruch hat das FA noch nicht entschieden, den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) mit Verfügung vom 5. September 1996 abgelehnt.

Auch der daraufhin beim Finanzgericht (FG) gestellte AdV-Antrag blieb ohne Erfolg. Das FG verneinte ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids. Der Gewinn aus der Veräußerung der Grundstücke sei als laufender Gewinn zu erfassen, denn der Beschwerdeführer habe seinen Gewerbebetrieb nicht aufgegeben, sondern bis zum Streitjahr fortgeführt. Alle Merkmale des gewerblichen Grundstückshandels seien in der Person des Beschwerdeführers weiterhin erfüllt.

Mit der (vom FG zugelassenen) Beschwerde erstrebt der Beschwerdeführer unter Berufung auf sein bisheriges Vorbringen weiterhin AdV des angefochtenen Bescheids im Umfang der streitigen Steuerschuld. Ergänzend trägt er vor, die zum gewerblichen Grundstückshandel entwickelten Grundsätze paßten auf den Streitfall nicht. Es gehe nicht um Abgrenzung zur privaten Vermögensverwaltung, sondern um die Behandlung von Grundstücksgeschäften, die von Anfang an durchweg im Rahmen eines Gewerbebetriebs getätigt worden seien.

Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß, die Vollziehung des Einkommensteuer- Bescheids für 1992 vom 14. August 1996 unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und der ablehenden Entscheidung des FA in Höhe von 638 735 DM auszusetzen.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht haben FA und FG die begehrte AdV abgelehnt.

Nach §69 Abs. 2 und Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kommt AdV eines angefochtenen Verwaltungsakts in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen. Das ist dann der Fall, wenn die in einem solchen Verfahren gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige dagegen sprechende Gründe ergibt, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, §69 Rz. 77, m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sind hier, bei der auf präsente Beweismittel beschränkten Sachprüfung (dazu Gräber, a.a.O., Rz. 104ff., m.w.N.), nicht erfüllt. Das FA hat auf Grund der zwischen den Beteiligten unstreitigen Sachlage den Beschwerdeführer im angefochtenen Bescheid zu Recht wegen des (nicht der Höhe, sondern dem Grunde und der Art nach) streitigen Veräußerungsgewinns in Höhe des Regeltarifs zur Einkommensteuer für 1992 herangezogen.

1. Die aus §164 Abs. 2 AO 1977 folgende, an keine besondere Voraussetzung geknüpfte Korrekturbefugnis war nicht ausnahmsweise durch §176 AO 1977 eingeschränkt (dazu näher: Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., §176 AO 1977 Rz. 2; Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 3. Februar 1993 I R 61/91, BFHE 170, 257, BStBl II 1993, 459, und vom 20. August 1997 X R 58/93, BFH/NV 1998, 314, jew. m.w.N.). Keiner der in §176 AO 1977 geregelten Vertrauenstatbestände ist hier erfüllt. Auch Treu und Glauben steht der streitigen Änderung nicht entgegen (dazu BFH-Beschluß vom 20. Dezember 1994 V B 3/94, BFH/NV 1995, 946, 947; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., Rz. 94 vor §§172 bis 177 AO 1977). Die Vorschrift des §173 Abs. 2 AO 1977 ist nicht anwendbar (Tipke/Kruse, a.a.O., §164 AO 1977 Rz. 16).

2. Inwieweit ein Einkommensteuer-Bescheid korrekturbedürftig ist, der einen der vorangegangenen Veranlagungszeiträume betrifft, ist -- worauf auch das FG zutreffend hingewiesen hat -- hier nicht zu prüfen. Andererseits entfaltet keiner dieser Bescheide (wegen der Beschränkung des Regelungsgehalts auf den jeweiligen Besteuerungsabschnitt) auch nur teilweise Bindungswirkung für das Streitjahr 1992.

3. Auch was die inhaltliche Richtigkeit des angefochtenen Bescheids angeht, sind ernstliche Zweifel nicht erkennbar. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Betätigung des Beschwerdeführers in Abgrenzung zur Vermögensverwaltung nach den zum gewerblichen Grundstückshandel entwickelten Grundsätzen zu beurteilen ist oder ob unabhängig hiervon die Voraussetzungen des §15 Abs. 2 EStG erfüllt sind bzw. waren.

a) Galten die Grundsätze des gewerblichen Grundstückshandels (s. näher dazu: BFH- Urteile vom 23. April 1996 VIII R 27/94, BFH/NV 1997, 170, 171, und vom 11. Dezember 1996 X R 241/93, BFH/NV 1997, 396; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl. 1997, §15 Rz. 59ff., m.w.N.), so kommt eine Tarifvergünstigung für die fraglichen Grundstücksveräußerungen nicht in Betracht, weil es an den erforderlichen objektiven Gegebenheiten zur Abgrenzung von den laufenden Geschäften fehlt (vgl. dazu näher: Senats-Urteil vom 25. Januar 1995 X R 76-77/92, BFHE 176, 426, BStBl II 1995, 388).

b) Waren die Aktivitäten zunächst ohnedies dem in Form eines Einzelnunternehmens geführten Gewerbebetrieb zuzuordnen, dann fehlt es an der für eine tarifbegünstigte Betriebsaufgabe i.S. des §16 Abs. 3 EStG unerläßlichen Voraussetzung der Einstellung der bisherigen gewerblichen Tätigkeit (vgl. dazu allgemein: Schmidt, a.a.O., §16 Rz. 173, m.w.N.): Denn nach dem Akteninhalt war der Beschwerdeführer -- wie seine Mitwirkung bei der Gründung der GmbH und seine Stellung in ihr bestätigt -- ohne erkennbare Unterbrechung weiterhin im Immobilienbereich tätig. Daß ihm infolgedessen auch die Grundstücksverkäufe des Jahres 1992 zuzurechnen sind, wird vom Beschwerdeführer selbst nicht bestritten, und bedarf daher hier im Eilverfahren keiner weiteren Sachaufklärung (vgl. im übrigen allgemein zum Zurechnungsproblem in ähnlich gelagerten Fällen: BFH-Entscheidungen vom 12. Juli 1991 III R 47/88, BFHE 165, 498, BStBl II 1992, 143, unter 2.; vom 3. Juli 1995 GrS 1/93, BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617; vom 7. März 1996 IV R 2/92, BFHE 180, 121, BStBl II 1996, 369, und vom 25. April 1996 VIII B 50/95, BFH/NV 1996, 746).

4. Für ein widersprüchliches Verhalten des FA, das darin bestehen könnte, daß es für das Streitjahr auf Vollziehung des angefochtenen Bescheids im streitigen Umfang beharrt, die entsprechende Korrektur des Einkommensteuer-Bescheids für einen anderen Veranlagungszeitraum (nach §173 Abs. 1 Nr. 2 oder §174 Abs. 1 AO 1977) hingegen unterläßt und dem Beschwerdeführer die hieraus resultierende Erstattung vorenthält, fehlen konkrete sachliche Anhaltspunkte. Der Senat geht davon aus, daß die nach dem Vortrag des Beschwerdeführers für 1990 zuviel entrichtete Steuer bei der Vollziehung des angefochtenen Bescheids berücksichtigt wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 67441

BFH/NV 1998, 1346

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