Entscheidungsstichwort (Thema)

Anteile des Besitzunternehmers und beherrschenden Gesellschafters der Betriebskapitalgesellschaft an einer anderen Kapitalgesellschaft als notwendiges Betriebsvermögen

 

Leitsatz (amtlich)

Die Anteile des Besitzunternehmers und beherrschenden Gesellschafters der Betriebskapitalgesellschaft an einer anderen Kapitalgesellschaft, die 100 % der Anteile einer weiteren Kapitalgesellschaft hält, gehören dann zum notwendigen Betriebsvermögen des Besitz(einzel-)unternehmens, wenn die weitere Gesellschaft intensive und dauerhafte Geschäftsbeziehungen zur Betriebsgesellschaft unterhält.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, § 5

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 02.05.2005; Aktenzeichen 7 V 12/04; EFG 2005, 1099)

 

Tatbestand

I. Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) sind Ehegatten und wurden im Streitjahr 1998 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Antragsteller erzielte im Jahr 1998 u.a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer im Rahmen einer Betriebsverpachtung. Er hatte sein Unternehmen, das den Firmenwert und das Inventar umfasste, an die A-GmbH verpachtet, ohne die Betriebsaufgabe zu erklären. An der A-GmbH war der Antragsteller mit 51 %, die Antragstellerin mit 49 % beteiligt.

An der im Jahr 1995 mit einem Stammkapital von 50 000 DM gegründeten A-Holding war der Antragsteller mit 25 % beteiligt. Weitere Anteile an der A-Holding mit jeweils 25 % hielten die Antragstellerin und die beiden volljährigen Kinder der Antragsteller. Gegenstand der A-Holding ist ausweislich des Gesellschaftsvertrags das Halten von Beteiligungen an Unternehmen im In- und Ausland. Als einzige Beteiligung hielt die A-Holding seit dem 1. Mai 1996 100 % der A-Inc. durch Erwerb der neu ausgegebenen Aktien der A-Inc. Die A-Inc. stellt im Auftrag von in den Vereinigten Staaten ansässigen Kunden förderungstechnische Anlagen her. Die Anlagen werden von Mitarbeitern der A-Inc. in den USA ―auch unter Verwendung seitens Dritter gelieferter Bauteile, teilweise unter Verwendung seitens der A-GmbH gefertigter Teile― hergestellt. Die A-Inc. bezog in den Jahren 1999 bis 2001 von der A-GmbH Lieferungen in einem Gesamtwert zwischen 1,9 Mio. $ und 2,3 Mio. $. Angesichts der Gesamteinkäufe (zwischen 3,5 Mio. $ und 3,7 Mio. $ jährlich) machten die Einkäufe der A-Inc. bei der A-GmbH zwischen 52 % und 67,4 % des gesamten Einkaufsvolumens aus. Der mit der A-Inc. in diesen Jahren erwirtschaftete Umsatz der A-GmbH lag zwischen 9,8 % und 19,2 %. Der mit zwei anderen Großkunden getätigte Umsatz der A-GmbH erreichte nach Angaben der Antragsteller in den Jahren 1999 bis 2001 Anteile zwischen 9,9 % und 13,4 % bzw. 3,2 % und 22,8 %.

Mit notariellem Vertrag vom 10. Dezember 1998 veräußerte der Antragsteller seinen 25 %-igen Anteil an der A-Holding für 2 250 000 DM an die A-GmbH.

Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) beurteilte im Anschluss an eine Außenprüfung die veräußerte Beteiligung an der A-Holding als notwendiges Betriebsvermögen des Einzelunternehmens des Antragstellers, behandelte den Anteil im Veranlagungszeitraum 1997 als mit den Anschaffungskosten in Höhe von 12 500 DM eingelegt und erfasste den aus der 1998 erfolgten Veräußerung resultierenden Gewinn bei seinen gewerblichen Einkünften. Es änderte den unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 der AbgabenordnungAO 1977―) stehenden Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1998 vom 20. Juni 2000 mit Bescheid vom 27. November 2003 entsprechend.

Die Antragsteller legten gegen diesen Bescheid Einspruch ein und beantragten zugleich, die Vollziehung des Bescheids auszusetzen. Diesen Antrag lehnte das FA ab, da eine steuerpflichtige Anteilsveräußerung aus dem Betriebsvermögen vorliege.

Das daraufhin angerufene Finanzgericht (FG) lehnte den Antrag auf Aufhebung der Vollziehung ab. Die Zuordnung einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft zum notwendigen Betriebsvermögen setze eine objektivierbare Funktionszuweisung im Sinne einer ausschließlichen und unmittelbaren Nutzung der Beteiligung für eigenbetriebliche Zwecke voraus. Ob eine Beteiligung ihrer Funktion nach objektiv erkennbar dem Betrieb gewidmet sei, entscheide sich danach, auf welchem Geschäftsfeld sich die Gesellschaft, an der die Beteiligung bestehe, konkret betätige und welche Auswirkungen diese Tätigkeit für den Betrieb des Steuerpflichtigen haben könne und tatsächlich habe. Grundsätzlich sei auch die durch eine unmittelbare Beteiligung gehaltene weitere ―aus der Perspektive des Unternehmers sodann mittelbare― Beteiligung in die Beurteilung eines hinreichend konkreten Funktionszusammenhangs einzubeziehen.

