Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuerrechtliche Beurteilung der sog. ,,echten Auftragsproduktion" von Werbe-Filmen

 

Leitsatz (NV)

Sog. Werbe-Spots mit ca. 30 Sekunden Laufzeit werden vom Filmproduzenten regelmäßig nicht i. S. des § 1 Abs. 1 BerlinFG als Gegenstände an den Auftraggeber geliefert, sondern diesem gemäß § 1 Abs. 5 BerlinFG zur Auswertung überlassen. Das folgt umsatzsteuerrechtlich aus der sog. ,,echten Auftragsproduktion", bei der der Auftraggeber den Film vom Produzenten (als selbständigem Unternehmer) herstellen läßt und anschließend die Verwertung übernimmt. Unschädlich ist, daß der Auftraggeber die Herstellungskosten trägt und die Finanzierung übernimmt, also dem Produzenten das wirtschaftliche Risiko weitgehend abnimmt.

Bei sog. ,,unechter Auftragsproduktion" wird hingegen nicht der Filmproduzent zum Filmhersteller im (für die USt maßgeblichen) urheberrechtlichen Sinn; er erwirbt vielmehr die Nutzungs- und Leistungsschutzrechte am Filmwerk von den Mitwirkenden namens, im Auftrag und für Rechnung des Auftraggebers. Dieser ist danach Filmhersteller, nicht nur Filmverwerter.

 

Normenkette

BerlinFG § 1 Abs. 1, 5; UrhG § 94; FGO § 69

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) stellte in den Streitjahren in Berlin (West) Fernseh-Werbespots, Industrie- und PR-Filme sowie eine Fernsehserie auf dem Gebiet der . . . werbung her. In den Umsatzsteuererklärungen für 1976 bis 1978 nahm die Klägerin für die Umsätze aus der Ablieferung der Fernseh-Spots, Industrie- und PR-Filme sowie der für die Fernsehanstalt hergestellten Werbeserie Kürzungsansprüche nach § 1 Abs. 1 i. V. m. Abs. 7 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) in Höhe von 6 v. H. des Entgelts in Anspruch. Für 1979 machte sie den Kürzungsanspruch in Höhe von 6 v. H. des Entgelts nach § 1 Abs. 5 BerlinFG (in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 26. November 1979, BGBl I 1979, 1953) geltend. Nach einer für die Jahre 1976 bis 1979 durchgeführten Betriebsprüfung beurteilte der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) die Überlassung der von der Klägerin hergestellten Filme usw. an ihre Auftraggeber nicht als Lieferungen (wie die Klägerin), sondern als sonstige Leistungen mit der Begründung, der wirtschaftliche Gehalt dieser Vorgänge sei die Übertragung der Leistungsschutzrechte des Filmherstellers nach § 94 Abs. 1 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG). Hinsichtlich dieser Umsätze erkannte das FA in den geänderten Umsatzsteuerbescheiden für 1976 und 1978 vom 6. September 1983 und für 1977 vom 22. September 1983 nur den Kürzungsanspruch in Höhe von 4,5 v. H. nach § 1 Abs. 5 BerlinFG, an Stelle des Kürzungsanspruchs in Höhe von 6 v. H., an. Die Umsatzsteuerfestsetzung 1979 änderte das FA mit Bescheid vom 6. September 1983 dahingehend, daß es die Bemessungsgrundlage für die Kürzungen nach § 1 Abs. 5 BerlinFG insoweit minderte, als nach seiner Auffassung bei einigen Filmen die Voraussetzungen der genannten Vorschrift nicht erfüllt gewesen seien (Tz. 50 a und 50 b des Betriebsprüfungsberichts).

