Entscheidungsstichwort (Thema)

"Verschleierte Sacheinlage" durch Einbringung eines Einzelunternehmens in eine GmbH

 

Leitsatz (NV)

Bringt ein Steuerpflichtiger seinen bisher als Einzelunternehmen geführten, bilanziell überschuldeten Betrieb ,,ohne Anrechnung auf das Stammkapital" in eine GmbH ein, ist ernstlich zweifelhaft, ob durch den Einbringungsvorgang eine Steuerpflicht begründet wird.

 

Normenkette

AO 1977 § 41 Abs. 1; EStG § 16 Abs. 1, 3; EStDV § 7 Abs. 1; UmwStG 1977 § 20 Abs. 1; GmbHG § 5 Abs. 4

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Die Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) gründeten im Jahre 1985 eine GmbH. Sie übernahmen auf das Stammkapital der Gesellschaft (50 000 DM) Stammeinlagen in Höhe von jeweils 25 000 DM. Laut Gründungsurkunde vom 25. September 1985 waren die Gesellschaftereinlagen voll eingezahlt. Im Anschluß an die Gründung brachte der Antragsteller seinen bisher als Einzelunternehmen geführten Betrieb ,,ohne Anrechnung auf das Stammkapital" in die GmbH ein. Nach Darstellung der Antragsteller war das Einzelunternehmen ,,bilanziell überschuldet"; die GmbH übernahm die Verbindlichkeiten des früheren Einzelunternehmens.

Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) sah in der Einbringung der Einzelfirma eine gewinnrealisierende Betriebsaufgabe und errechnete einen nach § 34 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) begünstigten Aufgabegewinn in Höhe von . . . DM. Über den gegen den berichtigten Einkommensteuerbescheid eingelegten Einspruch hat das FA noch nicht entschieden.

Das Finanzgericht (FG) hat die Vollziehung der Einkommensteuer, soweit sie auf den Ansatz eines Aufgabegewinns entfällt, ausgesetzt. Das FG Düsseldorf habe durch Urteil vom 19. Dezember 1985 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1986, 375; zustimmend Knobbe-Keuk in Steuerberater-Jahrbuch - StbJb - 1986/87, S. 128 ff., 144) gewichtige Einwände gegen die Annahme einer gewinnrealisierenden Betriebsaufgabe vorgetragen. Es sei daher bedenkenswert, daß die ,,Buchwertveräußerung" die Fortführung des unternehmerischen Engagements in anderer Rechtsform mit der Folge einer analogen Anwendung des § 20 des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen bei Änderung der Unternehmensform (UmwStG 1977) oder des § 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) darstelle.

Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde beantragt das FA, den angefochtenen Beschluß des FG aufzuheben und den Antrag nach § 69 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

Die Antragsteller beantragen, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Das FG hat im Ergebnis zu Recht ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids bejaht (§ 69 FGO). Aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist denkbar, daß durch den Einbringungsvorgang eine Steuerpflicht nicht begründet worden ist.

§ 20 Abs. 1 UmwStG 1977 dürfte allerdings weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar sein. Die Vorschrift enthält eine Legaldefinition der Sacheinlage des Inhalts, daß - bezogen auf den Streitfall - ein Betrieb in eine unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaft eingebracht wird und der Einbringende dafür neue Anteile an der Gesellschaft erhält. Zu Recht gehen die Beteiligten davon aus, daß vorliegend den Anforderungen des § 5 Abs. 4 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) an eine handelsrechtlich wirksame Sacheinlage nicht genügt ist. Eine solche erfordert nach § 5 Abs. 4 GmbHG, daß u. a. der Gegenstand der Sacheinlage und der Betrag der Stammeinlage, auf die sich die Sacheinlage bezieht, im Gesellschaftsvertrag festgesetzt werden. Dies war hier nicht der Fall. Nach Auffassung des Senats liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß hier eine entsprechende Anwendung des § 20 UmwStG 1977 zulässig und geboten wäre. Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz des Inhalts, daß bei jeglicher Einbringung eines Betriebes in eine Kapitalgesellschaft eine Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe nicht vorliegen sollte. Es sind beachtliche Gründe dafür denkbar, daß das Umwandlungssteuerrecht an handelsrechtliche Tatbestandsmerkmale anknüpft (vgl. zu § 17 Abs. 7 UmwStG 1969 Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. April 1981 I R 157/77, BFHE 134, 404). Es liegt nahe, die Begünstigung durch § 20 Abs. 1 UmwStG 1977 dann zu versagen, wenn die Einbringung unter Verstoß gegen Gesellschaftsrecht (hier: § 5 Abs 4 Satz 1 GmbHG) vollzogen wird.

Gleichwohl sind in der Literatur gegen eine steuerpflichtige Gewinnrealisierung gewichtige Einwände vorgetragen worden, die ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit begründen.

Schmidt (Einkommensteuergesetz, 8. Aufl., § 16 Anm. 38) befürwortet die Anwendung des § 7 Abs. 1 EStDV unter der Voraussetzung, daß als nachträgliche Anschaffungskosten für die Anteile an der Kapitalgesellschaft nur der Buchwert des eingebrachten Gewerbebetriebs angesetzt wird. Es bedarf der näheren Prüfung, ob überhaupt - auf welcher Ermächtigungsgrundlage - und ggf. unter welchen Voraussetzungen § 7 Abs. 1 EStDV den Anwendungsbereich des § 16 Abs. 3 EStG einschränken kann. § 7 Abs. 1 EStDV könnte jedenfalls nach seinem Wortlaut im Streitfall eingreifen.

Im Schrifttum wird im Fall der verschleierten Sacheinlage die Anwendung des § 20 Abs. 1 UmwStG 1977 i. V. m. § 41 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) befürwortet (z. B. Carlé, GmbH-Rundschau 1983, 203; Heinemann, Deutsche Steuer-Zeitung 1984, 37; Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Rz. 6917, m. w. N.; Widmann, Das Verhältnis von Handels- und Steuerrecht bei Wechsel der Rechtsform eines Unternehmens, in: Festschrift für Döllerer, 1987, 721 ff., 727 f.; a. A. Oppermann, Der Betrieb 1989, 753). Demgegenüber wäre zu prüfen, ob die insoweit abschließende Regelung des § 20 UmwStG 1977 an die Verwirklichung handelsrechtlicher Tatbestände anknüpft und es sich insoweit um eine spezielle Vorschrift im Sinne des § 41 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 handelt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416905

BFH/NV 1990, 537

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