Entscheidungsstichwort (Thema)

Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde; Kirchenmitgliedschaft

 

Leitsatz (NV)

1. Die materielle Rechtswidrigkeit der Vorentscheidung ist kein Grund für eine Revisionszulassung.

2. Wegen einer in der Beschwerdeschrift nicht angesprochenen Frage kann die Revision nicht zugelassen werden.

3. Es ist geklärt, daß eine Person nicht einseitig und ohne Rücksicht auf ihren Willen der Kirchengewalt unterworfen werden darf.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2; KiStG NW

 

Gründe

Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen.

Nach § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) muß in der Nichtzulassungsbeschwerde, sofern sich diese -- wie im Streitfall -- auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO stützt, die grundsätzliche Bedeutung der Sache dargelegt werden. Das Darlegen erfordert substantiierte und konkrete Angaben darüber, daß im Revisionsverfahren über eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage zu entscheiden wäre und daß diese Entscheidung von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkung die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 26. August 1992 II B 100/92, BFH/NV 1993, 662; vom 29. Oktober 1992 I B 81/92, BFH/NV 1993, 315; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Rdnr. 61, m. w. N.). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift nicht.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) beanstandet im wesentlichen, daß das Finanzgericht Begründung und Bestehen der Kirchensteuerpflicht nicht unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten geprüft und die Areligiösität und die unverschuldete Unkenntnis der Klägerin und ihres Mannes vom Bestehen der Kultussteuerpflicht und der Notwendigkeit eines Kirchenaustritts unberücksichtigt gelassen habe. Damit rügt sie die Unrichtigkeit des vorinstanzlichen Urteils, die jedoch, selbst wenn sie vorläge, nicht zur Revisionszulassung führen kann (vgl. abschließende Aufzählung der Zulassungsgründe in § 115 Abs. 2 FGO). Die Klägerin hat keine konkrete Rechtsfrage dargetan, die im allgemeinen Interesse der Klärung bedarf. Nach ihrer eigenen Auffassung handelt es sich bei den Grundrechten um persönlichkeitsbezogene Grundrechte, deren Wahrung bzw. Verletzung nur dann festgestellt werden könnten, wenn für den Einzelfall eine personenbezogene Beurteilung vorgenommen werde. Diese Ausführungen schließen die Annahme aus, die Klägerin wolle eine Rechtsfrage im Interesse der Allgemeinheit verfassungsrechtlich geklärt wissen.

Auch bleibt unklar, welche abstrakte Rechtsfrage nach Auffassung der Klägerin klärungsbedürftig sein soll. Selbst wenn der Senat ihre Ausführungen zur Rechtswidrigkeit der Vorentscheidung dahin versteht, daß die Klägerin geprüft wissen will, ob es verfassungsrechtlich zulässig sei, eine Person gegen ihren Willen als Mitglied einer Religionsgemeinschaft zu behandeln, könnte die Nichtzulassungsbeschwerde keinen Erfolg haben.

Diese Frage wäre nämlich nicht klärungsbedürftig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluß vom 31. März 1971 1 BvR 744/67, BVerfGE 30, 415, 423) verbietet Art. 4 Abs. 1 des Grundgesetzes, eine Person einseitig und ohne Rücksicht auf ihren Willen der Kirchengewalt zu unterwerfen. Er verlangt aber nicht, daß der Beitritt durch eine ausdrückliche Beitrittserklärung bestätigt wird, sofern der Wille des Betroffenen in geeigneter Form Berücksichtigung finden kann (vgl. auch BFH-Urteil vom 6. Oktober 1993 I R 28/93, BFHE 172, 570, BStBl II 1994, 253). Wenn die Klägerin trotz dieser Entscheidungen weiteren Klärungsbedarf sieht, so hätte sie diesen in der Nichtzulassungsbeschwerde im einzelnen darlegen müssen (vgl. ständige Rechtsprechung; z. B. Gräber/Ruban, a. a. O., § 115 Rdnr. 62, m. w. N.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 421061

BFH/NV 1996, 436

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge