Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Wird die Vollziehung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids wegen strittiger Einkünfte aus Gewerbebetrieb ausgesetzt, so ist auch die Aussetzung der Vollziehung des bestandskräftigen Gewerbesteuermeßbescheids zulässig.

 

Normenkette

FGO § 69

 

Tatbestand

Das Finanzamt (FA) forderte auf Grund einer Betriebsprüfung Einkommensteuer und Umsatzsteuer nach; die Gewerbesteuermeßbeträge wurden erhöht. Im noch schwebenden Klageverfahren wegen der Einkommensteuer und Umsatzsteuer beantragte der Steuerpflichtige (Stpfl.) Aussetzung der Vollziehung der Verwaltungsakte (auch des bestandskräftigen Gewerbesteuermeßbescheids) gemäß § 69 Abs. 3 FGO. Das Finanzgericht (FG) entsprach dem Antrag nur zum Teil. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Stpfl.

Das FG hat für zulässig gehalten, die Vollziehungsaussetzung auf die Gewerbesteuer zu erstrecken. Es ist davon ausgegangen, daß der berichtigte Sammelbescheid über die Festsetzung der einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge 1959 bis 1962 vom 10. Mai 1965, der auf Grund der Einkommensteuereinspruchsentscheidung nach § 35 b GewStG erging, bestandskräftig geworden ist und daß die Aussetzung der Vollziehung eines bestandskräftigen Bescheides dem Gericht nach § 69 FGO verwehrt ist. Es hat aber für ausreichend angesehen, daß im Streitfall ein Erfolg der Klage sich nach § 35 b GewStG ohne weiteres auf die Gewerbesteuer auswirken wird.

 

Entscheidungsgründe

Nach § 35 b GewStG ist der Gewerbesteuermeßbescheid durch einen neuen Bescheid zu ersetzen, wenn der Einkommensteuerbescheid, der Körperschaftsteuerbescheid oder ein Feststellungsbescheid geändert wird und die änderung die Höhe des Gewinns aus Gewerbebetrieb berührt. Die änderung des Gewinns aus Gewerbebetrieb ist in dem neuen Meßbescheid insoweit zu berücksichtigen, wie sie die Höhe des Gewerbeertrags beeinflußt. Die Bestimmung ist dem § 218 Abs. 4 AO, der die änderung von Feststellungsbescheiden betrifft, nachgebildet. Sie stellt eine Vereinfachungsvorschrift dar, die das Recht der Steuerpflichtigen, eine selbständige und unabhängige Nachprüfung des Gewerbesteuermeßbescheids zu verlangen, nicht beeinträchtigt. Für ihre Anwendung ist deshalb kein Raum, wenn gegen den Meßbescheid ein Rechtsbehelf schwebt. Ist hingegen der Meßbescheid bestandskräftig, so hat sie eine dem § 218 Abs. 4 AO entsprechende Bedeutung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 19/65 U vom 6. Mai 1965, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 82 S. 476 - BFH 82, 476 -, BStBl III 1965, 419).

Nach § 69 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 3 FGO ist bei Aussetzung der Vollziehung eines angefochtenen Feststellungsbescheids oder Steuermeßbescheids auch die Vollziehung eines auf Grund dieser Bescheide ergangenen Bescheids auszusetzen. Der Bestimmung liegt der Rechtsgedanke zugrunde, daß dann, wenn die Entscheidung über den angefochtenen Bescheid sich unmittelbar auf andere Bescheide auswirkt, die Aussetzung der Vollziehung sich nicht auf den angefochtenen Bescheid beschränkt, sondern auch auf die von ihm abhängigen Bescheide erstrecken soll. Eine solche unmittelbare Bindung besteht nach § 35 b GewStG auch zwischen einem angefochtenen Einkommensteuerbescheid und dem ihm entsprechenden bestandskräftigen Gewerbesteuermeßbescheid hinsichtlich der Höhe der Einkünfte aus Gewerbebetrieb; denn die etwaige änderung des Gewinnbetrags im angefochtenen Einkommensteuerbescheid zieht die entsprechende änderung des bestandskräftigen Gewerbesteuermeßbescheids unmittelbar nach sich. Es erscheint deshalb zulässig, für die Anwendung des § 69 FGO einen angefochtenen Einkommensteuerbescheid insoweit einem Feststellungsbescheid gleichzustellen.

Gegen die Aussetzung der Vollziehung des bestandskräftigen Gewerbesteuermeßbescheids bestehen somit im Streitfall keine grundsätzlichen Bedenken. Dem Umfang nach hat sie der Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids, soweit diese wegen der strittigen gewerblichen Einkünfte geschieht, zu entsprechen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412252

BStBl III 1966, 651

BFHE 1966, 749

BFHE 86, 749

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