Entscheidungsstichwort (Thema)

Abzugsverbot nach § 4 Abs. 5 Nr. 8 EStG für Kartellrechtsbuße der EU-Kommission?

 

Leitsatz (NV)

Es ist ernstlich zweifelhaft, ob eine von der Europäischen Kommission verhängte Geldbuße wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens dem Verbot des Betriebsausgabenabzugs nach § 4 Abs. 5 Nr. 8 EStG unterliegt.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 5 Nr. 8; FGO § 69

 

Verfahrensgang

FG München (Beschluss vom 23.10.2003; Aktenzeichen 6 V 335/03; EFG 2004, 212)

 

Tatbestand

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob ein von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften (EG-Kommission) verhängtes Bußgeld wegen Kartellverstößen dem Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nr. 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unterliegt. Außerdem ist streitig, ob eine dem Vater des Mehrheitsgesellschafters der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) erteilte Pensionszusage als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) zu werten ist.

Die Antragstellerin ist eine GmbH, deren Gesellschaftsanteile im Streitjahr 1996 zu 90 v.H. von X und zu 10 v.H. von dessen Ehefrau gehalten wurden. Vom 1. Januar 1997 an ―und auch im Streitjahr 1998― war alleinige Gesellschafterin der Antragstellerin eine GmbH.

Im Jahr 1998 setzte die EG-Kommission gegen verschiedene Unternehmen, zu denen u.a. die Antragstellerin gehörte, wegen Beteiligung an einem unzulässigen Kartell Bußgelder fest. Der Anteil der Antragstellerin an diesem Bußgeld belief sich auf über 2.000.000 DM.

Die Antragstellerin bildete in ihrer Bilanz auf den 31. Dezember 1996 im Hinblick auf das ihr drohende Bußgeld eine Rückstellung in Höhe von 1 Mio. DM, der sie in der Bilanz auf den 31. Dezember 1998 nochmals denselben Betrag zuführte. Die hierdurch verursachte Gewinnminderung hielt der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) im Anschluss an eine Außenprüfung für nicht berücksichtigungsfähig. Er ging deshalb in geänderten Steuerbescheiden für die Streitjahre von einem jeweils um 1 Mio. DM erhöhten Gewinn aus.

Die Antragstellerin hatte ferner dem Vater des X, Herrn Z, im Dezember 1988 eine Altersversorgung zugesagt. Das FA hatte darin eine vGA gesehen, da Z bei Erteilung der Zusage 74 Jahre alt war und zudem der Versorgungsfall schon im Januar 2000 eintreten sollte. Die Klage der Antragstellerin gegen die dieserhalb erlassenen Bescheide hatte das Finanzgericht (FG) abgewiesen; die Nichtzulassungsbeschwerde gegen sein Urteil wurde vom beschließenden Senat zurückgewiesen (Beschluss vom 19. Juni 2000 I B 110/99, BFH/NV 2001, 67). In den im Anschluss an die Außenprüfung erlassenen Bescheiden für 1998 ging das FA weiterhin von einer Würdigung der Pensionszusage als vGA aus.

Die Antragstellerin legte gegen die genannten Änderungsbescheide Einsprüche ein, über die noch nicht entschieden worden ist. Einen Antrag der Antragstellerin, die Vollziehung der Bescheide in Höhe der ―in der Antragsschrift betragsmäßig bestimmten― noch nicht bezahlten Steuerbeträge auszusetzen, lehnten sowohl das FA als auch das anschließend angerufene FG ab. Der Beschluss des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 212 abgedruckt.

Mit ihrer vom FG zugelassenen Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Sie trägt außerdem vor, das FA habe einen Teil der streitigen Steuerbeträge inzwischen mit Steuererstattungsansprüchen verrechnet; insoweit begehrt sie nunmehr eine Aufhebung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide. Sie beantragt deshalb sinngemäß, die Vollziehung der angefochtenen Körperschaftsteuerbescheide in Höhe von … € Körperschaftsteuer 1996 und … € Körperschaftsteuer 1998 sowie dementsprechend die Vollziehung der Gewerbesteuer-Messbescheide 1996 und 1998 auszusetzen und mit Wirkung auf den Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide aufzuheben.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist, soweit sie den Gewerbesteuer-Messbescheid 1998 betrifft, unzulässig. Denn in diesem Bescheid ist der Messbetrag auf 0 DM festgesetzt worden, wodurch die Antragstellerin nicht beschwert ist. Anhaltspunkte dafür, dass gleichwohl eine Beschwer vorliegen könnte, sind weder von der Antragstellerin vorgebracht worden noch sonst erkennbar. Die Beschwerde muss daher insoweit verworfen werden.