Mit ihrer vom FG zugelassenen Beschwerde wenden sich die Antragsteller gegen den Beschluss des FG. Sie beantragen, diesen aufzuheben und die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 1998 in Höhe eines Teilbetrags von 464 140 € bis zur rechtskräftigen Entscheidung ohne Sicherheitsleistung aufzuheben.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat dem Antrag auf Aufhebung der Vollziehung zu Recht nicht stattgegeben.

1. Gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache, wenn der Verwaltungsakt schon vollzogen ist (§ 69 Abs. 3 Satz 3 FGO), wegen ernstlicher Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 11. Juni 2003 IX B 16/03, BFHE 202, 53, BStBl II 2003, 663, m.w.N.).

2. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Bei der gebotenen summarischen Prüfung hat der Senat keine ernstlichen Zweifel daran, dass der Erlös aus der Veräußerung des Anteils des Antragstellers an der A-Holding in die Gewinnermittlung seines Einzelunternehmens gemäß §§ 4 Abs. 1, 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) einzubeziehen ist, da die Beteiligung des Antragstellers an der A-Holding zum notwendigen Betriebsvermögen des Einzelunternehmens des Antragstellers gehörte.

a) Die Veräußerung der nicht aktivierten Beteiligung an der A-Holding ist im Streitfall steuerbar, wenn sie zum notwendigen Betriebsvermögen des Einzelunternehmens gehörte. Solches ist der Fall bei Wirtschaftsgütern, die sich unmittelbar auf den Betriebsablauf beziehen und ihm zu dienen bestimmt sind (BFH-Urteil vom 10. November 2004 XI R 32/01, BFHE 208, 514, BStBl II 2005, 431, m.w.N.). Das kann auch die Beteiligung an einer GmbH sein, wenn sie unmittelbar für eigenbetriebliche Zwecke genutzt wird, indem sie u.a. dazu bestimmt ist, die gewerbliche Betätigung des Steuerpflichtigen entscheidend zu fördern oder wenn sie dazu dienen soll, den Absatz von Produkten des Steuerpflichtigen zu gewährleisten (Senatsbeschluss vom 22. November 2002 X B 92/02, BFH/NV 2003, 320, m.w.N.; BFH-Urteil vom 6. März 2003 XI R 52/01, BFHE 202, 128, BStBl II 2003, 658). Nach der Rechtsprechung des BFH reicht allerdings nicht aus, wenn zu der Beteiligungsgesellschaft lediglich Geschäftsbeziehungen unterhalten werden, wie sie üblicherweise auch mit anderen Unternehmen bestehen (vgl. z.B. Urteil in BFHE 202, 128, BStBl II 2003, 658). Ob eine Beteiligung notwendiges Betriebsvermögen ist, entscheidet sich danach, auf welchem Geschäftsfeld die Gesellschaft, an der die Beteiligung besteht, tätig ist und wie sich diese Tätigkeit auf den Betrieb des Steuerpflichtigen auswirkt.

b) Eine Beteiligung kann auch dann notwendiges Betriebsvermögen eines Einzelunternehmens sein, wenn die Aktivitäten der Beteiligungsgesellschaft ―oder die der von ihr gehaltenen weiteren Gesellschaft― nicht unmittelbar dem Einzelunternehmen des Steuerpflichtigen, das über das Rechtsinstitut der Betriebsaufspaltung eine als gewerblich qualifizierte Verpachtungstätigkeit ausübt, sondern der Betriebsgesellschaft zugute kommen (vgl. Senatsurteil vom 20. April 2005 X R 2/03, juris Nr: STRE200510233, unter II. 1. b, m.w.N.). Durch die damit einhergehende Verbesserung der Vermögens- und Ertragslage der Betriebsgesellschaft erhöht sich der Wert der Beteiligung des Besitzunternehmens am Betriebsunternehmen.

