Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Schlüssigkeit, Vollständigkeit und Glaubhaftmachung bei einem Antrag auf Wiedereinsetzung

 

Leitsatz (NV)

Macht ein Prozeßbevollmächtigter geltend, er habe einen Schriftsatz rechtzeitig abgesandt, muß er u.a. vortragen, welche Person zu welcher Uhrzeit in welcher Weise den Brief zur Post gegeben hat; er kann den Vortrag glaubhaft machen durch Vorlage eines Auszugs aus dem Fristenkontrollbuch und eine eidesstattliche Versicherung der Person, die an dem geschilderten Vorgang unmittelbar beteiligt war.

 

Normenkette

FGO § 56

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) als unbegründet abgewiesen und die Revision zugelassen. Das finanzgerichtliche Urteil ist der Klägerin bzw. ihren Prozeßbevollmächtigten am 8. Juli 1993 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 9. August 1993, das dem FG am gleichen Tage (per Telefax) zugegangen ist, hat die Klägerin Revision eingelegt.

Mit Schreiben vom 13. Oktober 1993 - zugegangen am 18. Oktober 1993 - wies der Vorsitzende des erkennenden Senats die Prozeßbevollmächtigten darauf hin, daß die Frist für die Begründung der Revision abgelaufen sei, ohne daß die Revision bisher begründet worden wäre. In dem Schreiben wurde auch auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hingewiesen.

Mit Schreiben vom 21. Oktober 1993 - beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen am 25. Oktober 1993 - übersandten die Prozeßbevollmächtigten eine Revisionsbegründung, die das Datum vom 31. August 1993 trägt, und stellten den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Den Antrag begründete der Prozeßbevollmächtigte Rechtsanwalt und Steuerberater X wie folgt:

Die Revisionsbegründung sei am 31. August 1993 in seinem Büro geschrieben und am gleichen Tage von ihm unterschrieben worden. Nachdem alle anderen Schreiben, die sich an diesem Tage ebenfalls in seiner Unterschriftsmappe befunden hätten, von ihm unterschrieben worden seien, sei sämtliche ausgehende Post von einer Mitarbeiterin kuvertiert, mit einem Freistempler abgestempelt und anschließend zur Post gebracht worden. Somit sei, wie an allen Tagen, sichergestellt gewesen, daß die unterschriebene Post noch am gleichen Tag von der Post weiterbefördert werde. Der Prozeßbevollmächtigte erklärt weiter: Den vorstehenden Sachverhalt versichere ich an Eides statt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig, weil sie nicht fristgerecht begründet worden ist (§§ 120 Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 1 FGO).

Die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) liegen nicht vor. Der Prozeßbevollmächtigte hat insbesondere nicht glaubhaft gemacht, daß er ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten.

Bereits die Schilderung der Tatsachen, die die Wiedereinsetzung rechtfertigen sollen, ist nicht schlüssig. Dazu wäre erforderlich gewesen, daß der Prozeßbevollmächtigte schildert, welche Person zu welcher Zeit (Uhrzeit) in welcher Weise (Einwurf in einen bestimmten Briefkasten oder Abgabe in einem bestimmten Postamt) den Brief zur Post aufgegeben hat (vgl. BFH-Beschluß vom 12. April 1989 II B 197/88, BFH/NV 1990, 298). Die Darstellung des Prozeßbevollmächtigten entbehrt jedoch insoweit jeder Konkretisierung.

Es fehlt auch der Vortrag, daß im Büro des Prozeßbevollmächtigten Vorkehrungen getroffen worden sind, daß zu wahrende Fristen zuverlässig eingehalten werden. Dazu gehört auch die Einrichtung einer Ausgangskontrolle. Daß eine solche Einrichtung in der Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten vorhanden war, hat er nicht vorgetragen (BFH-Beschluß vom 25. August 1987 IV R 41/87, BFH/NV 1988, 377).

Schließlich genügt die eidesstattliche Versicherung des Prozeßbevollmächtigten nicht zur Glaubhaftmachung seines Vortrags. Eine eidesstattliche Versicherung ist an sich ein Mittel der Glaubhaftmachung in diesem Verfahren. Erforderlich ist allerdings die Versicherung der Person, die an dem Vorgang unmittelbar beteiligt war (BFH-Beschluß vom 13. Juli 1989 VIII R 55/88, BFH/NV 1990, 248 - nur Leitsatz -). Das war aber für die hier entscheidenden Handlungen nach seinem Vortrag nicht der Prozeßbevollmächtigte selbst, sondern die namentlich nicht genannte Mitarbeiterin seiner Kanzlei, die sämtliche ausgehende Post kuvertiert, mit dem Freistempler abgestempelt und zur Post gebracht haben soll. Eine Erklärung dieser Person liegt nicht vor. Auch einen Auszug aus dem Fristenkontrollbuch hat der Prozeßbevollmächtigte nicht vorgelegt (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 26. November 1986 IX R 64/86, BFH/NV 1988, 33).

 

Fundstellen

Haufe-Index 423255

BFH/NV 1994, 644

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