Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Beschwerde; Gegenvorstellung gegen Kostenansatz

 

Leitsatz (NV)

1. Wer eine Rechtsmittelbelehrung unbeachtet läßt und deshalb entgegen dem für Verfahren vor dem BFH bestehenden Vertretungszwang gleichwohl persönlich eine Nichtzulassungsbeschwerde einlegt, handelt nicht aus unverschuldeter Unkenntnis, die Anlaß geben könnte, von der Erhebung von Kosten nach § 8 Abs. 1 Satz 3 GKG abzu sehen.

2. Können Beschlüsse von Gesetzes wegen nicht mit der Beschwerde angefochten werden, wie dies in Kostensachen im finanz gerichtlichen Verfahren der Fall ist, ist die Gegenvorstellung grundsätzlich -- subsidiär -- statthaft. Nach ständiger Rechtsprechung ist jedoch im Verfahren über den Kostenansatz eine Abänderung der rechtskräftigen Kostenentscheidung der zugrundeliegenden Entscheidung nicht zulässig.

 

Normenkette

BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; FGO § 128 Abs. 4; GKG § 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Sätze 2-3, § 8 Abs. 1 S. 3

 

Tatbestand

Mit Beschluß vom 30. Januar 1996 VIII E 1/96 (BFH/NV 1996, 575) hat der erkennende Senat die Erinnerung des Erinnerungsführers und Antragstellers (Antragsteller) gegen den Kostenansatz für das Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluß legte der Antragsteller mit Schreiben vom 17. Februar 1997 "Erinnerung" ein. Er führt u. a. aus, ihm stehe gemäß § 5 Abs. 6 des Gerichtskostengesetzes (GKG) Gebührenfreiheit zu. Unter Bezugnahme auf die Ausführungen in anderen Beschwerdeverfahren (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 14. August 1995 VII B 142/95, BFH/NV 1996, 242; vom 1. Oktober 1996 VII B 142/96, BFH/NV 1997, 374, sowie einen Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 13. Januar 1997 1 ZBR 175/95, NV) behauptet der Antragsteller, es liege eine "greifbare Gesetzwidrigkeit" vor. Nach Art, Inhalt, Zuständigkeit oder Verfahren sei i. S. dieser Rechtsprechung (BFH-Beschluß vom 22. Dezember 1994 V B 16/94, BFH/NV 1995, 721) im Gesetz nicht vorgesehen, ihm die Gerichtskosten aufzubürden.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat behandelt die Eingabe als einen Antrag im Rahmen einer Gegenvorstellung. Unbeschadet ihrer Zulässigkeit ist sie jedenfalls unbegründet.

1. Der Antragsteller hat die Eingabe zwar als "Erinnerung" bezeichnet und nicht als Gegenvorstellung. Gleichwohl geht der erkennende Senat davon aus, daß er eine Gegenvorstellung erheben wollte, weil sie abstrakt gesehen die einzige Möglichkeit darstellt, eine Überprüfung zu erreichen (vgl. auch Beschluß des erkennenden Senats vom 30. Januar 1990 VIII S 15/89, BFH/NV 1990, 719).

Von Gesetzes wegen besteht keine Möglichkeit, eine "weitere Erinnerung" gegen einen Kostenansatz einzulegen, wenn über die erste Erinnerung rechtskräftig entschieden worden ist (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 GKG). Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 GKG ist eine Beschwerde ausgeschlossen, wenn die Kosten bei dem Rechtsmittelgericht angesetzt worden sind. Überdies findet nach § 5 Abs. 2 Satz 3 1. Halbsatz GKG eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes nicht statt (vgl. auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., Vor § 135 FGO Rz. 16).

Die Rechtsprechung läßt in engen Ausnahmefällen gegen einen kraft Gesetzes unanfechtbaren Beschluß (vgl. dazu auch § 128 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) eine "außerordentliche Beschwerde" zu, wenn der angefochtene Beschluß unter schwerwiegender Verletzung von Verfahrensvorschriften zustandegekommen ist oder auf einer Gesetzesauslegung beruht, die offensichtlich dem Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes widerspricht und die eine Gesetzesanwendung zur Folge hat, die durch das Gesetz ersichtlich ausgeschlossen ist (vgl. BFH-Beschluß vom 22. November 1994 VII B 144/94, BFH/NV 1995, 791, m. w. N.).

Derartig schwerwiegende Gründe hat der Antragsteller indessen nicht einmal angedeutet, geschweige denn substantiiert geltend gemacht. Durch den angegriffenen Beschluß sind dem Antragsteller gemäß § 5 Abs. 6 Satz 1 GKG keine Kosten auferlegt worden.

Die vom Senat mit Beschluß in BFH/NV 1996, 575 zurückgewiesene Erinnerung des Antragstellers hatte im übrigen keine kostenrechtlichen Einwendungen zum Gegenstand, sondern zielte allein auf eine Abänderung der rechtskräftigen Kostenentscheidung des dem Kostenansatz zugrundeliegenden Beschlusses ab, mit welchem der erkennende Senat die -- entgegen der Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Urteil des Finanzgerichts (FG) -- persönlich eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision als unzulässig verworfen hat. Unter diesen Umständen bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß der vorgenannte Beschluß in BFH/NV 1996, 575 i. S. von § 8 Abs. 1 Satz 3 GKG auf einer unverschuldeten Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse seitens des Antragstellers beruhte, so daß von der Erhebung von Kosten hätte abgesehen werden können. Wer eine Rechtsmittelbelehrung schlicht unbeachtet läßt und deshalb entgegen dem bei Verfahren vor dem BFH gemäß Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) bestehenden Vertretungszwang gleichwohl persönlich Nichtzulassungsbeschwerde erhebt, handelt nicht aus unverschuldeter Unkenntnis.

2. Der erkennende Senat läßt dahingestellt, ob die als Gegenvorstellung zu behandelnde Eingabe des Antragstellers zulässig ist. Jedenfalls kann sie in der Sache keinen Erfolg haben.

a) Die FGO -- ebenso wie die anderen Verfahrensgesetze -- sehen den Rechtsbehelf der Gegenvorstellung nicht vor. Rechtsprechung und Schrifttum anerkennen allerdings, daß eine Gegenvorstellung in bestimmten Ausnahmefällen zu einer Änderung formell rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidungen führen kann. Allerdings setzt das grundsätzlich voraus, daß das Gericht rechtlich befugt ist, seine Entscheidung abzuändern (BFH-Beschluß vom 19. Juni 1979 VII R 79-80/78, BFHE 128, 32, BStBl II 1979, 574).

An dieser Voraussetzung fehlt es nicht nur bei gerichtlichen Entscheidungen, die in materielle Rechtskraft erwachsen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 22. Januar 1996 XI S 31-38/95, BFH/NV 1996, 560, m. w. N.; vom 1. August 1996 XI S 35-42/96, BFH/NV 1997, 132, betreffend Nichtzulassungsbeschwerde, da Entscheidungen ebenfalls materiell rechtskräftig werden und deshalb weder abänderbar noch aufhebbar sind; ebenfalls Beschlüsse vom 14. Februar 1995 IV R 88/93, IV B 44/94, BFH/NV 1995, 901, m. w. N.; vom 10. Januar 1995 VII R 85/93 und VII B 226/93, BFH/NV 1995, 804, m. w. N., betreffend Gegenvorstellung gegen die Revision als unzulässig verwerfenden und die Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurückweisenden Beschluß), sondern auch bei unanfechtbaren Beschlüssen des Beschwerdegerichts, die aufgrund einer befristeten Beschwerde ergangen sind (vgl. BFH-Beschlüsse vom 21. Dezember 1992 XI S 16/92 und XI S 17/92, BFH/NV 1993, 485; vom 9. Mai 1990 VIII S 8-10/90, BFH/NV 1991, 463).

