Entscheidungsstichwort (Thema)

Statthaftigkeit von Beschwerden; Bekanntgabe des Termins für eine Außenprüfung als gesonderter Verwaltungsakt; geschäftsplanmäßige Überbesetzung eines FG-Senats

 

Leitsatz (NV)

1. Hat das FG einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung durch Beschluß zurückgewiesen, so steht den Beteiligten gegen diesen Beschluß die Beschwerde zu, wenn sie vom FG ausdrücklich zugelassen wurde; ausnahmsweise kann die Beschwerde auch statthaft sein, wenn die Entscheidung des FG wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit jeglicher Grundlage entbehrt.

2. Die Anordnung einer Außenprüfung einerseits und die Bekanntgabe des Prüfungstermins und des Namens des Prüfers andererseits sind gesonderte Verwaltungsakte. Mit einem Rechtsbehelf gegen den den Prüfungsbeginn und den Namen des Prüfers bekanntgebenden Verwaltungsakt kann der Betroffene nur Einwendungen erheben, die den Regelungsinhalt dieses Verwaltungsakts betreffen.

3. Eine greifbare Gesetzwidrigkeit ist nicht darin zu sehen, daß bei einem Senat des FG eine geschäftsplanmäßige Überbesetzung mit vier Berufsrichtern besteht.

 

Normenkette

BFHEntlG Art. 1 Nr. 3; AO § 197 Abs. 1 S. 1; FGO § 4; GVG § 21g

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Beschwerdeführer) ist selbständig tätiger Rechtsanwalt in A. Das Finanzamt (FA) A hat mit Verfügung vom 16. Februar 1990, die an den Beschwerdeführer gerichtet war, gemäß § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) eine Außenprüfung angeordnet und als Prüfungsgebiete bzw. Prüfungszeiträume die Umsatzsteuer 1986 bis 1988, die Einkommensteuer 1986 bis 1988 und die Vermögensteuer 1986 bis 1988 festgelegt. Gemäß § 195 Satz 2 AO 1977 hat es das FA B (Antragsgegner und Beschwerdegegner) mit der Durchführung der Außenprüfung beauftragt. Das beauftragte FA B hat nach erfolglosem Versuch einer telefonischen Terminabsprache mit Verfügung vom 22. März 1990 dem Beschwerdeführer den Prüfungsbeginn mit dem 26. April 1990 bekanntgegeben und den vorgesehenen Prüfer namentlich benannt (Zustellung durch Postzustellungsurkunde - PZU -).

Mit Schreiben vom 29. März 1990 an den Vorsteher des FA A ersuchte der Beschwerdeführer denselben, dafür Sorge zu tragen, daß die urlaubsbedingte Abwesenheit des Beschwerdeführers bis Ende April 1990 vom FA beachtet werde. Außerdem legte der Beschwerdeführer beim FA B gegen die Verfügung vom 22. März 1990 den ,,zulässigen Rechtsbehelf" ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung der angegriffenen Verfügung. Das FA B hob mit Verfügung vom 2. Mai 1990 den festgesetzten Termin des Außenprüfungsbeginns (26. April 1990) auf und setzte als neuen Termin des Prüfungsbeginns den 20. Juni 1990 fest (Zustellung durch PZU).

Auf ein neuerliches Auskunftersuchen des Beschwerdeführers hin fragte das FA B am 14. Mai 1990 beim Beschwerdeführer an, ob er den Rechtsbehelf gegen die ursprüngliche Terminsanordnung vom 22. März 1990 noch aufrecht erhalte, da diese mit der geänderten Terminsanordnung aufgehoben worden sei. Mit Schreiben vom 22. Mai 1990 (= Telefax vom 23. Mai 1990) teilte der Beschwerdeführer mit, daß sich ,,die Terminierung 26. 4. 1990 erledigt habe"; zum anderen wurde gegen die Verfügung vom 2. Mai 1990 (Terminsbestimmung auf den 20. Juni 1990) wiederum der ,,zulässige Rechtsbehelf" eingelegt und zugleich Aussetzung der Vollziehung der Verfügung vom 2. Mai 1990 beantragt. Zur Begründung verwies der Beschwerdeführer auf seine ,,mehr als 100 anhängigen Klageverfahren", auf deren Akteninhalt er Bezug nahm.

Mit Verfügung vom 6. Juni 1990 erließ das FA A eine neue an den Beschwerdeführer gerichtete Prüfungsanordnung; sie entsprach inhaltlich derjenigen vom 16. Februar 1990. Daraufhin hob das FA B mit Verfügung vom 15. Juni 1990 die auf die ursprüngliche Prüfungsanordnung vom 16. Februar 1990 gestützte Anordnung über den Prüfungsbeginn vom 2. Mai 1990 (Beginn: 20. Juni 1990) auf und teilte dem Beschwerdeführer weiter mit, ein neuer Termin für den Beginn der Außenprüfung werde rechtzeitig mitgeteilt werden.

