Entscheidungsstichwort (Thema)

Verdeckte Gewinnausschüttung gegenüber einem beherrschenden Gesellschafter

 

Leitsatz (NV)

1. Gegenstand der Besteuerung nach §§ 27 ff. KStG 1977 ist ein bestimmtes Ausschüttungsverhalten der Kapitalgesellschaft, das in der Zeit nach dem 31. Dezember 1976 verwirklicht wurde.

2. Die sich aus § 27 Abs. 3 Satz 1 und aus § 54 Abs. 3 KStG 1977 ergebende ,,unterschiedliche" Behandlung offener und verdeckter Gewinnausschüttungen ergibt sich aus der Natur der verdeckten Gewinnausschüttung.

3. Die Annahme eines Beherrschungsverhältnisses wegen gleichgelagerter Interessen setzt kein rechtsgeschäftliches Handeln des einen Gesellschafters für Rechnung eines anderen voraus. Es genügt ein tatsächliches Handeln des einen Gesellschafters (auch) im objektiven Interesse des anderen.

 

Normenkette

KStG 1977 § 27 Abs. 3 S. 1, § 54 Abs. 3, § 28 Abs. 3 S. 1; GG Art. 3, 14, 20

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine GmbH, deren Satzungszweck der Nachweis verbilligter Einkaufs- und Reisemöglichkeiten für die Mitglieder des X e.V. war. Gesellschafter der Klägerin waren der X e.V. mit 75 v.H. der Anteile und A mit 25 v.H. der Anteile. Das Stimmrecht des A betrug 250; das Stimmrecht des X e.V. dagegen nur 75. A war gleichzeitig Vorstandsvorsitzender des X e.V.

Die Klägerin gewährte dem X e.V. ein zinsloses Darlehen. Außerdem erstattete sie dem X e.V. Aufwendungen in Höhe von 2 000 DM, die anläßlich eines Empfangs zum 60. Geburtstag des A entstanden waren. Schließlich nahm die Klägerin für bestimmte Vermittlungstätigkeiten das Personal des X e.V. in Anspruch. Als Kostenersatz zahlte sie an den X e.V. in 1977 für 1976 17 167 DM, in 1978 für 1977 15 000 DM und in 1979 für 1978 5 000 DM.

Das FA sah in diesen Zahlungen verdeckte Gewinnausschüttungen und erließ entsprechende KSt-Bescheide 1977-1979. Außerdem nahm es die Klägerin als Haftungsschuldner für Kapitalertragsteuer in Anspruch.

Die Einsprüche und die Klagen blieben ohne Erfolg. Gegen das klageabweisende Urteil hat die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die sie auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, auf Divergenz und auf Verfahrensfehler stützt.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 115 Abs. 5 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Der Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der §§ 27 ff. des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1977) kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie sich ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten läßt (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. September 1974 VII B 112/73, BFHE 113, 409, BStBl II 1975, 196).

a) Nach §§ 27 ff. KStG 1977 wird nicht der von einer Kapitalgesellschaft vor dem 1. Januar 1977 erzielte Gewinn bzw. das von ihr vor dem 1. Januar 1977 angesammelte Kapital besteuert. Gegenstand der Besteuerung ist vielmehr ein bestimmtes Ausschüttungsverhalten der Kapitalgesellschaft, das in der Zeit nach dem 31. Dezember 1976 verwirklicht wurde. Damit greift der behauptete Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot des Art. 20 des Grundgesetzes (GG) nicht durch.

b) Die Klägerin verkennt in ihrer Beschwerdebegründung die Funktion der §§ 27 ff. KStG 1977. Die Vorschriften behandeln die von einer Kapitalgesellschaft auf den ausgeschütteten Gewinn zu entrichtende Steuer (im Streitfall: 9/16 des verwendeten Eigenkapitals 03) wie eine Ausschüttung an den Gesellschafter der Kapitalgesellschaft. Der Betrag von 9/16 der Ausschüttung fließt allerdings dem Gesellschafter nur über die Anrechnung auf seine persönliche Steuerschuld zu (§ 49 Abs. 1 KStG 1977, § 36 Abs. 2 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Da jedoch sowohl der ausgeschüttete Betrag als auch der Erhöhungsbetrag (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG) dem anrechnungsberechtigten Gesellschafter voll zugute kommen, kann von einem enteignungsgleichen Eingriff keine Rede sein. Auch ist der Charakter der Körperschaftsteuer in ihrer Rechtswirkung als Vorauszahlung auf die Steuerschuld des Gesellschafters durch den Beschluß des BFH vom 9. Februar 1982 VIII B 132/81 (BFHE 135, 303, BStBl II 1982, 401) hinreichend geklärt.

c) Die sich aus § 27 Abs. 3 Satz 1 und aus § 54 Abs. 3 KStG 1977 ergebende ,,unterschiedliche" Behandlung offener und verdeckter Gewinnausschüttungen verstößt weder gegen Art. 3 GG noch gegen Art. 14 oder 20 GG. Auch insoweit ist die Rechtslage eindeutig.

