Entscheidungsstichwort (Thema)

Auflösung eines Rechnungsabgrenzungspostens für im voraus gezahlte Erbbauzinsen

 

Leitsatz (NV)

Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, daß ein für im Voraus gezahlte Erbbauzinsen gebildeter Rechnungsabgrenzungsposten nicht degressiv aufgelöst werden darf.

 

Normenkette

EStG § 5 Abs. 5

 

Verfahrensgang

FG Hamburg

 

Tatbestand

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist eine KG, deren Gegenstand die Bebauung und Bewirtschaftung eines Grundstückskomplexes (Erbbaurechtes) ist.

Die Antragstellerin erwarb durch notariellen Vertrag vom 2. Dezember 1982 das Erbbaurecht an den eingangs genannten Grundstücken. Die Gegenleistung für die Bestellung des Erbbaurechts betrug insgesamt . . . DM. Es war zunächst vereinbart, daß . . . DM als einmalige Entschädigung innerhalb von vier Wochen nach Abschluß des Vertrages gezahlt werden sollten. Bezüglich des weiteren Betrages i. H. von . . . DM war ein laufender Erbbauzins in Höhe von 6,5 v. H. dieses Betrages jährlich, das sind . . . DM, zu entrichten. Durch einen weiteren Vertrag vom August 1983 wurde diese Regelung dahingehend abgeändert, daß die Gegenleistung für die Bestellung des Erbbauzinses insgesamt . . . als Einmalvergütung zu entrichten war. Die vertraglich vereinbarte Laufzeit des Erbbaurechts beträgt 75 Jahre.

Die Antragstellerin aktivierte einen Betrag in Höhe der für die Bestellung des Erbbaurechts geleisteten Einmalentschädigung von insgesamt . . . DM als Rechnungsabgrenzungsposten. Diesen Rechnungsabgrenzungsposten löste sie in der Weise auf, daß sie in ihren jährlichen Bilanzen den jeweiligen Restbetrag um 6 v. H. minderte. Demgemäß ermittelte die Antragstellerin für das Streitjahr 1988 einen Auflösungsbetrag in Höhe von . . . DM, der Bestandteil des von ihr erklärten Jahresverlustes war.

Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) folgte dem nicht und minderte den geltend gemachten Verlust bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen um einen Betrag in Höhe von . . . DM. Die Abweichung von der Erklärung begründete das FA damit, daß nach seiner Ansicht der Betrag, mit dem der Rechnungsabgrenzungsposten jährlich aufzulösen sei, linear mit 1/75 der Einmalentschädigung, also mit . . . DM angesetzt werden müsse.

Gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 1988 legte die Klägerin Einspruch ein, über den noch nicht entschieden ist. Gleichzeitig beantragte sie, nachdem ein beim FA gestellter Antrag erfolglos geblieben war, beim Finanzgericht (FG) Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich des streitigen Differenzbetrages. Zur Begründung machte sie geltend, die Auflösung des Rechnungsabgrenzungspostens sei so vorzunehmen, daß sie zur periodengerechten Erfassung des Jahresaufwandes führe. Die Summe des in einem Betrag vorausgezahlten Entgeltes ergebe sich aus der Addition der einzelnen Jahresbeträge unter Berücksichtigung der Abzinsung. Dies bedeute, vereinfacht ausgedrückt, daß der erste Jahresbetrag in voller Höhe, die Beträge der folgenden Jahre jeweils entsprechend abgezinst, addiert werden müßten. Der letzte Betrag dieser gedachten Reihe liege bei Ansatz eines Abzinsungssatzes von 6 v. H., wie er vorliegend zugrunde gelegt worden sei, bei null DM. Die vom FA für richtig gehaltene lineare Auflösung hingegen ordne den ersten Geschäftsjahren zu wenig Aufwand zu, womit sie gegen das handelsrechtliche Realisationsprinzip verstoße. Denn insoweit würden (Zins-) Gewinne bereits in den Anfangsjahren ausgewiesen, die erst später realisiert würden.

Das FG gab dem Antrag statt. Es leitete ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes daraus her, daß eine höchstrichterliche Entscheidung zu der zwischen den Beteiligten allein streitigen Frage, nach welcher Methode ein aktiver Rechnungsabgrenzungsposten bei vorausgezahlten Erbbauzinsen aufzulösen sei, nicht vorliege und diese Problematik im Fachschrifttum umstritten sei.

Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Beschwerde des FA.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung.

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel i. S. des § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtmäßigkeit der gesonderten und einheitlichen Feststellung des Jahresergebnisses 1988 der Antragstellerin, wie sie das FA vorgenommen hat. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bereits dann zu bejahen sind, wenn neben den für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes sprechenden Gründen solche zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Sachverhaltsfragen bewirken. Bei der in Fällen der vorliegenden Art gebotenen summarischen Beurteilung der Sach- und Rechtslage, welche dem Ergebnis des Hauptverfahrens nicht vorgreift, läßt sich der Senat von den folgenden Erwägungen leiten.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist für im Voraus gezahlte Erbbauzinsen ein Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden, der linear aufzulösen ist, und zwar sowohl beim Erbbauverpflichteten (BFH-Urteile vom 20. November 1980 IV R 126/78, BFHE 132, 418, BStBl II 1981, 398; vom 8. Dezember 1988 IV R 33/87, BFHE 155, 532, BStBl II 1989, 407) als auch beim Erbbauberechtigten (BFH-Urteil vom 17. April 1985 I R 132/81, BFHE 144, 213, BStBl II 1985, 617; zustimmend: Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 5 EStG Anm. 2000, E 880 ,,Erbbauzinsen"; Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, §§ 4-5 Rdnr. 178 p ,,Erbbaurecht"; Blümich/Schreiber, Einkommensteuergesetz, § 5 Rdnr. 740 ,,Erbbaurecht", 691, 692; Weber-Grellet in Handbuch des Einkommensteuerrechts, § 5 Anm. 10 f ,,Erbbaurecht"; im Ergebnis: Mathiak, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1986, 171).