III.

Hinsichtlich der übrigen Streitgegenstände ist die Beschwerde zulässig und begründet. Es ist ernstlich zweifelhaft i.S. des § 69 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO), ob die von der EU-Kommission verhängte Geldbuße als Betriebsausgabe abzuziehen und demnach die von der Antragstellerin gebildete Rückstellung steuerrechtlich zu berücksichtigen ist. Bis zur Klärung dieser Frage ist der Antragstellerin der begehrte einstweilige Rechtsschutz zu gewähren:

1. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die EG-Kommission u.a. gegen die X-Gruppe im Jahr 1998 in einem Kartellverfahren ein Bußgeld verhängt hat und dass die Antragstellerin der X-Gruppe angehörte. Ferner hat das FA der Angabe der Antragstellerin, dass der auf sie selbst entfallende Anteil an dem verhängten Bußgeld sich auf … DM belaufen hat, nicht widersprochen. Von diesen Vorgaben ist deshalb bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung auszugehen.

2. Das FA hat in den angefochtenen Bescheiden das Bußgeld deshalb nicht gewinnmindernd berücksichtigt, weil es annimmt, dass es sich dabei um eine gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 8 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) nicht abziehbare Betriebsausgabe handele. Demgegenüber hält die Klägerin den von ihr zurückgestellten Betrag von 2 Mio. DM für gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 8 Satz 3 EStG abziehbar. Diese Ansicht kann bei summarischer Betrachtung nicht als zweifelsfrei rechtsirrig angesehen werden.

a) § 4 Abs. 5 Nr. 8 EStG schließt u.a. Geldbußen, die von einem Organ der Europäischen Gemeinschaften festgesetzt worden sind, vom steuermindernden Abzug aus. Das bedeutet zugleich, dass das Drohen einer solchen Geldbuße nicht die Bildung einer gewinnmindernden Rückstellung rechtfertigt (Senatsurteil vom 9. Juni 1999 I R 64/97, BFHE 189, 75, BStBl II 1999, 656). Im Streitfall, in dem es um eine von der EG-Kommission festgesetzte Geldbuße geht, ist deshalb diese Vorschrift einschlägig.

b) Nach § 4 Abs. 5 Nr. 8 Satz 4 EStG gilt das Abzugsverbot für Geldbußen nicht, soweit der durch den Gesetzesverstoß erlangte wirtschaftliche Vorteil abgeschöpft worden ist, wenn die auf den wirtschaftlichen Vorteil entfallenden Steuern vom Einkommen und vom Ertrag nicht abgezogen worden sind. Diese Ausnahmebestimmung hat zwei Voraussetzungen: Zum einen muss durch die festgesetzte Geldbuße der durch den Gesetzesvorstoß erzielte wirtschaftliche Vorteil abgeschöpft worden sein; zum anderen muss bei der Bemessung der festgesetzten Geldbuße die steuerliche Nichtabziehbarkeit der Geldbuße unberücksichtigt geblieben sein. Liegen im Einzelfall beide Voraussetzungen vor, so ist im Hinblick auf eine drohende Geldbuße auch für eine Verbindlichkeitsrückstellung Raum. Ob und ggf. in welcher Höhe eine solche gebildet werden darf, richtet sich nach den insoweit geltenden allgemeinen Regeln.