Mit den Einsprüchen gegen die geänderten Umsatzsteuerbescheide machte die Klägerin geltend, das FA habe lediglich unterstellt, daß sie Filmhersteller sei. Es habe diese Frage jedoch nicht - wie bei der komplizierten Rechtslage geboten - daraufhin geprüft, ob es sich nicht lediglich um sog. unechte Auftragsproduktion handle, bei der die auftraggebende Werbeagentur Filmhersteller und sie, die Klägerin, nur Erfüllungsgehilfe sei. Dazu bezeichnete die Klägerin eine Reihe von Geschäftsvorfällen, die als Fälle unechter Auftragsproduktion behandelt werden müßten. Nach Darstellung der Klägerin hatten in allen von ihr genannten Fällen die Werbeagenturen das komplette Drehbuch mit genauen Regieanweisungen zur Verfügung gestellt, den Auftrag aufgrund detaillierter Kalkulation vergeben, Mehrkosten für Auftragsänderungen übernommen, bei der Auswahl der Schauspieler mitgewirkt und ihre Vertreter zu den Filmaufnahmen gesandt, um die Aufnahmen zu überwachen und den Produktionsvorgang faktisch zu leiten. Sie, die Klägerin, habe aufgrund der genauen Anweisungen und Überwachung durch die Agenturen keine eigenen Ideen oder persönliche geistige Schöpfungen i. S. des UrhG entwickeln können. Eigene Urheberrechte seien ihr daher nicht entstanden. Sie habe also im Rahmen sog. unechter Auftragsproduktionen gehandelt, bei denen der Produzent als Erfüllungsgehilfe und für Rechnung der Werbeagentur tätig werde. Da sie nicht Filmhersteller gewesen sei, habe sie dem Auftraggeber auch keine Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte übertragen können, sondern lediglich den hergestellten Film abgeliefert.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Gegen die Einspruchsentscheidung vom 20. Oktober 1983 erhob die Klägerin Klage, über die noch nicht entschieden ist. Zugleich stellte sie gemäß § 69 der Finanzgerichtsordnung (FGO) den Antrag, die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 1976 bis 1979 wie folgt auszusetzen: . . .

Mit Beschluß vom 14. Februar 1984 setzte das Finanzgericht (FG) die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 1976 bis 1978 wie folgt aus:

. . .

Im übrigen lehnte das FG den Antrag ab.

Zur Begründung führte das FG im wesentlichen aus: Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzungen bestünden hinsichtlich der Höhe des Kürzungsanspruchs nach § 1 BerlinFG für die in Tz. 50 des Betriebsprüfungsberichts angesprochenen reinen Fernseh-Werbespots sowie für die in Tz. 50 b angesprochenen Industrie- und PR-Filme, soweit es sich nach den Angaben der Klägerin um als den Fernseh-Spots gleichgeartete Werbefilme handle (1977 im Umfang von . . . DM; 1978 im Umfang von . . . DM).