Die ,,unterschiedliche" Behandlung ist keine echte. Sie ergibt sich vielmehr aus der Natur der verdeckten Gewinnausschüttung. Während die offene Gewinnausschüttung schon gesellschaftsrechtlich stets für ein bestimmtes Geschäftsjahr vorgenommen werden muß, fehlt es bei der verdeckten Gewinnausschüttung zwangsläufig an einem vergleichbaren Zeitpunkt. Die verdeckte Gewinnausschüttung kann sich schon deshalb nur auf das Jahr beziehen, in dem sie vorgenommen wird. Diesem natürlichen Unterschied trägt die Regelung in § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG 1977 Rechnung. Die in § 28 Abs. 3 Satz 1 KStG 1977 vorgeschriebene Verrechnung mit vorhandenen Eigenkapital-Beständen gilt dagegen für offene und verdeckte Gewinnausschüttungen gleichermaßen.

2. Das Finanzgericht (FG) ist in der angefochtenen Entscheidung nicht von dem BFH-Urteil vom 23. Oktober 1985 I R 247/81 (BFHE 145, 165, BStBl II 1986, 195) abgewichen.

3. Der Frage, ob eine Beteiligung, wie sie der X e.V. an der Klägerin hält, zu einer beherrschenden Gesellschafterposition führt, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Frage ist durch die BFH-Urteile vom 8. Januar 1969 I R 91/66 (BFHE 95, 215, BStBl II 1969, 347); vom 26. Juli 1978 I R 138/76 (BFHE 125, 557, BStBl II 1978, 659), und vom 21. Juli 1976 I R 223/74 (BFHE 119, 453, BStBl II 1976, 734) geklärt.

Zwar hat das FG den Geschäftsführer der Klägerin bezüglich der von ihm gehaltenen Anteile als Treuhänder des X e.V. angesehen. Auch mag es zweifelhaft sein, ob die tatsächlichen Feststellungen des FG diese Beurteilung tragen. Jedoch ist die Frage letztlich nicht entscheidungserheblich. Der BFH hat in keiner der o.g. Entscheidungen zur Begründung eines Beherrschungsverhältnisses auf eine Treuhänderstellung eines Gesellschafters, sondern stets auf die Gleichheit der Gesellschafterinteressen abgestellt. Es wird mit anderen Worten kein rechtsgeschäftliches Handeln für Rechnung eines anderen, sondern nur ein tatsächliches Handeln (auch) im objektiven Interesse des ,,anderen" verlangt. Letzteres schließt die gleichzeitige Verfolgung gleichgelagerter Eigeninteressen nicht aus. Für den Streitfall ergibt sich jedoch sowohl aus den tatsächlichen Feststellungen des FG als auch aus dem eigenen Vortrag der Klägerin, daß die Gesellschafter gleiche Interessen bei der Vereinbarung des Ersatzes von Verwaltungskosten und von Aufwendungen der Kosten für die Geburtstagsfeier verfolgten.

4. Bezüglich der ,,Zusage" der Oberfinanzdirektion (OFD) ergibt sich die fehlende grundsätzliche Bedeutung aus § 204 der Abgabenordnung (AO 1977). Die Vorschrift gilt insoweit für alle Zusagen.

5. Das FG ist schließlich in der Vorentscheidung auch nicht von dem BFH-Urteil vom 21. Juli 1982 I R 56/78 (BFHE 136, 386, BStBl II 1982, 761) abgewichen. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat Ausnahmen von der Forderung nach klaren und von vornherein abgeschlossenen Verträgen nur dann zugelassen, wenn solche praktisch nicht abgeschlossen werden konnten oder wenn der entsprechende Abschluß unzumutbar war. An diesen Voraussetzungen fehlt es im Streitfall.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415791

BFH/NV 1988, 742

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