Leitsatz (amtlich)

Die Buchführung einer Maschinenfabrik ist nicht ordnungsmäßig, wenn das Vorratsvermögen in erheblichem Umfang mangelhaft inventarisiert ist (Fehlen von Mengenangaben) und die Uraufzeichnungen nicht mehr vorhanden sind.

 

Normenkette

EStG §§ 5, 10d; AO § 162 Abs. 8; HGB § 38 Abs. 1, § 39

 

Tatbestand

Zu entscheiden ist, ob die Vollziehung der Körperschaftsteuerbescheide 1966 und 1967 auszusetzen ist wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide (betreffend Versagung des Verlustabzugs wegen mangelnder Ordnungsmäßigkeit der Buchführung, § 10d EStG).

Die Beschwerdeführerin (Steuerpflichtige) ist eine am 1. Januar 1965 gegründete, aus einer Betriebsaufspaltung hervorgegangene GmbH, die eine Maschinenfabrik mit Maschinenhandel betreibt. Auf Grund des Ergebnisses einer Betriebsprüfung verneinte das FA für den Veranlagungszeitraum 1965 die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und versagte den Abzug des für dieses Jahr in Höhe von 22 545 DM geltend gemachten Verlustes bei den Körperschaftsteuer-Veranlagungen 1966 und 1967. Es führte aus, daß die in der Bilanz zum 31. Dezember 1965 mit insgesamt 93 280 DM ausgewiesenen Warenbestände unzulänglich aufgenommen worden seien. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Die Steuerpflichtige erhob Klage und beantragte beim FG die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Körperschaftsteuerbescheide 1966 (in Höhe von 6 588 DM) und 1967 (in Höhe von 1 844 DM). Das FG gab dem Aussetzungsantrag nicht statt. Es führte im wesentlichen folgendes aus. Die Buchführung sei im Jahre 1965 nicht ordnungsgemäß gewesen. Die Warenbestandsaufnahme zum 31. Dezember 1965 sei nicht nachprüfbar. Im Inventar fehle bei einer großen Zahl einzelner Posten, die wertmäßig etwa die Hälfte des Warenbestandes ausgemacht hätten, jede Angabe über die Mengen. Es könne nicht nachgeprüft werden, wie der Geschäftsführer zu den ausgewiesenen Werten gelangt sei. Das Verzeichnis sei aus sich heraus nicht beweiskräftig. Daher hätten wenigstens die Schmierzettel des Betriebspersonals aufbewahrt werden müssen. Die Bestandsaufnahme trage im übrigen nicht die nach § 41 HGB erforderliche Unterschrift des Geschäftsführers. Da der ausgewiesene Warenbestand etwa 1/3 der Bilanzsumme der Handelsbilanz ausmache, liege ein erheblicher Mangel der Buchführung vor. Wenngleich das FA das Buchführungsergebnis weitgehend der Besteuerung zugrunde gelegt und dabei die ausgewiesenen Warenbestände als geschätzte Posten übernommen habe, so habe dieser Umstand keinen Einfluß darauf, daß der Verlust 1965 nicht auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelt worden sei.

Mit ihrer Beschwerde macht die Steuerpflichtige geltend, daß das FG die Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung strenger beurteile als die Rechtsprechung des BFH (Hinweis auf BFH-Urteil I 169/55 U vom 6. Dezember 1955, BFH 62, 222, BStBl III 1956, 82). Danach brauchen die Uraufzeichnungen nicht aufbewahrt zu werden.

Das FA beantragt die Abweisung der Beschwerde.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Beschwerde ist unbegründet.

Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Körperschaftsteuerbescheide ist nicht ernstlich zweifelhaft im Sinn des § 69 Abs. 2 und 3 FGO.

Für die Entscheidung ist unerheblich, ob die Buchführung in den Veranlagungszeiträumen 1966 und 1967 ordnungsmäßig war, wie die Steuerpflichtige ausführt. Voraussetzung des Verlustabzugs ist, daß die Buchführung in dem Jahre ordnungsmäßig war, in dem der Verlust entstanden ist (BFH-Urteil IV R 259/69 vom 29. April 1970, BFH 99, 365, BStBl II 1970, 714).