c) Im Streitfall hat das FG in Übereinstimmung mit den Beteiligten angenommen, dass die EG-Kommission bei der Bemessung der Geldbuße deren Nichtabziehbarkeit nicht berücksichtigt hat. Dies mag zwar nicht zwingend sein; insbesondere lässt sich weder der Entscheidung der Kommission noch dem nachfolgenden Urteil des EuG entnehmen, ob und ggf. in welcher Weise Überlegungen zur steuerlichen Abziehbarkeit der festzusetzenden Geldbußen in deren Bemessung eingeflossen sind. Jedoch ist ernstlich in Betracht zu ziehen, dass entweder die EG-Kommission stillschweigend von der Abziehbarkeit der Geldbußen ausgegangen ist oder dass sie sich hierüber keinerlei Gedanken gemacht hat. Dies kann zur Anwendung des § 4 Abs. 5 Nr. 8 Satz 4 EStG ausreichen. Angesichts des Umstands, dass das FA in diesem Punkt der Antragstellerin folgt, sieht der Senat die Sach- und Rechtslage insoweit als nicht geklärt an. Er geht deshalb im summarischen Verfahren davon aus, dass im Fall der Antragstellerin die auf den wirtschaftlichen Vorteil entfallenden Ertragsteuern i.S. des § 4 Abs. 5 Nr. 8 Satz 4 EStG "nicht abgezogen worden sind".

d) Die im Streitfall entscheidende Frage ist hiernach, ob und ggf. in welchem Umfang der wirtschaftliche Vorteil der Antragstellerin durch die festgesetzte Geldbuße abgeschöpft worden ist. FA und FG haben eine solche Abschöpfung mit der Erwägung verneint, dass die Geldbuße nicht in Abhängigkeit von der Höhe des wirtschaftlichen Vorteils bemessen worden sei, sondern Bemessungsgrundlage einerseits die Schwere der geahndeten Tat und andererseits der Umsatz der X-Gruppe im letzten Jahr vor der Verhängung der Buße gewesen seien. Diese Beurteilung erscheint dem beschließenden Senat nicht zweifelsfrei zutreffend.

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats ist der in § 4 Abs. 5 Nr. 8 Satz 4 EStG genannte "wirtschaftliche Vorteil" zwar nicht mit dem "Mehrerlös" im Sinne des Kartellrechts identisch. Beide Größen weisen jedoch so enge Bezugspunkte zueinander auf, dass die kartellrechtlich vorgesehene Abschöpfung eines "Mehrerlöses" in der Regel zugleich als Abschöpfung des "wirtschaftlichen Vorteils" anzusehen ist. Das gilt unabhängig davon, ob sich bei der konkret festgesetzten Buße "Ahndungsteil" und "Abschöpfungsteil" eindeutig voneinander abgrenzen lassen oder nicht (Senatsurteil vom 9. Juni 1999 I R 100/97, BFHE 189, 79, BStBl II 1999, 658). Diese Auslegung entspricht insbesondere dem Wortlaut des § 4 Abs. 5 Nr. 8 Satz 4 EStG: Dort heißt es nicht, dass ein gewinnmindernder Betriebsausgabenabzug nur dann möglich sei, wenn das Gericht oder die Behörde bei der Bemessung der Strafe oder Geldbuße an einen konkreten wirtschaftlichen Vorteil angeknüpft hat; die vom Gesetzgeber gewählte Formulierung ("soweit der wirtschaftliche Vorteil … abgeschöpft worden ist") spricht vielmehr dafür, dass jede betragsmäßige Korrespondenz zwischen der Höhe der Strafe oder Buße einerseits und dem wirtschaftlichen Vorteil andererseits zur Abziehbarkeit führen soll. Von dieser Vorgabe ist bei der im Streitfall gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage auszugehen.