Es sei hinsichtlich der reinen Fernseh-Werbefilme mit einer Länge von etwa 30 Sekunden ernstlich zweifelhaft, ob deren Ablieferung an die auftraggebenden Agenturen als Lieferung oder als sonstige Leistung anzusehen sei. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe zwar im Urteil vom 19. Februar 1976 V R 92/74 (BFHE 118, 255, BStBl II 1976, 515) die Auffassung vertreten, bei Filmherstellung für einen Auftraggeber sei nicht die körperliche Überlassung des Filmstreifens, sondern die Übertragung der Rechte nach den §§ 94 Abs. 1, 89 und 91 UrhG durch den Filmhersteller an den Auftraggeber der entscheidende wirtschaftliche Gehalt, so daß regelmäßig die Annahme einer Lieferung ausscheide. Dieses Urteil des BFH habe sich jedoch auf längere Fernsehspielfilme bezogen, bei denen dem Filmhersteller ein weitgehendes Gestaltungsrecht zugestanden habe. Vorliegend handle es sich jedoch um kurze, in der Gestaltung von den Auftraggebern weitgehend vorprogrammierte reine Werbefilme, deren Ablieferung jedenfalls nach früherer Rechtsprechung des BFH als Lieferung angesehen worden sei. An diesem Ergebnis sei auch hier festzuhalten, zumal es nicht zulässig sei, die Grundsätze des Urteils in BFHE 118, 255, BStBl II 1976, 515 schematisch auf sämtliche Arten der Filmherstellung, die ganz erhebliche wirtschaftliche und urheberrechtliche Unterschiede aufwiesen, auszudehnen. Bei den von der Klägerin hergestellten Werbefilmen hätten die Agenturen nicht nur das Drehbuch bzw. das Storyboard zur Verfügung gestellt, sondern auch auf die Umsetzung des Drehbuchs in einer Weise Einfluß genommen, wie es bei längeren Spiel- oder Dokumentarfilmen praktisch nicht möglich sei. Sie hätten z. B den Text mit Zeichnungen versehen, in denen genau vorgegeben werde, in welcher Haltung der Schauspieler zu agieren habe und welche Utensilien zu benutzen seien. In anderen Fällen sei genau vorbestimmt und anhand von Skizzen erläutert, in welchen Bewegungsphasen und mit welcher Kameraeinstellung etwa Autos darzustellen seien. Damit dürften die Auftraggeber nicht nur Urheber der genannten Werke, sondern auch Miturheber des Filmwerks i. S. des § 89 Abs. 2 UrhG gewesen sein. Hinzu komme, daß die Klägerin nach Ablieferung des Films keinerlei Möglichkeit gehabt habe, mit Hilfe des Filmwerks weitere Einnahmen zu erzielen, wie es bei üblichen Auftragsproduktionen möglich sei, z. B. durch Vergabe der Verbreitungsrechte ins Ausland. Das Gericht neige deshalb der Auffassung der Klägerin zu, die Schutzfunktion des § 94 UrhG in Fällen der Herstellung reiner Werbefilme sei ohne wesentlichen wirtschaftlichen Gehalt, so daß die Übertragung der Leistungsschutzrechte bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise in den Hintergrund trete.

Im übrigen bestünden hinsichtlich der angefochtenen Steuerbescheide keine ernstlichen Zweifel, zumal die Klägerin ihre Klage noch nicht weiter begründet habe.

Gegen den Beschluß des FG vom 14. Februar 1984 erhob das FA (aufgrund Zulassung durch das FG) Beschwerde mit dem Antrag, ,,den Aussetzungsantrag zurückzuweisen,

hilfsweise: die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 1976 bis 1978 . . . wie folgt auszusetzen: . . . und im übrigen den Aussetzungsantrag zurückzuweisen."

Zur Begründung führte das FA aus:

(Hauptantrag): Das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, ein Teil der Umsätze aus der Herstellung von Filmen (Industrie- und PR-Filme, TV-Spots, Fernsehserien) sei als Lieferung anzusehen und führe zum Kürzungsanspruch von 6 v. H.

(Hilfsantrag): Jedenfalls habe das FG bei der Ermittlung der Aussetzungsbeträge übersehen, daß in der Bemessungsgrundlage der Umsätze nach den Ermittlungen der Betriebsprüfung die Erlöse aus der Herstellung der TV-Serie enthalten seien (Tz. 46). Diese Umsätze habe die Klägerin selbst nicht als Lieferungen, sondern als sonstige Leistungen behandelt und mit dem ermäßigten Steuersatz (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c, d des Umsatzsteuergesetzes 1967 - UStG 1967 -) versteuert.

Auf diese Beschwerde des FA hin änderte das FG den angefochtenen Beschluß mit Beschluß vom 21. Mai 1984 dahingehend, daß es die Vollziehung der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide

1976 in Höhe von . . . DM und

1977 in Höhe von . . . DM und

1978 in Höhe von . . . DM und

aussetzte, und den Antrag im übrigen zurückwies. In der Begründung erklärte das FG die Änderung für erforderlich, weil die Umsätze der Serie versehentlich in die Begünstigung mit einbezogen worden seien. Die Höhe des Betrags, um den die Aussetzungsbeträge zu mindern gewesen seien, ergebe sich aus dem Schriftsatz der Klägerin vom 3. Mai 1984 (insgesamt . . . DM). Der Beschwerde sei damit abgeholfen. Ferner führte das FG in der Begründung aus, über den mit Schreiben vom 28. März 1984 von der Klägerin gestellten (zusätzlichen) Aussetzungsantrag werde gesondert entschieden.

