Entscheidungsstichwort (Thema)

Richterablehnung; Rechtsmittel bei Verwerfung des Ablehnungsgesuchs

 

Leitsatz (NV)

1. Über das Ablehnungsgesuch wird grds. durch Beschluß entschieden, gegen den gemäß § 128 Abs. 1 FGO die Beschwerde gegeben ist.

2. Ist jedoch die Begründung dieses Beschlusses in den Entscheidungsgründen des zur Hauptsache ergangenen Urteils enthalten, oder wird über das Ablehnungsgesuch nicht durch gesonderten Beschluß, sondern im Urteil entschieden, können die Beteiligten den behaupteten Verfahrensmangel -- die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs in der geschäftsplanmäßigen Besetzung -- auch mit den gegen das Urteil statthaften Rechtsmitteln geltend machen.

 

Normenkette

FGO § 51 Abs. 1, § 115 Abs. 3, § 128 Abs. 1

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhoben wegen Einkommensteuer 1990 im Hinblick auf die Höhe des Kinderfreibetrages und des Abzugs der Versicherungs beiträge Untätigkeitsklage gemäß § 46 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Das Finanzgericht (FG) wies die Untätigkeitsklage mit Gerichtsbescheid als unzulässig ab. Darauf beantragten die Kläger fristgemäß mündliche Verhandlung.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat das FG den gegen den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht A sowie gegen den Richter am Finanzgericht B gestellten Befangenheitsantrag in der geschäfsplanmäßigen Besetzung als unzulässig verworfen. Es hat die Klage mit Urteil als unzulässig abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, das Ablehnungsgesuch sei rechtsmißbräuchlich und damit offensichtlich unzulässig.

Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die vorliegende Nichtzulassungsbeschwerde, mit der die Kläger beantragen, die Revision wegen Verfahrensmängeln und grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Daneben haben die Kläger gegen die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs Beschwerde eingelegt.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist -- auch soweit die Kläger rügen, das FG habe das Ablehnungsgesuch nicht in der geschäftsplanmäßigen Besetzung verwerfen dürfen -- zulässig.

Zwar kann die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs, da es sich bei dem Richterablehnungsverfahren um ein selbständiges Zwischenverfahren handelt, in der Regel nicht mit der Revision oder der Nichtzulassungsbeschwerde gerügt werden (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 30. November 1981 GrS 1/80, BFHE 134, 525, BStBl II 1982, 217, unter C. II. 3.). Die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch erfolgt grundsätzlich durch Beschluß, gegen den den Beteiligten gemäß § 128 Abs. 1 FGO die Beschwerde an den BFH zusteht.

Wird hingegen ein Ablehnungsgesuch als rechtsmißbräuchlich verworfen und erfolgt die nach § 113 Abs. 2 FGO gebotene Begründung dieses Beschlusses in den Entscheidungsgründen des zur Hauptsache ergangenen Urteils, oder wird über das Ablehnungsgesuch nicht durch gesonderten Beschluß, sondern im Urteil entschieden, können die Beteiligten nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung (vgl. BFH-Urteil vom 12. August 1981 I B 72/80, BFHE 134, 216, BStBl II 1982, 128) den behaupteten Verfahrensmangel -- die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs in der geschäftsplanmäßigen Besetzung -- auch mit den gegen das Urteil statthaften Rechtsmitteln geltend machen.

Die Kläger haben im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs als Verfahrensmangel gerügt.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.

1. Der Einwand der Kläger, das FG habe das Ablehnungsgesuch nicht in der geschäftsplanmäßigen Besetzung als unzulässig verwerfen dürfen, hat keinen Erfolg. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob das Ablehnungsgesuch -- wie das FG annimmt -- rechtsmißbräuchlich war. Das FG durfte auch deshalb in der bisherigen Besetzung über den Befangenheitsantrag entscheiden, weil dieser aus anderen Gründen unzulässig war. Die Kläger hatten ihr Ablehnungsrecht nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO, § 43 der Zivilprozeßordnung (ZPO) verloren (BFH-Beschluß vom 22. März 1994 X B 81/93, BFH/NV 1994, 498). Die Kläger haben ihr Ablehnungsgesuch ausschließlich auf Befangenheitsgründe gestützt, die ihnen bzw. ihrem Prozeßbevollmächtigten, dessen Kenntnis sie sich zurechnen lassen müssen, bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebung bekannt waren. Spätestens mit Stellen des Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung haben die Kläger bezüglich dieser Gründe ihr Ablehnungsrecht verloren.

Soweit die Kläger auch Beschwerde wegen Richterablehnung eingelegt haben, wertet der Senat die Beschwerde -- auch aus Kostengründen -- nicht als selbständiges Rechtsmittel (vgl. BFH-Beschluß vom 18. Januar 1993 X B 14/92, BFH/NV 1993, 667). Im übrigen hätte eine Beschwerde wegen Richterablehnung ebenfalls keinen Erfolg, weil das Ablehnungsgesuch -- wie bereits dargelegt -- unzulässig war. Dem BFH-Beschluß vom 27. Juli 1992 VIII B 59/91 (BFH/NV 1993, 112) lag, soweit dort über eine Beschwerde wegen Richterablehnung in einem selbständigen Zwischenverfahren zu entscheiden war, eine andere Prozeßgeschichte zugrunde.

2. Das FG hat das Klageverfahren zu Recht nicht nach § 74 FGO ausgesetzt. Das Verfahren ist nur dann auszusetzen, wenn es zu einer Sachprüfung führen kann. Die Entscheidung, daß die Klage unzulässig ist, kann hingegen unabhängig vom Ausgang eines anderen, für die Sachprüfung vorgreiflichen Verfahrens ergehen (BFH-Beschluß vom 29. Juli 1993 X B 210/92, BFH/NV 1994, 382).

Für die Anordnung des Ruhens des Verfahrens gemäß § 155 FGO i. V. m. § 251 ZPO fehlte es bereits an einem entsprechenden Antrag des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt).

3. Im übrigen genügt die Beschwerdeschrift hinsichtlich der Bezeichnung eines Verfahrensmangels sowie der Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420406

BFH/NV 1995, 793

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