bb) Die kartellrechtlichen Sanktionen der EG-Kommission sind nicht auf einen konkreten Mehrerlös bezogen und auf dessen Abschöpfung gerichtet, sondern dienen vor allem der Ahndung des Verstoßes und der Abschreckung potentieller Nachahmer (vgl. hierzu EuGH-Urteil vom 7. Juni 1983 Rs. 100 - 103/80, "Musique Diffusion Francaise", Slg. 1983, 1825, Tz. 105 f.). Deshalb hängt die Höhe einer zu verhängenden Geldbuße gemäß Art. 15 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 17/62 von der Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung ab. Bei deren Beurteilung ist nicht nur auf die Menge und den Wert der Waren abzustellen, auf die sich die Zuwiderhandlung erstreckte; vielmehr kann auch die Wirtschaftskraft des betreffenden Unternehmens berücksichtigt werden, die für den Einfluss dieses Unternehmens auf den Markt von Bedeutung sein kann (EuG-Urteile vom 21. Februar 1995 Rs. T-29/92, "SPO u.a.", Slg. 1995, II-289, Tz. 385; vom 14. Mai 1998 Rs. T-327/94, "SCA Holding", Slg. 1998, II-1373, Tz. 176). Die Wirtschaftskraft kann wiederum u.a. aus dem Umsatz des Unternehmens abgeleitet werden (EuGH-Beschluss vom 25. März 1996 Rs. C-137/95 P, "SPO", Slg. 1996, I-1611, Tz. 54), und zwar nicht nur aus dem Umsatz auf demjenigen Markt, auf den sich die Zuwiderhandlung bezieht, sondern ggf. auch aus dem Gesamtumsatz (EuGH-Urteil vom 8. Februar 1990 Rs. C-279/87, "Tipp-Ex GmbH & Co. KG", Slg. 1990, I-262, Tz. 3). Schließlich ist anerkannt, dass es für die Bemessung der Geldbuße keine abschließende Liste von in jedem Fall zu berücksichtigenden Kriterien gibt, sondern dass sowohl über die Heranziehung als auch über die Gewichtung der zu beachtenden Gesichtspunkte jeweils im Einzelfall zu entscheiden ist (EuGH-Urteil vom 17. Juli 1997 Rs. C-219/95 P, "Ferriere Nord", Slg. 1997, I-4411, Tz. 33, m.w.N.). Nach diesen Grundsätzen ist die EG-Kommission nach Aktenlage im Streitfall verfahren. Deshalb ist dem FG darin beizupflichten, dass die von ihr festgesetzte Geldbuße weder insgesamt noch zu einem abgrenzbaren Teil ausschließlich oder vornehmlich der Gewinnabschöpfung dient.

Jedoch schließt der genannte Charakter der Geldbußen nicht aus, dass diese zugleich eine Abschöpfung des Mehrerlöses und damit des wirtschaftlichen Vorteils i.S. des § 4 Abs. 5 Nr. 8 Satz 4 EStG bewirken. Insbesondere heißt es in den für die Bußgeldbemessung maßgeblichen "Leitlinien" der EG-Kommission (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ―ABlEG― 1998 Nr. C 9, 3) ausdrücklich, dass als "erschwerender Umstand" die Notwendigkeit angesehen werden könne, den Betrag der unrechtmäßig erzielten Gewinne zu übertreffen (vgl. Scholz/Haus, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ―EuZW― 2002, 682, 685 ff., m.w.N.); insoweit besteht mithin ein zumindest mittelbarer Zusammenhang zwischen Mehrerlös und Höhe der Geldbuße. Überdies kann allgemein bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung der Gewinn berücksichtigt werden, den das Unternehmen aus seinem Verhalten ziehen konnte (EuG-Urteil vom 21. Oktober 1997 Rs. T-229/94, "Deutsche Bahn", Slg. 1997, II-1689, Tz. 127). Diese Überlegungen sprechen dafür, bei europäischen Kartellrechtsbußen eine Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils ebenso wenig für ausgeschlossen zu halten wie bei Sanktionen auf Grund des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die vom Senat als unter § 4 Abs. 5 Nr. 8 Satz 4 EStG fallend angesehen worden sind (ebenso Scholz/Haus, EuZW 2002, 682, 688).

cc) Das österreichische Recht entspricht dem deutschen insoweit, als danach Geldstrafen nur abziehbar sind, wenn und soweit sie der Abschöpfung der Bereicherung des Steuerpflichtigen dienen (Doralt, Einkommensteuerrecht, § 4 Rz. 264). Angesichts dessen bietet die Handhabung der dortigen Finanzbehörden einen zusätzlichen Anhaltspunkt dafür, dass eine vergleichbare Beurteilung für das deutsche Recht ernstlich in Betracht kommt.

3. Die Höhe der hiernach möglicherweise zu berücksichtigenden Betriebsausgaben wird ggf. im weiteren Verlauf des Besteuerungsverfahrens zu ermitteln und unter Umständen zu schätzen sein (vgl. Senatsurteil in BFHE 189, 79, BStBl II 1999, 658). Im summarischen Verfahren sieht der Senat keine Veranlassung, die vom FA nicht bestrittene Behauptung der Antragstellerin in Zweifel zu ziehen, dass es sich hierbei zumindest um einen Betrag von 2 Mio. DM handelt. Zwar werden im Hauptverfahren die abziehbaren Ausgaben nicht anhand abstrakter Überlegungen berechnet werden können, sondern aus von der Antragstellerin darzulegenden wirtschaftlichen Daten abgeleitet werden müssen. Die Antragstellerin wird dazu insbesondere den Mehrgewinn, den sie auf Grund ihrer Teilnahme am Kartell erzielt hat, beziffern und erforderlichenfalls belegen müssen. Im Rahmen des Eilverfahrens ist dafür jedoch kein Raum, weshalb es hier bei dem Ansatz des bislang unstreitigen Betrags verbleiben muss.