Es kann insoweit dahingestellt bleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen auch in diesen Fällen gleichwohl ausnahmsweise eine Gegenvorstellung eröffnet sein kann, insbesondere bei schwerwiegenden Grundrechtsverstößen wie der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes -- GG --), des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) oder wenn die angegriffene Entscheidung jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt (Art. 3 Abs. 3 GG, vgl. BFH-Beschluß vom 22. Februar 1994 V B 168/93, BFH/NV 1995, 916; BFH/NV 1996, 560; BFH/NV 1997, 132; ferner Nichtannahmebeschluß des Bundesverfassungsgerichts -- BVerfG -- vom 10. Januar 1997 1 BvR 1694/96, wonach mangels derartiger Verstöße keine Gegenvorstellung gegen einen die Nichtzulassungsbeschwerde zurückweisenden Beschluß des BFH eröffnet sei).

Können Beschlüsse von Gesetzes wegen freilich nicht mit der Beschwerde angefochten werden, wie dies in Kostensachen im finanzgerichtlichen Verfahren der Fall ist, wird die Gegenvorstellung grundsätzlich als -- subsidiär -- statthaft erachtet (vgl. ausführlich Meyer-Ladewig, in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, Vorbemerkung § 124 Rz. 16f., m. umf. N.; ferner BFH-Beschlüsse vom 12. Oktober 1994 II B 57/94, BFH/NV 1995, 333; vom 30. Juni 1993 XI S 7/93, BFH/NV 1993, 751, wonach ein im Rahmen einer Gegenvorstellung gestellter Antrag auf Abänderung einer ablehnenden Entscheidung grundsätzlich statthaft ist; ferner BFH/NV 1996, 560; BFH/NV 1997, 132, wonach sogar eine Gegenvorstellung gegen die Beschwerdeentscheidung in Sachen der Anordnung zur Bestellung eines Bevollmächtigten und gegen den die Prozeßkostenhilfe -- PKH -- ablehnenden Beschluß als statthaft angesehen wird, da diese Entscheidungen nur in formelle Rechtskraft erwüchsen; BFH-Beschluß vom 29. Juli 1996 XI S 45/96, BFH/NV 1996, 927, wonach die Gegenvorstellung gegen Streitwertfestsetzungen im Hinblick auf § 25 Abs. 2 Satz 2 und 3 GKG als statthaft angesehen wird, diese jedoch auf sechs Monate kraft Gesetzes befristet sei; anders BFH- Beschluß vom 6. August 1996 VII S 7/96, BFH/NV 1997, 135, m. w. N., betreffend Gegenvorstellung gegen ablehnenden PKH-Beschluß).

b) Die formlose Gegenvorstellung ist nicht befristet. Der Senat läßt allerdings offen, ob eine Gegenvorstellung in zeitlicher Hinsicht keinerlei Grenzen unterliegt und ob hier der Rechtsbehelf nicht bereits wegen prozessualer Verwirkung unzulässig sein könnte. Der Antragsteller hat gegen den die Erinnerung zurückweisenden Beschluß des erkennenden Senats in BFH/NV 1996, 575 erstmals mit dem am 18. Februar 1997 eingegangenen Schreiben Bedenken erhoben.

Der Gesetzgeber hat in verschiedenen Verfahrensvorschriften (vgl. §§ 55 Abs. 2 Satz 1, 56 Abs. 3 FGO) mit der Jahresfrist einen sachgerechten zeitlichen Anhaltspunkt gegeben (vgl. auch Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 47 FGO Rz. 68, mit umfassenden Nachweisen der Rechtsprechung).

Da die Gegenvorstellung eine Entscheidung betrifft, die in einem Verfahren ergangen ist, für welches kein Vertretungszwang besteht (vgl. § 5 Abs. 3 GKG; BFH/NV 1996, 575), kann der Antragsteller auch die Gegenvorstellung persönlich einlegen (vgl. BFH-Beschluß vom 27. Juni 1996 IX S 3/96, BFH/NV 1996, 926, m. w. N.).

c) Der Senat läßt ferner offen, ob die Statthaftigkeit der Gegenvorstellung nicht zumindest ein Minimum eines substantiierten Vortrags voraussetzt. Jeder Rechtsbehelf muß unbeschadet weitergehender gesetzlicher Begründungsanforderungen zumindest erkennen lassen, daß und wodurch sich der Rechtsbehelfsführer beschwert fühlt (vgl. zur Notwendigkeit eines substantiierten Vortrags der Voraussetzungen der Gegenvorstellung BFH-Beschlüsse vom 19. März 1996 VII B 230/95, BFH/NV 1996, 631; vom 27. Juli 1993 VII S 6/93, BFH/NV 1994, 250; Tipke/Kruse, a. a. O., Vor § 135 FGO Rz. 15, m. w. N.).

