Leitsatz (amtlich)

Wird bei einem einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren um die Höhe des Gewinns gestritten, so wird der Streitwert allein durch das mit einem v. H.-Satz des streitigen Gewinnanteils anzusetzende Interesse der von diesem Verfahren unmittelbar betroffenen Personen (Mitunternehmer) an einer Minderung ihrer Einkommensteuerschuld bestimmt; etwaige Folgewirkungen des Ausgangs eines Rechtsstreits um die Rechtmäßigkeit eines einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheids auf andere Steuerpflichtige müssen außer Betracht bleiben.

 

Normenkette

GKG § 13; AO a.F. § 215

 

Tatbestand

Die Revisionsklägerin und Erinnerungsführerin (Erinnerungsführerin), eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR), deren Gesellschafter die Eheleute A je zur Hälfte sind, betreibt ein gewerbliches Unternehmen. In den Jahren 1960 bis 1965 räumten die Eheleute A ihren vier Söhnen schenkweise je eine typische stille Beteiligung am Unternehmen der Erinnerungsführerin in Höhe von je 60 000 DM ein. Bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Gewinne der Erinnerungsführerin für die Jahre 1962 bis 1966 ließ das Finanzamt (FA) die den stillen Gesellschaftern jeweils gutgeschriebenen und bei der Gewinnermittlung der Erinnerungsführerin als Betriebsausgaben abgezogenen Gewinnanteile insoweit nicht als Betriebsausgaben zum Abzug zu, als sie 20 v. H. der jeweiligen Einlage von 60 000 DM überstiegen. Die Erinnerungsführerin erhob hiergegen nach erfolglosem Einspruch Klage. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Mit der Revision gegen das klageabweisende Urteil begehrte die Erinnerungsführerin, "das Finanzamt zu verurteilen, die den stillen Gesellschaftern 1962 bis 1966 gutgeschriebenen Gewinnanteile in voller Höhe als Betriebsausgaben anzuerkennen und die Gewinne der Gesellschaft entsprechend niedriger festzustellen". Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Revision mit Urteil vom 13. Januar 1977 IV R 38/74 (nicht veröffentlicht) als unbegründet zurück und erlegte die Kosten des Revisionsverfahrens der Erinnerungsführerin auf.

Die Kostenstelle beim BFH setzte mit Kostenrechnung vom 13. Juli 1977 KostL 848/77 (IV R 38/74) die Gerichtskosten für das Revisionsverfahren auf der Grundlage eines Streitwerts von 72 426 DM mit 1 120 DM an. Den Streitwert von 72 426 DM errechnete die Kostenstelle wie folgt:

1962 1963 1964 1965 1966

DM DM DM DM DM

Festgestellter Gewinn

(Gewinnanteil der

Gesellschafter je 1/2) 70 561 96 172 200 913 165 094 192 061

begehrte

Gewinnminderung 7 068 29 310 34 590 28 000 59 600

davon 35 % 35 % 50 % 45 % 50 %

Streitwert 2 473 10 258 17 295 12 600 29 800

Die Erinnerungsführerin erhob gegen die Kostenrechnung vom 13. Juli 1977 Erinnerung. Sie macht insbesondere geltend:

a) Streitig sei die Gewinnverteilung zwischen Familienangehörigen gewesen; deshalb sei - ähnlich wie wenn die Gewinnverteilung zwischen Ehegatten streitig sei - der Streitwert nur mit 10 v. H. des streitigen Gewinns anzusetzen. Das steuerliche Interesse der Familienangehörigen in ihrer Gesamtheit habe sich nur auf einige tausend DM belaufen.

b) In jedem Falle sei die Kostenstelle von zu hohen Prozentsätzen ausgegangen; nach den persönlichen Verhältnissen der Gesellschafter seien für 1962 und 1963 höchstens 30 v. H. und für 1964 bis 1966 höchstens 40 v. H. anzusetzen.

c) Die Auswirkungen auf die Gewerbesteuerrückstellung seien unberücksichtigt geblieben.

Die Kostenstelle beim BFH vertritt demgegenüber die Auffassung:

a) Bei der Streitwertberechnung könne nicht berücksichtigt werden, daß ein Erfolg der Revision nicht nur zu Einkommensteuerminderungen bei den Gesellschaftern der Erinnerungsführerin, sondern auch zu Einkommensteuererhöhungen bei den stillen Gesellschaftern geführt hätte.

b) Der für die Streitwertberechnung bei einheitlichen Gewinnfeststellungen anzuwendende Mindestsatz von 25 v. H. des streitigen Gewinns sei bei höheren Gewinnen entsprechend dem progressiven Einkommensteuertarif entsprechend zu erhöhen. Eine Überprüfung der gewählten Prozentsätze anhand der Einkommensteuerfestsetzungen für die Eheleute A habe ergeben, daß die begehrte Steuerminderung tatsächlich höher gewesen sei (75 304 DM) als der pauschal errechnete Streitwert (72 426 DM).

c) Eine Änderung der Gewerbesteuerrückstellung sei nicht zu berücksichtigen, weil die erhöhten Gewinnanteile der stillen Gesellschafter gemäß § 8 Nr. 3 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) bei der Ermittlung des Gewerbeertrags wieder hätten hinzugerechnet werden müssen, so daß es für die Höhe der geschuldeten Gewerbesteuer unerheblich sei, in welchem Umfange die Gewinnanteile der stillen Gesellschafter als Betriebsausgaben abgezogen werden könnten.