Mit Schreiben vom 19. Juni 1984 trug das FA - unter Bezugnahme auf eine Ablichtung seiner Stellungnahme im Klageverfahren - vor: Der ändernde Aussetzungsbeschluß vom 21. Mai 1984 habe dem vom FA gestellten Hilfsantrag in modifizierter Form entsprochen. Unzutreffend sei jedoch die Aussage dieses Beschlusses, der Beschwerde sei damit abgeholfen; denn das Beschwerdebegehren des FA sei (im Hauptantrag) auf vollständige Zurückweisung des Aussetzungsantrags gerichtet. Entgegen der Auffassung des FG halte das FA daran fest, daß an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide 1976 bis 1978 (im Hinblick auf die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung der in Tz. 50 des Betriebsprüfungsberichts angesprochenen reinen Fernseh-Werbespots sowie der in Tz. 50 b angesprochenen Industrie- und PR-Filme) keine ernstlichen Zweifel bestünden.

In der Stellungnahme zum Klageverfahren führte das FA aus, es habe bezüglich der Umsatzsteuerfestsetzung 1979 zwischenzeitlich mit Verfügung vom 19. Juni 1984 die Vollziehung in Höhe von . . . DM ausgesetzt, und zwar im Umfang eines zusätzlich zu gewährenden Kürzungsbetrags in Höhe von 6 v. H.

Die Klägerin beantragt, die Beschwerde des FA zurückzuweisen.

Bezüglich der Umsatzsteuerfestsetzung 1979 habe sich die Hauptsache zwischenzeitlich durch Erlaß des geänderten Umsatzsteuerbescheids erledigt.

Die Kosten des Verfahrens seien dem FA aufzuerlegen.

Ergänzend zu dem Vortrag darüber, daß das FG zutreffend ernstliche Zweifel bezüglich der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung der Überlassung der Werbe-Spots und Industriefilme angenommen habe, macht die Klägerin geltend: Die Aussetzung der Vollziehung sei auch geboten, weil die sofortige Vollziehung der angefochtenen Bescheide eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte bedeuten würde. Aus dem abschriftlich beigefügten Jahresabschluß der Klägerin vom 31. Dezember 1982 - der auf der Rechtsauffassung der Klägerin beruhe und die nachgeforderten Umsatzsteuerbeträge nicht ausweise - ergebe sich, daß eine Umsatzsteuernachforderung in der Größenordnung von über . . . DM die Gesellschaft vor derzeit unlösbare Überschuldungs- und Zahlungsfähigkeitsprobleme stelle. Die Bilanz zum 31. Dezember 1982 weist einen Bilanzgewinn von . . . DM aus. Unter Vorlage des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 1983 trägt die Klägerin mit Schreiben vom 3. Dezember 1984 zu diesem Punkt ergänzend vor: Zwar sei noch ein geringfügiger handelsrechtlicher Jahresüberschuß von . . . DM erzielt worden. Im übrigen habe sich das Bild jedoch nicht verändert. Einer Liquidität ersten Grades in Höhe von rund . . . DM stehe ein Passivsaldo einschließlich der kurzfristigen Gesellschafterdarlehen in Höhe von rund . . . DM gegenüber. Das Anlagevermögen weise keine nenneswerten stillen Reserven aus. Die sofortige Fälligstellung der Umsatzsteuernachforderungen von rund . . . DM brächte der Gesellschaft unlösbare Zahlungsprobleme; eine entsprechende Einbuchung der Nachforderungen würde zur Überschuldung der Gesellschaft führen. Beides triebe die Gesellschaft in den Konkurs.

Das FA trägt dazu vor (Schreiben vom 30. November 1984): Hinsichtlich der Liquidität der Klägerin müßten sämtliche Einzelpositionen der Bilanz näher untersucht werden; das könne nicht Gegenstand eines summarischen Verfahrens sein. Im übrigen könne nur ein zeitnaher Finanz- und Vermögensstatus Rückschlüsse auf die heutige finanzielle Situation der Klägerin ermöglichen.

Die Klägerin hält dem entgegen (Schreiben vom 21. Dezember 1984), dem FA wäre es ein leichtes, sämtliche Bilanzpositionen auf ihre Liquiditätswirksamkeit zu untersuchen. Die Liquiditätswerte des Jahresabschlusses 1983 ergäben bei genauer Bilanzanalyse einen noch höheren negativen Saldo, als ursprünglich dargestellt. Zudem ergebe die bis November 1984 erstellte Finanzbuchhaltung, daß sich das Bild des Jahres 1984 nochmals deutlich verschlechtert habe, weil die angelaufenen Verluste durch Erhöhung der Gesellschafterdarlehen und des saldierten Bankkredits hätten abgefangen werden müssen. Der Liquiditätssaldo zum 30. November 1984 habe ./. . . . DM betragen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses bezüglich der Umsatzsteuerfestsetzungen 1976 bis 1978 und zur Ablehnung des Antrags der Klägerin auf Aussetzung der Vollziehung der genannten Umsatzsteuerbescheide.

1. Das FA hat seinen Beschwerdeantrag zwar nicht ausdrücklich auf die Umsatzsteuerbescheide 1976 bis 1978 begrenzt. Nach Auffassung des Senats ergibt sich diese Begrenzung aber eindeutig zum einen daraus, daß das FG dem Aussetzungsantrag der Klägerin nur (teilweise) hinsichtlich dieser Steuerbescheide stattgegeben hatte, nicht aber hinsichtlich des Steuerbescheids für 1979. Für eine Beschwerde des FA bestand bezüglich 1979 kein Anlaß. Zum anderen ergibt sich diese Begrenzung aus dem Beschwerdevorbringen des FA, insbesondere auch aus seinem Hilfsantrag, der lediglich die Bescheide 1976 bis 1978 betrifft. Die von den Beteiligten im weiteren Verlauf des Beschwerdeverfahrens angeschnittene Frage der Erledigung der Hauptsache hinsichtlich des Umsatzsteuerbescheids 1979 ist für das vorliegende Verfahren unbeachtlich; sie betrifft nur das noch offene Hauptsacheverfahren vor dem FG.

2. Der Senat ist nach summarischer Prüfung des in das vorliegende Verfahren eingebrachten Prozeßstoffs der Ansicht, daß das FG zu Unrecht ernstliche Zweifel i. S. des § 69 Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 FGO an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide 1976 bis 1978 bejaht hat.

Prozeßstoff des vorliegenden Verfahrens ist nur der in Tz. 50 und 50 b des Betriebsprüfungsberichts angeschnittene Fragenbereich, ob die Herstellung und Überlassung von Fernseh-Werbespots und gleichgearteten Werbefilmen umsatzsteuerrechtlich als Ausführung sonstiger Leistungen oder als Ausführung von Lieferungen anzusehen ist. Soweit die Klägerin mit Schreiben vom 28. März 1984 beim FG einen zusätzlichen Aussetzungsantrag auf der Grundlage eines anderen Sachverhaltsbereichs gestellt hat, ist vorliegend - wie die Klägerin selbst zutreffend vorträgt (Schreiben vom 13. August 1984) - nicht darüber zu entscheiden. Dieser selbständige Antrag ist noch beim FG anhängig.

Die Umsatzsteuerbescheide 1976 bis 1978 beruhen - soweit sie hier zu beurteilen sind - auf der Auffassung des FA, die Klägerin habe als Berliner Unternehmen Filme i. S. des § 1 Abs. 5 BerlinFG ihren Auftraggebern zur Auswertung überlassen, nicht aber Filme i. S. des § 1 Abs. 1 BerlinFG als Gegenstände geliefert.