Jedenfalls ist weder die angegriffene Entscheidung des erkennenden Senats in BFH/NV 1996, 575 sachlich zu beanstanden noch bietet das Vorbringen des Antragstellers irgendeinen Anhaltspunkt für einen Rechtsfehler.

Dem Antragsteller sind gemäß § 5 Abs. 6 Satz 1 GKG für das Erinnerungsverfahren keine Gebühren auferlegt worden. Die vom Antragsteller für die abstrakte Behauptung einer "greifbaren Gesetzwidrigkeit" angezogenen Entscheidungen betreffen offensichtlich nicht vergleichbare Sachverhalte. In den Beschwerdeentscheidungen des BFH vom 1. Oktober 1996 VII B 143/96 (NV) ebenfalls in BFH/NV 1996, 242 geht es um Kosten unzulässiger und unstatthafter Beschwerdeverfahren gegen Kostenansätze eines FG.

Der Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 13. Januar 1997 1 ZBR 175/95 betrifft die fehlende Befugnis zur Abänderung einer Geschäftswertfestsetzung auf Gegenvorstellung nach § 30 Abs. 1 Satz 3 der Kostenordnung, weil die Entscheidung in der Hauptsache bereits seit mehr als sechs Monaten rechtskräftig war.

Im Kern erhebt der Antragsteller ohnehin unverändert -- wie schon im Erinnerungsverfahren -- allein Einwendungen gegen die dem Kostenansatz zugrundeliegende Kostenentscheidung in dem die Revision des Antragstellers als unzulässig verwerfenden Beschluß des erkennenden Senats vom 28. September 1995 VIII R 51/95 BFH/NV 1996, 246.

Nach ständiger Rechtsprechung ist im Verfahren über den Kostenansatz indessen eine Abänderung der rechtskräftigen Kostenentscheidung der zugrundeliegenden Entscheidung nicht zulässig (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1996, 926; vom 13. Januar 1994 VII E 20/93, BFH/NV 1994, 733; vom 9. Februar 1989 VIII E 1/88, BFH/NV 1990, 385; vom 27. März 1986 I E 1/86, BFH/NV 1986, 483, zur Unstatthaftigkeit einer Gegenvorstellung gegen die Kostenentscheidung eines die Revision als unzulässig verwerfenden Beschlusses).

Im übrigen hat der ordnungsgemäß durch Rechtsmittelbelehrung über die Notwendigkeit in Kenntnis gesetzte Antragsteller, sich im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BFH vertreten lassen zu müssen, gleichwohl die Nichtzulassungsbeschwerde persönlich eingelegt. Die zu seinen Lasten kraft Gesetzes nach § 135 Abs. 2 FGO ergangene Kostenentscheidung läßt weder einen Rechtsfehler erkennen (vgl. auch BFH-Beschluß vom 30. Januar 1990 VIII S 15/89, BFH/NV 1990, 719) noch sind Anhaltspunkte -- wie bereits erwähnt -- für eine unverschuldete Rechtsunkenntnis des Antragstellers i. S. von § 8 Abs. 1 Satz 3 GKG erkennbar.

Gegen den Kostenansatz selbst erhebt der Antragsteller keine Einwendungen. Dieser läßt, wie in der Entscheidung über die Erinnerung bereits ausgeführt, auch keinerlei Rechtsfehler erkennen.

Danach war die Gegenvorstellung jedenfalls als unbegründet zurückzuweisen.

d) Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, da es insoweit für das insgesamt gesetzlich nicht geregelte Verfahren der Gegenvorstellung an einer Rechtsgrundlage fehlt (vgl. BFH-Beschluß vom 27. Dezember 1994 X B 124/93, BFH/NV 1995, 534).

 

Fundstellen

Haufe-Index 422210

BFH/NV 1997, 697

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