Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung bei behauptetem Verkehrsstau

 

Leitsatz (NV)

1. Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist nicht zwingend geboten, wenn der Kläger sein Nichterscheinen mit dem bloßen Hinweis auf mehrere Verkehrsstaus begründet, die Ermittlungen des FG aber ergeben, daß sich diese auf den an gesetzten Termin nicht haben auswirken können.

2. Die Gründe für die Versäumung des angesetzten Termins müssen im Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung vollständig vorgetragen werden.

3. Im Verfahren über die Zulassung der Revision ist § 126 Abs. 4 FGO entsprechend anzuwenden.

 

Normenkette

FGO § 93 Abs. 3 S. 2, § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 126 Abs. 4

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg

 

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Dabei kann dahinstehen, ob -- wie der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) meint -- der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) einen Verfahrensmangel nicht entsprechend den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bezeichnet hat. Denn jedenfalls ist die Beschwerde unbegründet.

1. Sollte -- was nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) ausgeschlossen ist -- der Kläger die Klage rechtzeitig erhoben haben, weil ihm die Einspruchsentscheidung erst später als vom FG angenommen zugegangen sei, so wäre dies kein error in procedendo, also kein Verfahrensmangel i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, sondern ein error in iudicando, also ein hier unerheblicher materiell-rechtlicher Fehler (vgl. Senatsbeschluß vom 27. Februar 1986 IV B 6/85, BFHE 146, 204, BStBl II 1986, 492).

2. Die Ausführungen des Klägers ergeben keinen Verfahrensmangel. Das FG hat den Anspruch des Klägers auf Gewährung des rechtlichen Gehörs nicht verletzt. Wie der Kläger zu Recht ausführt, steht die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung im Ermessen des Gerichts. Es ist zwar grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen, muß aber das Für und Wider eines nochmaligen Eintritts in die mündliche Verhandlung abwägen. Denn nur so ist sichergestellt, daß das Recht auf Gehör gewahrt ist (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 29. November 1985 VI R 13/82, BFHE 145, 125, BStBl II 1986, 187; vom 19. Februar 1993 III R 101/89, BFH/NV 1994, 555; BFH-Beschluß vom 25. April 1996 VIII B 30/95, BFH/NV 1997, 118). Da der Kläger seinen Antrag auf Wiedereröffnung nur mit dem bloßen Hinweis begründet hatte, er habe wegen mehrerer Verkehrsunfälle und Staus auf der Autobahn ... den Termin nicht wahrnehmen können, hat das FG sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Das Ermessen des FG war auch nicht dahingehend reduziert, daß es die mündliche Verhandlung zwingend hätte wiedereröffnen müssen (vgl. BFH-Beschluß vom 28. Februar 1996 II B 124/95, BFH/NV 1996, 688). Denn es hat durch die Einholung von mehreren Auskünften der Verkehrspolizei festgestellt, daß die Verkehrsunfälle sich nicht mehr hatten auswirken können und es sich ansonsten nur um den allgemein bekannten baustellenbedingten Stau gehandelt habe, der nur zu einer Verzögerung von einer halben bzw. einer ganzen Stunde geführt habe. Der Kläger sei aber auch dann nicht erschienen.

3. Im übrigen kommt es nicht darauf an, ob -- wie der Kläger nunmehr behauptet -- das Fahrzeug des Klägers wegen Überhitzung für mehrere Stunden ausgefallen war oder ob der Kläger das FG telefonisch hätte verständigen können und müssen. Diese Umstände hatte er nämlich mit seinem Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht geltend gemacht.

4. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, daß der Kläger nunmehr behauptet, nach dem auf der Einspruchsentscheidung angebrachten Eingangsstempel habe er die Klagefrist nicht versäumt. Denn es wäre Sache des Klägers gewesen, dies rechtzeitig, und zwar nach dem Hinweis des FA auf die Versäumung der Klagefrist, vorzutragen und ggf. nachzuweisen. Unter diesen Umständen war das FG nicht verpflichtet, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen (vgl. BFH-Urteil vom 5. November 1985 VIII R 103/80, BFH/NV 1987, 160, 162; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 93 Anm. 11).

5. Im übrigen wäre daher in entsprechender Anwendung von § 126 Abs. 4 FGO die Revision mangels Erfolgsaussicht nicht zuzulassen (vgl. z. B. BFH-Beschlüsse vom 26. Juni 1992 III B 72/91, BFH/NV 1992, 722; vom 29. Juli 1994 VIII B 71/93, BFH/NV 1995, 118, und vom 19. Mai 1996 III B 11/92, BFH/NV 1996, 409).

Von einer weiteren Begründung wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 422129

BFH/NV 1997, 679

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge