Entscheidungsstichwort (Thema)

Fehlende Erfolgsaussichten einer NZB nach der jüngsten Entscheidung des BVerfG zum Halbteilungsgrundsatz; Zulassungsgründe nach Ablauf der Begründungsfrist

 

Leitsatz (NV)

1. Nach der jüngsten Entscheidung des BVerfG über die Folgerungen aus dem Halbteilungsgrundsatz kann bei der Entscheidung über eine Nichtzulassungsbeschwerde dahin gestellt bleiben, ob dem FG ein Verfahrensmangel unterlaufen ist, weil es das Verfahren nicht ausgesetzt hat, ob das angefochtene Urteil von der früheren Entscheidung des BVerfG zum Halbteilungsgrundsatz abweicht und ob die Frage von grundsätzlicher Bedeutung ist, ob das Finanzamt trotz der eingetretenen Verfahrensruhe über den Einspruch hat entscheiden dürfen. Denn nach der Klärung der materiell-rechtlichen Streitfrage brächte eine Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung an das FG den Kläger dem von ihm erstrebten Ziel keinen Schritt näher, mit Hilfe des Halbteilungsgrundsatzes seine Einkommensteuerbelastung zu reduzieren.

2. Nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist erstmals aufgeworfene Fragen müssen bei der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde unberücksichtigt bleiben.

 

Normenkette

FGO §§ 74, 115 Abs. 2, § 116 Abs. 3 S. 1, § 126 Abs. 4; AO 1977 § 363 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

FG Münster (Urteil vom 10.12.1999; Aktenzeichen 11 K 8384/98 E)

 

Gründe

1. Die Beschwerde ist in entsprechender Anwendung des § 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als unbegründet zurückzuweisen (zur analogen Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO für die Fälle grundsätzlicher Bedeutung vgl. Senatsbeschluss vom 10. Dezember 2003 X B 134/02, BFH/NV 2004, 906, m.w.N.; für den Fall des Verfahrensmangels vgl. die Nachweise bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 98).

2. Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob dem Finanzgericht (FG) deswegen ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO unterlaufen ist, weil es entgegen dem Antrag des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger), das Verfahren nicht nach § 74 FGO ausgesetzt hat. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob das angefochtene Urteil von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 22. Juni 1995  2 BvL 37/91 (BVerfGE 93, 121) abweicht (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Es kann auch dahingestellt bleiben, ob der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) trotz der nach § 363 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) eingetretenen Verfahrensruhe über den Einspruch des Klägers hat entscheiden dürfen und ob diese Frage von grundsätzlicher Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist. Denn selbst wenn im Falle der Revisionszulassung die Revision insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG führen würde und das FG dann die Einspruchsentscheidung isoliert aufheben müsste, hätte der Kläger bei Fortsetzung des Einspruchsverfahrens in der Sache keinen Erfolg. Zum einen könnte das FA das Einspruchsverfahren sofort fortsetzen, weil nach der Entscheidung desBVerfG im Beschluss vom 18. Januar 2006  2 BvR 2194/99 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2006, 507; Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2006, 555; Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2006, 1191) der Grund für das Ruhen des Verfahrens entfallen ist. Zum anderen hat das BVerfG mit diesem Beschluss entschieden, dass sich entgegen der Ansicht des Klägers aus dem Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 des Grundgesetzes) eine mit dem Begriff "Halbteilungsgrundsatz" umschriebene allgemein verbindliche Belastungsobergrenze in der Nähe einer hälftigen Teilung nicht ableiten lässt. Damit ist die materiell-rechtliche Streitfrage, um deren Klärung es in der Sache geht, vom FG zutreffend entschieden worden. Eine Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung an das FG brächten den Kläger dem von ihm letztlich erstrebten Ziel keinen Schritt näher, mit Hilfe des Halbteilungsgrundsatzes seine Einkommensteuerbelastung für 1996 zu reduzieren. 

Dafür, dass die steuerliche Belastung des Klägers ein Ausmaß erreicht hat, dass der wirtschaftliche Erfolg seiner Tätigkeit grundlegend beeinträchtigt wird und damit nicht mehr angemessen zum Ausdruck kommt (vgl. Beschluss des BVerfG in HFR 2006, 507; DStR 2006, 555; NJW 2006, 1191), hat der Kläger nichts vorgebracht und ist im Übrigen auch nichts ersichtlich.

Vor diesem Hintergrund die Revision zuzulassen, widerspräche der mit § 126 Abs. 4 FGO verfolgten Prozessökonomie.

Auch ist nicht ersichtlich, dass der Kläger ein auf die Aufhebung des FG-Urteils gerichtetes Interesse deswegen hätte, weil er nach einer Zurückverweisung der Sache an das FG die Möglichkeit einer kostengünstigeren Beendigung des Verfahrens --insbesondere durch Rücknahme-- nutzen würde. Sein Vorbringen lässt erkennen, dass er in der Sache selbst eine Minderung der Einkommensteuerbelastung anstrebt. Trotz diesbezüglicher Anfrage durch das Gericht hat er den Rechtsstreit nicht in der Hauptsache für erledigt erklärt, um auf diese Weise eine Kostenentscheidung nach billigem Ermessen zu erwirken.

3. Der Kläger wurde mit Vorsitzendenschreiben vom 29. Juli 2005 über die Rechtsauffassung des Senats unterrichtet und mit Schreiben der Senatsgeschäftsstelle vom 12. April 2006 auf den Beschluss des BVerfG in HFR 2006, 507; DStR 2006, 555; NJW 2006, 1191 und die Möglichkeit der kostenfreien Rücknahme der Beschwerde hingewiesen.

4. Die vom Kläger mit Schreiben vom 10. Mai 2006 als klärungsbedürftig bezeichneten Fragen nach der Höhe des Streitwerts und nach der Kostengrundentscheidung in Verfahren wegen des Halbteilungsgrundsatzes rechtfertigen keine Revisionszulassung. Sie sind lange nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist des § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO erstmals aufgeworfen worden und müssen daher unberücksichtigt bleiben. Im Übrigen sind sämtliche vom Kläger in diesem Zusammenhang genannten und von seinem Prozessbevollmächtigten betriebenen Verfahren vor dem BVerfG dadurch abgeschlossen worden, dass die gegen die Beschlüsse des Bundesfinanzhofs gerichteten Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen wurden.

5. Der Senat sieht entgegen der Auffassung und dem im Schreiben vom 10. Mai 2006 gestellten Antrag des Klägers keinen Anlass, das Verfahren nach § 74 FGO auszusetzen. Die vom Kläger weiterhin behauptete Vorgreiflichkeit des durch den Beschluss des BVerfG in HFR 2006, 507; DStR 2006, 555; NJW 2006, 1191 beendeten Verfahrens 2 BvR 2194/99 für die von ihm gestellten Fragen ist zu verneinen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1631663

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