Entscheidungsstichwort (Thema)

Umdeutung von verfahrensrechtlichen Anträgen

 

Leitsatz (NV)

,,Ein von einem sachkundigen Prozeßbevollmächtigten ausdrücklich als Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bezeichnetes Begehren kann grundsätzlich nicht in einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung umgedeutet werden."

 

Normenkette

FGO §§ 69, 114

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) erhob mit Schriftsatz vom 13. Januar 1983 gegen die vom Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) verfügte Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung vom 22. September 1981 i. d. F. der Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion (OFD) München vom 9. Dezember 1982 Klage.

Er beantragte, die Vollziehung

-des Einkommensteuerbescheides 1979,

-der Verfügung vom 13. August 1981 über die Festsetzung von Einkommensteuervorauszahlungen sowie

-der Verfügung vom 13. August 1981 über die Festsetzung eines Verspätungszuschlags von 95 DM zur Einkommensteuer 1979

auszusetzen.

Bereits mit Schriftsatz vom 15. November 1982 hatte der Antragsteller beim Finanzgericht (FG) u. a. Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gemäß § 69 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hinsichtlich der vorstehend aufgeführten Verwaltungsakte gestellt. Diesen Antrag hat das FG durch Beschluß vom 18. Oktober 1983 abgelehnt.

Mit Schriftsatz vom 15. März 1983 beantragte der Antragsteller Prozeßkostenhilfe bezüglich der Klage betreffend die Aussetzung der Vollziehung. Das FG hat den Antrag abgelehnt.

Mit der Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, macht der Antragsteller geltend, er habe bereits am 13. Januar 1983 beantragt, den Antrag über die Aussetzung der Vollziehung vom 15. November 1982 in einen solchen auf einstweilige Anordnung umzudeuten. Dadurch sei der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zurückgenommen worden, mit der Folge, daß - entgegen der Auffassung des FG - die Klage vom 13. Januar 1983 zulässig sei.

Der Antragsteller beantragt im übrigen, das Ruhen des Verfahrens bis einen Monat nach Durchführung der von ihm beantragten Akteneinsicht in der Prozeßkostenhilfesache III B 51/84 anzuordnen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Das FG hat zu Recht den Prozeßkostenhilfeantrag deshalb abgelehnt, weil die Rechtsverfolgung hinsichtlich der Klage vom 13. Januar 1983 keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Nach dem Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 4. Dezember 1967 GrS 4/67 (BFHE 90, 461, BStBl II 1968, 199) hat der Steuerpflichtige in den Fällen, in denen er die Aussetzung der Vollziehung einer Verfügung des FA anstrebt, die Wahl, ob er gegen die ablehnende Beschwerdeentscheidung der OFD Klage beim FG erhebt, oder den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung unmittelbar beim FG als Gericht der Hauptsache stellt. Hat er jedoch eines der beiden gerichtlichen Verfahren bei demselben Gericht gewählt, so ist während des Schwebens dieses Verfahrens die Einleitung des anderen gerichtlichen Verfahrens bei demselben Gericht unzulässig. Im Streitfall hatte der Antragsteller aber vor Klageerhebung bereits beim FG einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt.

Der Einwand des Antragstellers, er habe eine Umdeutung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung vom 15. November 1982 in einen Antrag auf einstweilige Anordnung begehrt, führt zu keinem anderen Ergebnis. Abgesehen davon, daß das von einem sachkundigen Prozeßbevollmächtigten ausdrücklich als Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bezeichnete Begehren grundsätzlich nicht in einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung umgedeutet werden kann (vgl. BFH-Beschluß vom 24. September 1970 II B 28/70 (BFHE 100, 83, BStBl II 1970, 813), hat das FG bereits rechtskräftig über den Aussetzungsantrag vom 15. November 1982 entschieden. Diese Entscheidung kann nach den Grundsätzen des Beschlusses in BFHE 100, 83, BStBl II 1970, 813 nicht dahin umgedeutet werden, daß das Gericht über einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung entschieden habe.

2. Der Antrag auf Ruhen des Verfahrens war abzulehnen.

Gemäß § 251 der Zivilprozeßordnung i. V. m. § 155 FGO hat das Gericht das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, daß wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Die Akteneinsicht in dem Parallelverfahren ist jedoch kein wichtiger Grund, der das Ruhen des Verfahrens rechtfertigen würde. Beide Verfahren beeinflussen sich nicht gegenseitig.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413880

BFH/NV 1986, 32

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