Eine Buchführung ist ordnungsmäßig, wenn sie den Grundsätzen des Handelsrechts entspricht. Zu einer ordnungsgemäßen Buchführung gehört eine Vermögensübersicht am Ende eines jeden Wirtschaftsjahres, der eine Aufnahme (Inventur) aller vorhandenen Wirtschaftsgüter zugrunde liegen muß. Der Kaufmann hat im Inventar die Vermögensgegenstände "genau zu verzeichnen, dabei den Wert der einzelnen Vermögensgegenstände anzugeben" (§ 39 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 HGB). Die Bestände sind nach Art. Menge und Wert festzustellen. Die Warenbestandsaufnahme muß eine angemessene Kontrolle ermöglichen und die Gewähr bieten, daß die Bestände vollständig erfaßt und bewertet sind (vgl. BFH-Urteile I 169/55 U, a. a. O.; I 120/63 vom 9. Februar 1966, BFH 85, 184, BStBl III 1966, 278; VI 313/65 vom 25. März 1966, BFH 86, 301, BStBl III 1966, 487). Die allgemeinen handelsrechtlichen Grundsätze gelten auch für die Buchführung einer GmbH (§ 6 Abs. 1 HGB, §§ 41 ff. des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung).

Nach § 162 Abs. 8 AO in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Handelsgesetzbuches und der Reichsabgabenordnung vom 2. August 1965 (BGBl I 1965, 665, BStBl I 1965, 371), § 44 Abs. 1 HGB sind u. a. Inventare und Buchungsbelege aufzubewahren. Zu den Buchungsbelegen im Sinn dieser Vorschriften gehören auch die Originalaufzeichnungen der Warenbestandsaufnahmen. Der erkennende Senat hat in dem Urteil I 169/55 U (a. a. O.) ausgeführt, daß bei der Abgrenzung der Aufbewahrungspflicht auch die Verhältnisse des einzelnen Betriebs in Betracht zu ziehen sind. Während danach die Aufnahmelisten in der Regel aufzubewahren sind, können vorbereitende Schmierzettel, nachdem ihr Inhalt in die Aufnahmeliste übernommen worden ist, vernichtet werden. Hieran hält der Senat fest. Der Frage, inwieweit strengere Grundsätze dann gelten müßten, wenn die Bestände nicht von fremden Angestellten, sondern in kleineren Betrieben vom Inhaber oder seinen Angehörigen aufgenommen werden, braucht hier nicht erörtert zu werden. Denn auch wenn die Inventur vom Betriebspersonal besorgt wird, kann auf die Aufbewahrung von Originalnotizen (Schmierzetteln) insoweit nicht verzichtet werden, als die reingeschriebenen Aufnahmelisten unvollständig sind. Das ist vor allem der Fall, wenn - wie hier - Mengenangaben bei größeren Vermögenspositionen fehlen. Denn dann ist der Zweck der handels- und steuerrechtlichen Inventurvorschriften, eine angemessene Nachprüfung der Vollständigkeit der Bestandsaufnahme und der Richtigkeit der Bewertung zu ermöglichen, nicht erfüllt. Wenn dieser Mangel des Inventars erheblich ins Gewicht fällt, ist die Buchführung im ganzen nicht ordnungsmäßig. Bei dieser Beurteilung sind Betriebsgröße und Wirtschaftszweig zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil VI 248/64 vom 30. Juni 1965, HFR 1965, 537).

Im Streitfall handelte es sich um eine Maschinenfabrik, bei der das bilanzierte Vorratsvermögen rund 1/3 des Gesamt-(Roh-)vermögens ausmachte (Bilanzsumme rund 300 000 DM). Für etwa die Hälfte dieser Position fehlen im Inventar Mengenangaben. Bei dieser Größenordnung können sich Fehler der Bestandsaufnahme und/oder der Bewertung naturgemäß in beträchtlichem Umfang auf das Ergebnis und damit auf die Höhe des ausgewiesenen Verlustes auswirken, ohne daß dies nachprüfbar wäre. Mit Recht hat deshalb das FG hierin einen schwerwiegenden Mangel der Buchführung im ganzen erblickt.

Der Umstand, daß das FA das von der Steuerpflichtigen bilanzierte Vorratsvermögen im Sinne einer eigenen Schätzung betragsmäßig unverändert der Besteuerung zugrunde gelegt hat - und zwar als maßgebenden Anfangsbestand zum 1. Januar 1966 -, hat auf die Beurteilung der Buchführung als nichtordnungsmäßig keinen Einfluß (vgl. BFH-Urteile VI 313/65, a. a. O.; IV R 57/67 vom 31. Juli 1969, BFH 97, 246, BStBl II 1970, 125, ständige Rechtsprechung).

 

Fundstellen

Haufe-Index 69244

BStBl II 1971, 709

BFHE 1971, 517

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