Entscheidungsstichwort (Thema)

Verletzung des rechtlichen Gehörs als Verfahrensmangel

 

Leitsatz (NV)

Auf die Nichtberücksichtigung eines Schriftsatzes durch das FG kann die Zulassung der Revision nur dann gestützt werden, wenn feststeht, dass der Schriftsatz bei dem Gericht eingegangen ist.

 

Normenkette

GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3

 

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor.

Mit dem Vorbringen, das Finanzgericht (FG) habe den Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 7. Mai 2002 nicht berücksichtigt, rügen die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) inhaltlich eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes ―GG―) enthält auch eine Verpflichtung für das Gericht, Anträge und Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 96 Rz. 30, m.w.N.). Deshalb verletzt die Nichtbeachtung rechtzeitig (vor Verkündung oder Zustellung des Urteils) eingegangener Schriftsätze das rechtliche Gehör der betroffenen Beteiligten. Ein derartiger Verfahrensverstoß entfällt hier jedoch bereits deshalb, weil nicht feststeht, dass der Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 7. Mai 2002 bei dem FG eingegangen ist. In der dem Senat vorliegenden Klageakte des FG ist das Schreiben nicht enthalten. Vielmehr ist nach dem Akteninhalt alsbald nach Ablauf der vom Berichterstatter zusammen mit dem Aufklärungsschreiben vom 12. April 2002 verfügten Wiedervorlagefrist der Sitzungstermin anberaumt worden, ohne dass eine Antwort zu den Akten gelangt war. Zwar besteht kein Anlass zu bezweifeln, dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger das Schreiben tatsächlich gefertigt hat. Andererseits hat der Bevollmächtigte seinen Vortrag, er habe den Schriftsatz selbst in den Nachtbriefkasten des FG eingeworfen, nicht ―z.B. durch Vorlage seines Fristenkontrollbuchs oder Postausgangsbuchs― untermauert und glaubhaft gemacht. Insgesamt ist somit der Eingang des Schriftsatzes beim FG unerweislich gelieben. Art. 103 Abs. 1 GG ist jedoch nur dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht seiner Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs nicht nachgekommen ist (Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 4. Juli 1989 IX R 192/85, BFH/NV 1990, 229). Dies trifft wegen des ungeklärten Zugangs des Schreibens vom 7. Mai 2002 nicht zu.

Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs hat auch aus weiteren Gründen keinen Erfolg. Bezieht sich der (vermeintliche) Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs wie hier nur auf einzelne Feststellungen, muss der Beschwerdeführer schlüssig ausführen, inwiefern das angefochtene Urteil (auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des FG) auf dem Verfahrensmangel beruht, also ohne diesen möglicherweise anders ausgefallen wäre (z.B. BFH-Beschluss vom 25. Juni 2002 X B 199/01, BFH/NV 2002, 1332; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 49, § 119 Rz. 14). Entsprechende Darlegungen enthält die Beschwerdebegründung nicht, obwohl hierzu im Streitfall eine besondere Veranlassung bestand. Denn der Berichterstatter des FG hatte in der Aufklärungsverfügung vom 12. April 2002 (offensichtlich im Hinblick auf die Prüfung der Voraussetzungen einer Fahrtätigkeit) ausdrücklich danach gefragt, wie sich die Arbeitszeit des Klägers auf die Anwesenheit in der Einsatzzentrale und auf Fahrten mit dem Rettungswagen verteilte. Das nicht berücksichtigte Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 7. Mai 2002 geht auf diese Frage jedoch nicht ein, so dass das FG auch unter Berücksichtigung des Schriftsatzes möglicherweise zu einer klageabweisenden Entscheidung gelangt wäre.

 

Fundstellen

Haufe-Index 958729

BFH/NV 2003, 1208

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