4. In Höhe der ggf. zu berücksichtigenden Zahlungsverpflichtung musste die Antragstellerin eine gewinnmindernde Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten bilden. Denn sie musste an den maßgeblichen Bilanzstichtagen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit einer Inanspruchnahme durch die EG-Kommission rechnen, und die ihr auferlegte Geldbuße war wirtschaftlich durch ein voraufgegangenes Verhalten veranlasst.

Das gilt ohne weiteres für die in der Bilanz auf den 31. Dezember 1998 gebildete Rückstellung. Aber auch die in der Bilanz auf den 31. Dezember 1996 gebildete Rückstellung ist bei summarischer Betrachtung berechtigt. Denn einerseits hatte die EG-Kommission nach Aktenlage schon im Jahr 1995 Untersuchungen bei der Antragstellerin aufgenommen, so dass deren wettbewerbswidriges Verhalten Ende 1996 entdeckt war und die Antragstellerin hiervon Kenntnis hatte. Zum anderen kann angesichts der Höhe der später tatsächlich festgesetzten Geldbuße davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin schon Ende 1996 mit einer Sanktion in der Größenordnung von 1 Mio. DM rechnen musste. Anhaltspunkte dafür, dass seinerzeit eine erheblich geringere Bußandrohung im Raum gestanden hätte, sind weder vom FA vorgebracht worden noch sonst erkennbar.

Die Bildung einer Rückstellung zum 31. Dezember 1996 wäre zwar unzulässig gewesen, wenn zu diesem Zeitpunkt die Erwartung berechtigt gewesen wäre, dass die EG-Kommission bei der Festsetzung der Geldbuße deren steuerliche Nichtabziehbarkeit berücksichtigen werde (vgl. Senatsurteil in BFHE 189, 75, BStBl II 1999, 656). Doch hat die Antragstellerin unbestritten vorgetragen, dass die EG-Kommission die Besteuerung der von ihr verhängten Geldbußen generell außer Acht lasse. In diesem Fall musste die Antragstellerin schon am 31. Dezember 1996 mit einer Nichtberücksichtigung ihrer Ertragsteuerbelastung rechnen, weshalb auch unter diesem Gesichtspunkt die Berechtigung der Rückstellung bei summarischer Prüfung nicht ausgeschlossen werden kann.

5. Die im Eilverfahren gebotene Berücksichtigung der Rückstellungen führt hinsichtlich beider Streitjahre dazu, dass die Vollziehung der angefochtenen Bescheide antragsgemäß auszusetzen ist. Die von der Antragstellerin außerdem angesprochene Frage der steuerlichen Behandlung der Zahlungen an Z ist angesichts dessen im vorliegenden Verfahren nicht entscheidungserheblich. Ferner ist die Vollziehung der Bescheide in demselben Umfang mit Wirkung auf den Zeitpunkt ihres Erlasses aufzuheben, da die ernstlichen Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit schon damals bestanden haben.

6. Sowohl die Aussetzung als auch die Aufhebung der Vollziehung erfolgen ohne Sicherheitsleistung (§ 69 Abs. 2 Satz 3 FGO). Das FA hat zwar erstinstanzlich hilfsweise beantragt, einstweiligen Rechtsschutz nur gegen Sicherheitsleistung zu gewähren. Es hat jedoch nicht dargetan, weshalb der Steueranspruch anderenfalls durch die Aussetzung oder die Aufhebung der Vollziehung gefährdet würde. Ohne Angabe dazu kann aber keine Sicherheitsleistung angeordnet werden (BFH-Beschluss vom 20. März 2002 IX S 27/00, BFH/NV 2002, 809).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1151217

BFH/NV 2004, 959

BB 2004, 2121

DStRE 2004, 1449

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