Mit Schreiben vom 18. Juni 1990 ersuchte der Beschwerdeführer das FA B um ,,förmliche Bescheidung zu sämtlichen sich aus ihren Verfügungen vom 22. März, 2. Mai und 14. Mai 1990 ergebenden vollziehbaren Verfügungen" und forderte eine Verbescheidung noch am selben Tage ein.

Mit Schreiben vom selben Tage stellte der Beschwerdeführer beim Finanzgericht (FG) den Antrag, das angerufene Gericht möge gemäß § 69 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Vollziehung der sich aus den Bescheiden des FA B ergebenden vollziehbaren Verwaltungsakte betr. die Anordnung bzw. die Anordnung der Duldung einer Betriebsprüfung aufgrund der Prüfungsanordnung vom 16. Februar 1990 aussetzen. In der Begründung wird vorgetragen, daß die Prüfungsanordnung des FA A ihm nicht bekanntgegeben worden sei und daß die vom FA B erlassenen Terminsanordnungen vom 22. März und 2. Mai 1990 aufgrund Nichterfüllung gesetzlicher Formvorschriften nicht rechtmäßig seien. Die Verfügung vom 14. Mai 1990 lasse erkennen, daß das FA B trotz der verfügten Terminsaufhebung an seinem Prüfungsverlangen festhalte; damit sei seinen Rechtsbehelfen nicht abgeholfen worden.

Das FG hat den Antrag des Beschwerdeführers durch Beschluß vom 20. August 1990 als unzulässig zurückgewiesen. Sämtliche Terminsbestimmungen des FA B stellten keine vollziehbaren Verwaltungsakte dar; entweder hätten sie sich durch Zeitablauf erledigt oder seien vom FA B ausdrücklich aufgehoben worden. Die vom FA A erlassene Prüfungsanordnung vom 16. Februar 1990 sei nicht Gegenstand des Verfahrens. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) lägen nicht vor. Der Beschluß sei mithin unanfechtbar.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig.

Das FG hat durch Beschluß vom 20. August 1990 den auf § 69 Abs. 3 FGO gestützten Antrag des Beschwerdeführers als unzulässig zurückgewiesen. Gegen solche Entscheidungen des FG steht dem Beteiligten die Beschwerde nur zu, wenn sie im finanzgerichtlichen Beschluß zugelassen worden ist. Das FG hat es ausdrücklich verneint, daß die Zulassungsvoraussetzungen gegeben seien und seine Entscheidung für unanfechtbar erklärt. Damit ist dem Beschwerdeführer grundsätzlich die Anrufung des Bundesfinanzhofs (BFH) verschlossen, denn ein Rechtsmittel ist nicht mehr gegeben (vgl. zuletzt BFH-Beschluß vom 24. Januar 1989 IV B 174/88, BFH/NV 1990, 251). Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) bestehen gegen diese Regelung keine verfassungsmäßigen Bedenken (Beschluß vom 6. Oktober 1977 2 BvR 502/77, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Gesetz zur Entlastung des Bundesfinanzhofs, Rechtsspruch 39). Einer Auslegung als Beschwerde wegen Nichtzulassung der Beschwerde gegen den Ablehnungsbeschluß des FG, die ebenfalls unzulässig wäre, stehen im Streitfall die Anträge des Beschwerdeführers entgegen; ihnen zufolge begehrt der Beschwerdeführer nicht die Zulassung der Beschwerde, sondern strebt die sachliche Überprüfung der finanzgerichtlichen Entscheidung durch das angerufene Gericht an.

Die Beschwerde ist auch nicht wegen des Ausnahmefalls greifbarer Gesetzeswidrigkeit infolge Fehlens jeglicher Grundlage für die angefochtene Entscheidung statthaft. Das FG hat zutreffend entschieden, daß der Beschwerdeführer durch die angegriffenen Verwaltungsakte nicht beschwert ist, da ein Rechtsschutzbedürfnis für die von ihm gestellten Anträge schon im Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr gegeben war. Die Absicht des zuständigen FA A, beim Beschwerdeführer eine Außenprüfung durchzuführen, trat im Erlaß der Prüfungsanordnung vom 16. Februar 1990 hervor. Es konnte nach § 195 Satz 2 AO 1977 das FA B mit der Durchführung der Außenprüfung beauftragen (BFH-Urteil vom 10. Dezember 1987 IV R 77/86, BFHE 152, 24, BStBl II 1988, 322). Da es diesem nicht den Erlaß der Prüfungsanordnung überlassen hatte, verblieb diesem noch die sich aus § 197 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 ergebende Aufgabe, dem Beschwerdeführer den voraussichtlichen Prüfungsbeginn und den Namen des Prüfers mitzuteilen. Dies ist erstmalig durch die Verfügung des FA B vom 22. März 1990 sowie aufgrund des vom Beschwerdeführer geäußerten Verlegungswunsches erneut mit Verfügung vom 2. Mai 1990 geschehen.

Die Prüfungsanordnung einerseits und die Bekanntgabe des Prüfungsbeginns und des Namens des Prüfers andererseits sind gesonderte Verwaltungsakte (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1986 I R 49/83, BFHE 149, 104, BStBl II 1987, 408) mit der Maßgabe, daß der Verwaltungsakt der Bekanntgabe akzessorischer Natur ist. Mit der Ersetzung der Prüfungsanordnung vom 16. Februar 1990 durch diejenige vom 6. Juni 1990 war den sich auf die Prüfungsanordnung vom 16. Februar 1990 beziehenden Bekanntgabeverfügungen des beauftragten FA B die Grundlage entzogen. Dieses FA hat folgerichtig die zu diesem Zeitpunkt (15. Juni 1990) noch maßgebliche Bekanntgabeverfügung über den Prüfungsbeginn vom 2. Mai 1990 (Prüfungsbeginn: 20. Juni 1990) aufgehoben.

Das FA A hat am 6. Juni 1990 erneut eine auf § 193 Abs. 1 AO 1977 gestützte Prüfungsanordnung erlassen. Unabhängig von der Frage, ob diese Prüfungsanordnung, die nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist, bestandskräftig ist oder nicht, verbliebe dem FA B (dem Beschwerdegegner) als dem nach § 195 Satz 2 AO 1977 beauftragten FA erneut die rechtliche Pflicht, dem Beschwerdeführer nach § 197 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 den voraussichtlichen Prüfungsbeginn und den Namen des Prüfers bekanntzugeben. Ob eine Außenprüfung beim Beschwerdeführer rechtens ist oder nicht, wäre im Verfahren betr. die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts vom 6. Juni 1990 zu klären. Die Rechtmäßigkeit der Außenprüfung ist jedenfalls nicht Gegenstand des akzessorischen Bekanntgabeakts des voraussichtlichen Prüfungsbeginns und des Prüfernamens. In bezug auf diesen akzessorischen Verwaltungsakt kann der Betroffene nur Einwendungen erheben, die den Regelungsinhalt dieses Verwaltungsakts betreffen, sich also beispielsweise gegen den angesetzten Termin des Prüfungsbeginns mit sachlich begründeten Argumenten wenden. Das beauftragte FA B hatte also keine Veranlassung, angesichts dieser eindeutigen Rechtslage sich zur Anordnung der Außenprüfung zu äußern. Dieser den Beschwerdeführer sachlich berührende Verwaltungsakt ist vom zuständigen FA A erlassen worden. Die Ankündigung des beauftragten FA B, es werde dem Beschwerdeführer demnächst zu der ergangenen Prüfungsanordnung vom 6. Juni 1990 den voraussichtlichen Prüfungsbeginn mitteilen, führt zu keiner Beschwer des Beschwerdeführers. Sie könnte nur in dem angesetzten Termin oder in der Person des Prüfers liegen.

Damit ergibt sich, daß die ursprüngliche Prüfungsanordnung des FA A vom 16. Februar 1990 und die darauf aufbauende, am 15. Juni 1990 noch maßgebliche Bekanntgabeverfügung des beauftragten FA B vom 2. Mai 1990 durch Aufhebung gegenstandslos geworden sind und daher den Beschwerdeführer nicht mehr beschweren. Entgegen den eingehenden Ausführungen des Beschwerdeführers ist eine Beschwer nicht darin zu sehen, daß sich das FA B den Aufforderungen des Beschwerdeführers zur Erläuterung der Rechtslage versagt hat, die sich jedem mit den Grundlagen des Verwaltungsrechts Vertrauen ohne weiteres erschließt. Des weiteren ist festzustellen, daß das FA B aufgrund der neuerlichen Prüfungsanordnung des FA A vom 6. Juni 1990 noch keine auf § 197 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 gestützte Bekanntgabeverfügung erlassen hat, somit noch keine Beschwer bezüglich Termin oder Person des Prüfers sichtbar geworden ist.

Eine greifbare Gesetzeswidrigkeit ist auch nicht darin zu sehen, daß beim FG eine geschäftsplanmäßige Überbesetzung des im Streitfall entscheidenden Senats mit vier Berufsrichtern bestand, von denen gemäß § 5 Abs. 3 FGO jeweils nur drei Richter an der Entscheidung mitwirken konnten. Die Verteilung der Geschäfte durch den Vorsitzenden nach § 4 FGO i. V. m. § 21 g des Gerichtsverfassungsgesetzes, wie sie im Falle der Überbesetzung erforderlich ist, unterliegt jedenfalls dann, wenn eine maßvolle Überbesetzung um nur einen Richter gegeben ist, keinen Bedenken (vgl. Tipke / Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 4 FGO, Rdnr. 14 m. w. N.). Jedenfalls liegt kein Fall greifbarer und nicht hinnehmbarer Gesetzwidrigkeit vor, wenn ein derartig überbesetzter Spruchkörper mit der sich daraus ergebenden personell unterschiedlichen Besetzung tätig wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417970

BFH/NV 1992, 509

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