 

Entscheidungsgründe

Die Erinnerung ist nicht begründet.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist der Streitwert für ein Klageverfahren oder ein Revisionsverfahren, das die Rechtmäßigkeit eines einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheids zum Gegenstand hat, dann, wenn der Kläger sich gegen die Höhe des vom FA festgestellten Gewinns wendet und die Feststellung eines niedrigeren Gewinns (oder eines Verlustes) begehrt, durch Anwendung eines bestimmten Prozentsatzes auf den streitigen Gewinnbetrag zu ermitteln. Dabei ist grundsätzlich von einem Satz von 25 v. H. auszugehen. Um den Streitwert für das einheitliche Gewinnfeststellungsverfahren aber nach Möglichkeit den tatsächlichen Auswirkungen des Rechtsstreits auf die Einkommensbesteuerung der beteiligten Mitunternehmer nahezubringen, ist ein höherer Prozentsatz anzuwenden, sofern die Höhe der festgestellten Gewinne und Gewinnanteile der Mitunternehmer im Hinblick auf die progressive Ausgestaltung des Einkommensteuertarifs die Vermutung begründet, daß ein Streitwert in Höhe von nur 25 v. H. den tatsächlichen Auswirkungen des Rechtsstreits auf die Einkommensbesteuerung der beteiligten Mitunternehmer nicht gerecht wird (vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 25. August 1966 IV 3/64, BFHE 86, 569, BStBl III 1966, 611; BFH-Urteil vom 8. Juni 1967 IV R 46/66, BFHE 89, 235, BStBl III 1967, 610; BFH-Beschlüsse vom 8. November 1973 IV B 6/72, BFHE 110, 487, BStBl II 1974, 138; vom 11. September 1975 IV B 22/71, BFHE 116, 530, BStBl II 1976, 22).

Der Senat kann im Streitfall offenlassen, ob, wie der BFH bisher angenommen hat, ein höherer Prozentsatz als 25 v. H. bereits dann anzuwenden ist, wenn die Gewinnanteile der Mitunternehmer über 15 000 DM liegen (Beschluß IV 3/64). Ein höherer Prozentsatz als 25 v. H. ist jedenfalls dann angebracht, wenn, wie im Streitfall, die Gewinnanteile der einzelnen Mitunternehmer in den verschiedenen Streitjahren nach den angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheiden zwischen rd. 35 000 DM und rd. 100 000 DM und nach dem Revisionsbegehren zwischen rd. 31 500 DM und rd. 83 000 DM liegen.

2. Die Einwände der Erinnerungsführerin gegen den Streitwertansatz greifen nicht durch.

a) Zu Unrecht beanstandet die Erinnerungsführerin, daß der Streitwert nicht nach den Grundsätzen bemessen ist, die für den Streit um die Gewinnverteilung zwischen den Mitunternehmern einer Personengesellschaft anzuwenden sind (vgl. zu diesen Grundsätzen die BFH-Beschlüsse IV B 6/72; vom 8. November 1973 IV B 90/70, BFHE 110, 491, BStBl II 1974, 140; vom 17. Juli 1975 IV R 190/72, BFHE 116, 320, BStBl II 1975, 827). Im Revisionsverfahren IV R 38/74 war allein die Höhe der einheitlich festgestellten Gewinne der Erinnerungsführerin streitig, weil die Gewinnanteile eines typischen stillen Gesellschafters ebenso wie z. B. die Zinsen für Darlehensverbindlichkeiten bei der Ermittlung des Gewinns des Inhabers des Unternehmens als Betriebsausgaben abzuziehen sind. Wie die Gewinnanteile des typischen stillen Gesellschafters, um deren Abzug als Betriebsausgaben gestritten wird, einkommensteuerrechtlich beim typischen stillen Gesellschafter zu behandeln sind, ist nicht Gegenstand des einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahrens. Der Umstand, daß bei einem Erfolg der Revision der Erinnerungsführerin eine folgerichtige Anwendung der hierzu von ihr entwickelten Vorstellungen hätte dazu führen müssen, daß bei den stillen Gesellschaftern eine höhere Einkommensteuerschuld entsteht, muß deshalb bei der Streitwertbemessung für das einheitliche Gewinnfeststellungsverfahren außer Betracht bleiben. Der Streitwert für das einheitliche Gewinnfeststellungsverfahren wird allein durch das Interesse der von diesem Verfahren unmittelbar betroffenen Personen (Mitunternehmer) an einer Minderung ihrer Einkommensteuerschuld bestimmt. Etwaige Folgewirkungen des Ausgangs eines Rechtsstreits um die Rechtmäßigkeit eines einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheids auf andere Steuerpflichtige müssen ebenso außer Betracht bleiben wie z. B. Folgewirkungen auf die Besteuerung desselben Steuerpflichtigen nach einer anderen Steuerart (vgl. dazu z. B. BFH-Urteil vom 18. Oktober 1974 VI R 126/72, BFHE 114, 4, BStBl II 1975, 145; BFH-Beschluß vom 27. Januar 1967 VI R 216/66, BFHE 88, 73, BStBl III 1967, 291; BFH-Urteil vom 25. August 1955 IV 410/55 U, BFHE 61, 261, BStBl III 1955, 298). Dies muß auch dann gelten, wenn es sich bei diesen anderen Steuerpflichtigen um Familienangehörige handelt, die jedoch nicht mit den von der einheitlichen Gewinnfeststellung betroffenen Personen zusammen veranlagt werden.

b) Die Prozentsätze erscheinen nach den im einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren gegebenen Erkenntnismöglichkeiten, insbesondere der Höhe der Gewinnanteile, nicht überhöht. Ein Rückgriff auf die persönlichen Verhältnisse der Gesellschafter, die allein bei der Einkommensteuerveranlagung zu berücksichtigen sind und sich ohne Beiziehung der Einkommensteuerakten nicht überprüfen lassen, ist bei der Bemessung des Streitwerts für ein einheitliches Gewinnfeststellungsverfahren nicht zulässig.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72547

BStBl II 1978, 409

BFHE 1979, 7

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