Die vom FG für zweifelhaft gehaltene Frage, ob Rechnungsabgrenzungsposten für Vorauszahlungen nicht nur in der Handels-, sondern auch in der Steuerbilanz statt nach der linearen, nach der finanzmathematischen Methode aufgelöst werden dürfen, ist für die Entscheidung des Streitfalles unerheblich.

Wollte man im Streitfall zum Zwecke einer periodengerechteren Gewinnermittlung von der linearen Auflösungsmethode abweichen, so käme allenfalls eine progressive, nicht aber eine degressive Auflösung in Betracht.

Alle nicht linearen Auflösungsmethoden wollen dem Umstand Rechnung tragen, daß die dem einen Vertragspartner eingeräumte Kapitalnutzung zu Beginn oder zum Ende des Nutzungszeitraums größer ist. Dementsprechend sollen auch auf den Beginn oder das Ende des Nutzungszeitraums höhere Anteile der vorausgezahlten Nutzungsvergütung entfallen.

Die degressive Auflösungsmethode führt daher nur dann zu wirtschaftlich zutreffenden Ergebnissen, wenn - anders als im Streitfall - der Vorauszahlende Kapital nutzt und das genutzte Kapital zunehmend geringer wird. Das ist z. B. dann der Fall, wenn jemand ein Damnum als Gegenleistung für ein Darlehen zahlt, das laufend zu tilgen ist (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 5 EStG Anm. 1955, E 853, Anm. 1932, E 839 m. w. N.).

Umgekehrt verhält es sich, wenn die dem Vorauszahlenden überlassenen Nutzungen über den gesamten Nutzungszeitraum gleich bleiben. In diesem Fall wird der in der zinslosen Vorauszahlung liegende Nutzungsvorteil des Vorauszahlungsempfängers mit jedem Jahr geringer, weil er in jedem Jahr gleichbleibende Teile der ihm obliegenden Leistung erbringt, deren Wert mit der Vorauszahlung zu verrechnen ist. In diesem Fall müßten demnach die Beträge, mit denen der beim Vorauszahlungsempfänger gebildete passive Rechnungsabgrenzungsposten aufzulösen ist - wenn man keine lineare Auflösung vornehmen will - von Jahr zu Jahr ansteigen, weil die auf die Nutzung des Vorauszahlungsbetrags entfallende gedachte Zinsbelastung geringer wird (Hüttemann in v. Wysocki/Schulze-Osterloh, Handbuch des Jahresabschlusses in Einzeldarstellungen, Abt. II/8 Rdnrn. 79, 80). Auch der beim Vorausleistenden gebildete aktive Rechnungsabgrenzungsposten könnte dementsprechend - wenn die lineare Methode nicht angewandt werden soll - allenfalls progressiv aufgelöst werden (Hüttemann, a.a.O., Rn. 85; Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 5 EStG Anm. 1955, E 853, Anm. 1932, E 839 m. w. N.).

So verhält es sich auch in dem Fall, daß der Erbbauberechtigte die Erbbauzinsen für die gesamte Nutzungsdauer im Voraus leistet. In einem solchen Fall bleibt der Wert der ihm eingeräumten Sachnutzung über die gesamte Nutzungsdauer gleich. Er darf daher keine degressiven Erbbauzins-Raten absetzen (Senatsurteil vom 12. August 1982 IV R 184/79, BFHE 136, 280, 285, BStBl II 1982, 696, 699), mithin auch die aktivierten Vorauszahlungen nicht degressiv auflösen. Demgegenüber wird durch die Vorauszahlung dem Erbbauverpflichteten eine Kapitalnutzung eingeräumt, die zwangsläufig im ersten Jahr am größten und im letzten Jahr, weil die Vorauszahlung dann fast ,,verbraucht" ist, am geringsten ist.

Die Auflösung des von der Antragstellerin gebildeten aktiven Rechnungsabgrenzungspostens nach der linearen Methode führt entgegen ihrem Vorbringen auch nicht zu einem Ausweis noch nicht realisierter Zinsgewinne. Das wird deutlich, wenn man unterstellt, das Erbbaurechtsverhältnis sei vorzeitig aufgelöst worden. Wird in diesem Fall die Vorauszahlung rückabgewickelt, so ist nicht nur die dem Erbbauberechtigten bisher überlassene Grundstücksnutzung, sondern auch die vom Erbbauverpflichteten gezogene Kapitalnutzung zu berücksichtigen (vgl. § 347 Satz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -, § 818 Abs. 1 und 2 BGB; vgl. Entscheidung des Reichsgerichts vom 27. April 1936 IV 14/36, RGZ 151, 123; Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18. April 1962 VIII ZR 245/61, Neue Juristische Wochenschrift 1962, 1148; Palandt/Thomas, Bürgerliches Gesetzbuch, § 818 Rdnr. 10 m. w. N.). Letztere ist - wie oben dargestellt - um so größer, je kürzer das Erbbaurechtsverhältnis bestanden hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63589

BFH/NV 1991, 736

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