Diese Beurteilung beruht auf den Grundsätzen, die der Senat zur umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung der Verwertung von Filmwerken nach den Regelungen des UrhG zunächst in seinem Urteil in BFHE 118, 255, BStBl II 1976, 515 - Filmherstellung in Auftragsproduktion - und weiteren Entscheidungen (Urteile vom 25. November 1976 V R 71/72, BFHE 120, 568, BStBl II 1977, 270 - Überlassung von Offsetfilmen zum Druck von Reklamematerial -; vom 29. November 1984 V R 96/84, BFHE 142, 319, BStBl II 1985, 271 - Vermietung von Video-Cassetten -, und vom 14. Juni 1985 V R 11/78, BFH/NV 1985, 58 - Informations- oder Werbefilme -) entwickelt hat.

Das FG hat ernstliche Zweifel i. S. des § 69 FGO an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide mit der Erwägung begründet, die Grundsätze des Urteils in BFHE 118, 255, BStBl II 1976, 515 dürften nicht schematisch auf sämtliche Arten der Filmherstellung ausgedehnt werden. Das Urteil habe sich auf längere oder mehrteilige Fernseh-Spielfilme bezogen, bei denen der Hersteller ein weitgehendes Gestaltungsrecht gehabt habe. Davon könne bei den reinen Fernseh-Werbefilmen mit einer Länge von durchschnittlich 30 Sekunden nicht ausgegangen werden. Bei diesen Filmen hätten die Auftraggeber (Agenturen) nicht nur das Drehbuch zur Verfügung gestellt, sondern auch auf die Umsetzung des Drehbuchs in einer derartigen Weise Einfluß genommen, daß sie nicht nur Urheber der Drehbücher, sondern auch Miturheber des Filmwerks i. S. des § 89 Abs. 2 UrhG gewesen sein dürften. Neben der eingeschränkten Gestaltungsmöglichkeit der Klägerin bei der Herstellung habe die Klägerin nach Ablieferung des Films keine Möglichkeit gehabt, damit weitere Einnahmen, z. B. durch Vergabe der Verbreitungsrechte im Ausland, zu erzielen.

Der Senat schließt es nicht aus, daß bei bestimmten Arten der Filmherstellung oder -verwertung eine differenzierende Anwendung der vorgenannten Rechtsprechungsgrundsätze geboten sein kann, mit der Folge, daß die Überlassung eines Films durch den Hersteller an den Auftraggeber rechtlich nicht durch die Verwertung der Rechte nach dem UrhG, sondern durch Lieferung des Films als körperlichen Gegenstand erfolgt. Diese Möglichkeit reicht jedoch im vorliegenden Aussetzungsverfahren nicht aus, um ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerbescheide zu begründen. Soweit nämlich der rechtliche Gehalt der Verhältnisse zwischen Filmhersteller und Auftraggeber bei der Herstellung und Verwertung von Werbefilmen und Werbe-Spots in Schrifttum und Rechtsprechung erörtert wurde, sprechen die Ergebnisse gegen die Auffassung des FG und für die Auffassung des FA.

Kein Anhaltspunkt ergibt sich aus dem vom FG festgestellten Sachverhalt und auch aus dem Vortrag der Klägerin im Beschwerdeverfahren, daß sie im Rahmen sog. ,,unechter Auftragsproduktion" tätig gewesen sei. In Fällen dieser Art wird der Filmproduzent nicht zum Filmhersteller im urheberrechtlichen Sinn; ihm fehlt nach den Vertragsvereinbarungen nicht nur die maßgebende Mitbestimmung auf den für die Filmherstellung wesentlichen organisatorischen, wirtschaftlichen, finanziellen, technischen und künstlerischen Gebieten, es fehlt auch an dem ausschlaggebenden Umstand des Erwerbs der Nutzungs- und Leistungsschutzrechte von den Mitwirkenden bei der Filmherstellung sowie des Eigentums am Negativ. Der Filmproduzent erwirbt die Nutzungs- und Leistungsschutzrechte an dem Filmwerk von den Mitwirkenden namens, im Auftrag und für Rechnung des Auftraggebers, so daß dieser sie unmittelbar erhält. Der Filmproduzent erhält keine Rechte an dem Filmwerk. Er besitzt kein originäres Leistungsschutzrecht am Filmwerk nach § 94 UrhG. In diesen Fällen liegt letztlich keine Filmverwertung durch den Auftraggeber, sondern eine Filmherstellung durch ihn vor (vgl. insbesondere v. Hartlieb, Handbuch des Film-, Fernseh- und Videorechts, 2. Aufl., 1984, 60. Kapitel Rdnr. 6 ff. und 93. Kapitel Rdnr. 3; vgl. auch Bamberger, Einführung in das Medienrecht, 1986, S. 63). Vorliegend zeigen insbesondere die Geschäftsbedingungen, die die Auftraggeber der Klägerin den Auftragswerken jeweils beigefügt haben, daß die Klägerin nicht Nutzungs- und Leistungsschutzrechte an dem Filmwerk im Auftrag und für Rechnung der Auftraggeber zu erwerben hatte.

Der festgestellte Sachverhalt legt vielmehr die Beurteilung nahe, daß die Klägerin die Filme in Form der sog. ,,echten Auftragsproduktion" hergestellt und verwertet hat, wie sie in der Praxis vor allem auf den Gebieten der Fernseh-, Industrie- und Werbefilmproduktion von großer Bedeutung ist (vgl. v. Hartlieb, a. a. O., 60. Kapitel, Rdnr. 5; Möhring/Nicolini, Urheberrechtsgesetz, Kommentar, 1970, § 94 Anm. 2; Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 5. Aufl., 1983, § 94 Bem. 6). Bei dieser Produktionsform lassen die Auftraggeber (z. B. - wie hier - werbungtreibende Firmen oder Werbeagenturen) den Film vom Produzenten (als selbständiger Unternehmer) herstellen und übernehmen anschließend die Verwertung. Meist trägt der Auftraggeber die Herstellungskosten und übernimmt die Finanzierung, nimmt also das wirtschaftliche Risiko dem Hersteller weitgehend ab.

Die an sich für den Filmhersteller wesentlichen Tätigkeiten auf den entscheidenden organisatorischen, wirtschaftlichen, finanziellen, technischen und künstlerischen Gebieten werden bei der echten Auftragsproduktion für den Filmproduzenten (ähnlich wie bei der unechten Auftragsproduktion) zwar erheblich eingeschränkt. Er erwirbt aber als selbständiger Unternehmer - in eigenem Namen und für eigene Rechnung - im Rahmen der Filmherstellung die Nutzungs- und Leistungsschutzrechte an dem Filmwerk von den Mitwirkenden (vgl. § 91 UrhG) und das Eigentum am Filmnegativ (vgl. v. Hartlieb, a. a. O., 93. Kapitel, Rdnr. 5). Wegen der ausschlaggebenden Bedeutung des Rechtserwerbs wird bei der echten Auftragsproduktion der beauftragte Produzent als Filmhersteller im urheberrechtlichen Sinne angesehen; er erhält dann das originäre Leistungsschutzrecht am Filmwerk (§ 94 UrhG); dadurch hat er gegenüber dem Auftraggeber eine stärkere Stellung (vgl. v. Hartlieb, a. a. O., 60. Kapitel, Rdnr. 3). Daß die Auswertung des Films vertraglich dem Auftraggeber zusteht, der sich von vornherein die Nutzungsrechte für die entsprechenden Nutzungsarten übertragen läßt, steht dem nicht entgegen (vgl. v. Hartlieb, a. a. O., 60. Kapitel, Rdnr. 3 und 93. Kapitel, Rdnr. 3 ff.). Der Einwand der Klägerin, etwaige Leistungsschutzrechte seien für sie - mangels anderweitiger Verwertungsmöglichkeit - ohne wirtschaftlichen und rechtlichen Gehalt, vermag ihre Auffassung somit nicht zu stützen.

Auch die von FG und Klägerin betonte Eigenart der hergestellten Werbefilme oder Werbe-Spots trägt - jedenfalls bei summarischer Beurteilung im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung - nicht deren rechtliche Folgerungen. Denn auch diese Filme oder Spots sind, soweit ihnen ein originelles geistiges Konzept zugrunde liegt, als urheberrechtsschutzfähige Filme zu betrachten. Dabei sind an dieses Konzept keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügen z. B. besondere Einfälle für die Art der Präsentation einer Ware oder sonstigen Leistung in Werbefilmen einschließlich Werbe-Spots (v. Hartlieb, a. a. O., 93. Kapitel, Rdnr. 4). Nach Möhring / Nicolini (a.a.O., § 95 Anm. 2 b, aa) ist ein sog. Filmwerk i. S. von §§ 88 und 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG - in Abgrenzung zu sog. Laufbildern i. S. des § 95 UrhG - ,,auch der Werbefilm, dem grundsätzlich ein gedanklicher Inhalt zugrunde liegt und der besondere schöpferische Eigenarten erkennen läßt. Auf die Dauer des Films kommt es hier nicht entscheidend an. Selbst der Zwanzig-Sekunden-Spot kann in sich ein Filmwerk darstellen."

Im Hinblick auf die geringen Anforderungen des Begriffs des Filmwerks geht der Senat im vorliegenden summarischen Aussetzungsverfahren davon aus, daß die Klägerin - zumal sie über eine langjährige Erfahrung bei der Herstellung von Werbefilmen verfügt - einen hinreichenden eigenschöpferischen Anteil bei der Filmherstellung einbringt. Daß sie - wie sie für einzelne Fälle vorträgt - zum Teil nach genau vorgegebenen Präsentationsvorstellungen der Auftraggeber zu arbeiten hat, steht dem nicht entgegen.

Soweit für die echte Auftragsproduktion bürgerlich-rechtlich die Vorschriften über den Werkvertrag oder Werklieferungsvertrag (§§ 631 ff., 651 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) herangezogen werden (v. Hartlieb, a. a. O., 60. Kapitel, Rdnr. 4) - z. B. hinsichtlich der Mängelhaftung -, folgt daraus nicht die umsatzsteuerrechtliche Einordnung des Vertragsgegenstands als Lieferung des fertigen Films. Denn diese ergänzenden Regelungen treten - wie dargestellt - (nämlich der Übertragung der Leistungsschutzrechte nach dem UrhG) zurück.

Die vom FA mit der Beschwerde angefochtene Aussetzungsentscheidung bezüglich der Umsatzsteuerbescheide 1976 bis 1978 kann auch nicht mit der Begründung bestätigt werden, daß eine Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte geboten sei - wie die Klägerin erstmals im Beschwerdeverfahren geltend macht -.

Nach § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO kann auch ausgesetzt werden, wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Eine solche Härte läge nach der Rechtsprechung des BFH (Beschluß vom 19. April 1968 IV B 3/66, BFHE 92, 314, BStBl II 1968, 538) vor, wenn der Klägerin wirtschaftliche Nachteile drohten, die über die eigentliche Zahlung hinausgingen und die nicht oder nur schwer wiedergutzumachen wären, oder wenn sogar ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet wäre.

Die Klägerin macht unter Berufung auf ihre Bilanzen zum 31. Dezember 1982 und 1983 sowie auf die Zahlen der Finanzbuchhaltung bis 30. November 1984 geltend, die Fälligstellung und Einbuchung der gesamten Umsatzsteuernachforderung von rd. . . . DM brächte sie zur Zahlungsunfähigkeit und zur Überschuldung; damit lägen bei ihr Konkursgründe vor.

Die Berufung lediglich auf die Bilanzen reicht nicht aus, um im summarischen Verfahren die Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte zu rechtfertigen. Der Steuerschuldner hat seine Vermögenslage eingehend darzulegen und die Einzelumstände, die die Unbilligkeit belegen sollen, vorzutragen (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 69 Anm. 8 am Ende und Anm. 15). Daran fehlt es hier. Die Klägerin hat insbesondere nichts zu ihrer Kreditfähigkeit und -würdigkeit, vor allem auch nicht im Verhältnis zu ihren Gesellschaftern, vorgetragen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1988, 398

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