Hiermit stimmt überein, dass nach dem BFH-Urteil vom 25. November 2004 IV R 7/03 (BFHE 208, 207, BStBl 2005, 354) Anteile des Besitz-Personengesellschafters an einer Kapitalgesellschaft, die mit der Betriebsgesellschaft in einer für diese vorteilhaften und nicht nur kurzfristigen Geschäftsbeziehung steht, notwendiges Sonderbetriebsvermögen II des Besitz-Personengesellschafters sind. "Denn auch solche Beteiligungen sichern über das Ergebnis der Betriebsgesellschaft letztlich den Geschäftserfolg der Besitzgesellschaft. Damit stärken sie zugleich die Beteiligung des Besitzgesellschafters. Diese Wirkung ist nicht lediglich ein Reflex der Beteiligung an dem Geschäftspartner der Betriebsgesellschaft, sondern deren zwangsläufige und beabsichtigte Folge."

c) Nach diesen Maßstäben hat das FG zu Recht erkannt, dass keine ernstlichen Zweifel daran bestehen, dass die Beteiligung des Antragstellers an der A-Holding zum notwendigen Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens gehört und der Erlös aus der Veräußerung der Beteiligung deshalb in die Gewinnermittlung des Einzelunternehmens einzubeziehen ist. Die durch die A-Holding zu 100 % beherrschte A-Inc. war im Streitjahr nach den Feststellungen des FG mit ca. 19 % des Umsatzes der größte Kunde der A-GmbH und trug so zum Betriebsergebnis der A-GmbH wesentlich bei. Durch die Einschaltung der in derselben Branche tätigen A-Inc. konnte die A-GmbH ihre Produkte im US-amerikanischen Markt platzieren und musste zudem keine Konkurrenzsituation oder den Verlust von Know-how befürchten. So führte die durch die A-Holding vermittelte mittelbare Beteiligung des Antragstellers an der A-Inc. für die A-GmbH als Betriebsgesellschaft zu einer wesentlichen Steigerung der Umsätze und Erträge. Dies bewirkte zwangsläufig auch eine Verbesserung der Vermögens- und Ertragslage des Besitzunternehmens. Die gesteigerten Erträge der Betriebsgesellschaft garantierten zum einen die ungefährdete Realisierung der von Letzterer an das Besitzunternehmen zu zahlenden Pachtzinsen. Darüber hinaus führten die höheren Gewinne der Betriebsgesellschaft im Hinblick darauf, dass die Anteile des Antragstellers an der Betriebsgesellschaft nach ständiger Rechtsprechung des BFH zum notwendigen Betriebsvermögen seines Besitzunternehmens gehörten (vgl. z.B. Urteil vom 14. September 1999 III R 47/98, BFHE 190, 315, BStBl II 2000, 255, unter II. 1.), dazu, dass diese Gewinne, soweit sie an den Antragsteller ausgeschüttet wurden, dessen Betriebseinnahmen im Besitzunternehmen erhöhten (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 190, 315, BStBl II 2000, 255, 257) und soweit sie in der Betriebs-GmbH thesauriert wurden, den Wert der (im Besitzunternehmen gehaltenen) Beteiligung an der A-GmbH steigerten oder wenigstens sicherten.

d) Nicht nur eine unmittelbar vom Besitzunternehmer gehaltene Beteiligungsgesellschaft kann die Betriebsgesellschaft und damit ―nach Maßgabe des Vorstehenden― das Besitzunternehmen fördern. Das FG hat zu Recht erkannt, dass die "funktionale Widmung" der A-Inc. nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass der Antragsteller die A-Holding zwischengeschaltet hat, mithin "auch die durch eine unmittelbare Beteiligung gehaltene weitere ―aus der Perspektive des Unternehmers sodann mittelbare― Beteiligung in die Beurteilung eines hinreichend konkreten Funktionszusammenhangs einzubeziehen" ist. Entscheidend sei hier nicht der satzungsmäßige Geschäftszweck der Zwischengesellschaft, sondern deren "Instrumentalisierung" für die gewerblichen Zwecke des Unternehmers.

Auf einer vergleichbaren gedanklichen Grundlage hat der erkennende Senat unter Bezugnahme auf die langjährige Rechtsprechung des BFH entschieden, dass die Fähigkeit der das Besitzunternehmen beherrschenden Personen, ihren geschäftlichen Betätigungswillen in der Betriebsgesellschaft durchzusetzen, nicht notwendig einen bestimmten Anteilsbesitz an der Betriebsgesellschaft erfordert, dass mithin der oder die Inhaber des Besitzunternehmens nicht unmittelbar an dem Betriebsunternehmen beteiligt sein müssen (Senatsurteil vom 28. November 2001 X R 50/97, BFHE 197, 254, BStBl II 2002, 363, m.w.N.). Solches ist insbesondere angenommen worden, wenn die Personen, die die Geschicke des verpachtenden Besitzunternehmens bestimmen, in der Lage sind, über eine zwischengeschaltete rechtsfähige Körperschaft bei dem Betriebsunternehmen ihren Willen hinsichtlich aller wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen durchzusetzen (BFH-Urteil vom 16. Juni 1982 I R 118/80, BFHE 136, 287, BStBl II 1982, 662).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1422020

BFH/NV 2005, 2117

BStBl II 2005, 833

BFHE 2006, 434

BFHE 210, 434

BB 2005, 2295

DB 2005, 2273

DB 2007, 7

DStRE 2005, 1369

DStZ 2005, 725

HFR 2005, 1155

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge