Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsätzliche Bedeutung bei einer Ermessensentscheidung

 

Leitsatz (NV)

Zu den Begründungsanforderungen einer NZB wegen Divergenz und grundsätzlicher Bedeutung; hier Antrag auf Erlass von Zuckersteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, Abs. 3 S. 3; AO 1977 § 227

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) meldete im Januar 1991 und 1992 jeweils für das vorangegangene Jahr eine besondere Zuckersteuer (für 1990 in Höhe von … DM und für 1991 in Höhe von … DM) beim Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt ―HZA―) an. Die Anmeldungen wurden vom HZA nicht geändert und von der Klägerin nicht angefochten. Mit Schreiben vom 21. Januar 1993 teilte die Klägerin mit, eine interne Überprüfung habe ergeben, dass für die Jahre 1990 und 1991 keine Zuckersteuer in der von ihr berechneten Höhe entstanden sei. Durch Verwechselung des Vorzeichens sei bei der Differenzberechnung fälschlich ein Steuervorteil angemeldet worden, der zu der Annahme geführt habe, dass Zuckersteuer zu entrichten gewesen sei. Unter Hinweis auf die Anlagen zu den Steueranmeldungen, die zutreffend keinen Steuervorteil auswiesen, beantragte die Klägerin, ihr einen Betrag von insgesamt … DM zurückzuerstatten.

Da nach Auffassung des HZA wegen Ablaufs der Festsetzungsfristen eine Änderung der Bescheide nicht in Betracht kam, stellte die Klägerin am 29. Dezember 1993 einen Antrag auf Erlass der Zuckersteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen. Den Antrag lehnte das HZA mit Bescheid vom 1. Februar 1995 ab. Beschwerde und Klage hiergegen blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, Erlassmaßnahmen nach § 227 der Abgabenordnung (AO 1977) dürften nicht dazu dienen, die Bestandskraft eines Verwaltungsaktes auszuhöhlen. Selbst bei offensichtlich fehlerhaft festgesetzten Steuerschulden komme deshalb eine Erlassmaßnahme nur in Betracht, wenn der Steuerpflichtige daran gehindert gewesen sei, sich gegen die Fehlerhaftigkeit rechtzeitig zu wehren. Dies sei hier nicht der Fall gewesen, weil es die Klägerin versäumt habe, ihre eigenen Anmeldungen zu überprüfen.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Außerdem bestehe eine Divergenz zu den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30. April 1981 VI R 169/78 (BFHE 133, 255, BStBl II 1981, 611) und vom 11. August 1987 VII R 121/84 (BFHE 150, 502, BStBl II 1988, 512).

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 1 FGO zuzulassen.

1. Nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO ist in der Beschwerdeschrift, wenn die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO begehrt wird, die Abweichung des Urteils des FG von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu bezeichnen; das verlangt, einen Rechtssatz aus der Entscheidung des FG einem Rechtssatz der höchstrichterlichen Rechtsprechung so gegenüberzustellen, dass die Abweichung erkennbar wird. Aus der Beschwerdeschrift ergibt sich indes allenfalls sinngemäß, welchen Rechtssatz das FG nach Auffassung der Beschwerde seiner Entscheidung zugrunde gelegt haben soll. Selbst wenn man jedoch von diesem formellen Mangel der Beschwerde absieht, muss sie jedenfalls daran scheitern, dass die angebliche Divergenz zu den in der Beschwerdeschrift benannten Entscheidungen des BFH nicht gegeben ist. Die Beschwerde übersieht insoweit, dass das FG ersichtlich von der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 30. September 1996 X B 131/96, BFH/NV 1997, 326) ausgegangen ist, wonach eine Erlassmaßnahme nach § 227 AO 1977 wegen sachlicher Härte bei Unanfechtbarkeit des den Steuerpflichtigen belastenden Verwaltungsakts nur dann in Betracht kommt, wenn zum einen der unanfechtbare Verwaltungsakt offensichtlich und eindeutig fehlerhaft ist und ―also kumulativ― der Steuerschuldner das seinerseits Erforderliche getan hat, um die richtige Festsetzung zu erreichen. Auch wenn das FG die vom BFH häufig gebrauchte Formulierung, "für den Steuerpflichtigen müsse es nicht möglich oder nicht zumutbar sein, sich gegen die Fehlerhaftigkeit rechtzeitig zu wehren" nicht benutzt hat, besteht kein Zweifel daran, dass das FG von der ständigen Rechtsprechung des BFH ausgegangen ist. Es hat nämlich darauf abgestellt, ob von der Klägerin nicht zu vertretende Gründe vorliegen oder geltend gemacht wurden, die sie daran gehindert haben, die fehlerhaften Steueranmeldungen rechtzeitig innerhalb der Rechtsbehelfsfristen zu korrigieren. Auf dieser Grundlage hat das FG die Ablehnung einer sachlichen Billigkeitsmaßnahme mit der Erwägung für ermessensgerecht erachtet, dass es die Klägerin versäumt habe, die Steueranmeldungen innerhalb der Festsetzungsfrist von einem Jahr zu überprüfen und keine Gründe ersichtlich seien, warum ihr eine Überprüfung der Bescheide nicht zuzumuten gewesen sei. Insoweit beruht die Entscheidung des FG letztlich auf einer Würdigung tatsächlicher Umstände, wobei in den zugrunde liegenden Rechtssätzen eine Divergenz zu den von der Klägerin angeführten BFH-Entscheidungen nicht erkennbar ist.

2. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) ist nicht ausreichend dargelegt worden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache muss in der Beschwerdeschrift dargelegt werden. Insoweit ist die schlüssige und substantiierte Darlegung der Voraussetzungen für das Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung erforderlich. Dazu muss die Beschwerde konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre Klärungsfähigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen. Insbesondere sind Ausführungen erforderlich, aus welchen Gründen und in welchem Umfang die Rechtsfrage umstritten ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 4. Oktober 1996 VIII B 2/96, BFH/NV 1997, 411, m.w.N.).

Dem genügt die in der Beschwerdeschrift enthaltene Aneinanderreihung von gerichtlichen Entscheidungen schon deshalb nicht, weil nicht nachvollziehbar dargestellt wird, inwiefern diese Entscheidungen für die Beurteilung des Streitfalles maßgebliche, zu unterschiedlichen Ergebnissen führende Rechtssätze aufstellen. Die Beschwerdeschrift enthält keine Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BFH und keine Ausführungen darüber, welche Rechtsfragen noch grundsätzlicher Klärung bedürfen und sich auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG im Streitfall stellen, so dass ihre Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Dargelegt wird nicht, inwieweit Rechtsfragen zur Ermessensausübung bei Erlassablehnung (§ 227 AO 1977) noch umstritten, klärungsbedürftig und (im angestrebten Revisionsverfahren) klärbar sind. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, "ob und in welcher Weise der Umstand, dass eine Steuer unter die abwälzbaren Steuern subsumiert wird, die Anwendbarkeit des § 227 AO berührt," ist im vorliegenden Verfahren nicht klärungsfähig. Das FG hat zwar zu der Frage Stellung genommen, ob bei abwälzbaren Steuern ―wie der Zuckersteuer― die Möglichkeit eines Billigkeitserlasses ausscheidet, wenn die Steuer tatsächlich überwälzt worden ist. Diese Ausführungen waren jedoch für das Urteil des FG allein nicht tragend, weil es zu Recht davon ausgegangen ist, dass bereits die ablehnende Beschwerdeentscheidung nicht hierauf gestützt war. Für die Ermessensentscheidung des HZA in Gestalt der Beschwerdeentscheidung durch die Oberfinanzdirektion (OFD) war es nämlich ohne Belang, ob die Klägerin die Zuckersteuer tatsächlich auf ihre Abnehmer abwälzen konnte. Auf die Problematik der nicht weitergegebenen Zuckersteuer ist die OFD lediglich "wegen der ausführlichen vorangegangen Diskussion zwischen dem HZA und der Klägerin" eingegangen, obwohl sie dies ausdrücklich nicht für entscheidungsrelevant hielt.

Im Übrigen ist der Beschwerdeschrift zu entnehmen, dass die Klägerin offensichtlich von unzutreffenden Anforderungen an eine Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung ausgeht. Denn es kommt nicht darauf an, dass das FG materielle Rechtsfragen nach Auffassung der Klägerin unzutreffend entschieden hat und dass das FG bestimmten tatsächlichen Umständen nicht ausreichend Rechnung getragen hat, die die Klägerin für erheblich hält. Denn mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts kann die Zulassung der Revision nicht erreicht werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 447271

BFH/NV 2001, 175

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