Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Zulässigkeit eines unmittelbar bei Gericht gestellten Antrages auf Aussetzung der Vollziehung

 

Leitsatz (NV)

Enthält ein an das FA gerichteter Schriftsatz neben einer Sprungklage einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, so gibt das FA mit der Zustimmung zur Klage ohne Vorverfahren nicht zugleich zu erkennen, daß es die Vollziehung des angefochtenen Bescheides nicht aussetzen werde.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 3; VGFGEntlG Art. 3 § 7 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) ist ein eingetragener Verein. Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) hatte den Antragsteller durch Mitteilung vom 26. Juli 1976 als gemeinnützig i. S. des § 17 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) anerkannt und ihn durch Steuerbescheide von der Körperschaftsteuer 1976 bis 1979 freigestellt (§ 4 Abs. 1 Nr. 6 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG - a. F., § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG 1977).

Durch Verfügung vom 8. September 1978 hatte das FA dem Antragsteller mitgeteilt, daß es ihn ab 1980 steuerlich als wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 der Abgabenordnung - AO 1977 -) behandeln werde. Entsprechend dieser Ankündigung erließ das FA am 7. Dezember 1982 einen Körperschaftsteuerbescheid 1980, einen Körperschaftsteuer-Vorauszahlungsbescheid für die Jahre 1981, 1982 und die Vorauszahlungen ab 10. März 1983, einen Einheitswertbescheid für den gewerblichen Betrieb zum 1. Januar 1980, einen Vermögensteuerbescheid zum 1. Januar 1980, einen Vorauszahlungsbescheid für die Vermögensteuer-Vorauszahlungen ab 10. Februar 1983 sowie am 20. Dezember 1982 einen Gewerbesteuermeßbescheid 1980 und einen Gewerbesteuerzerlegungsbescheid 1980. Gegen diese Steuerbescheide erhob der Antragsteller am 5. Januar 1983 Sprungklage, über die - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden worden ist. Gleichzeitig begehrte er, die Vollziehung der mit der Sprungklage angefochtenen Steuerbescheide auszusetzen.

Das FA lehnte den Aussetzungsantrag des Antragstellers durch Bescheid vom 14. Januar 1983 ab. Dagegen legte der Antragsteller Beschwerde ein.

Das Finanzgericht (FG) hat den auf § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützten, nach seiner Auffassung zulässigen Antrag des Antragstellers als unbegründet abgelehnt, weil der Antragsteller mangels einer selbstlosen Tätigkeit nicht gemeinnützig i. S. der §§ 51 ff. AO 1977 tätig sei.

Der Antragsteller hat gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt. Er verfolgt sein Begehren weiter und beantragt, die Vollziehung der angefochtenen Steuerbescheide auszusetzen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet. Das FG hat den Antrag, die Vollziehung der angefochtenen Steuerbescheide auszusetzen, im Ergebnis zutreffend abgelehnt. Der Antrag des Antragstellers war als unzulässig, nicht als unbegründet, abzuweisen.

1. Nach Art. 3 § 7 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) ist ein Antrag (unmittelbar) an das FG auf Aussetzung der Vollziehung (§ 69 Abs. 3 FGO) ,,nur zulässig, wenn die Finanzbehörde einen Antrag nach § 69 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ganz oder zum Teil abgelehnt hat". Diese gesetzlichen Voraussetzungen waren im Streitfall bis zur Antragstellung nicht gegeben. Der Antragsteller hat seinen Aussetzungsantrag zugleich mit der Erhebung der Sprungklage, und zwar in demselben an das FA gerichteten Schriftsatz, gestellt. Das FA hat dem Klageverfahren ohne Vorverfahren zugestimmt, die Klageschrift nebst Anlagen dem FG am 12. Januar 1983 zugeleitet und mit Schreiben vom 14. Januar 1983 - eingegangen bei den Prozeßbevollmächtigten des Antragstellers am 19. Januar 1983 - den ,,Antrag, die Vollziehung der angefochtenen Bescheide gemäß § 361 AO auszusetzen", abgelehnt. Damit war im Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht ein Aussetzungsantrag des Antragstellers von dem FA weder ganz noch zum Teil abgelehnt.

Die unmittelbare Anrufung des FG war auch nicht ohne eine ablehnende Entscheidung des FA gemäß Art. 3 § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VGFGEntlG - der im Streitfall allein in Betracht kommenden Alternative - zulässig. Das FA hat nicht zu erkennen gegeben, daß es die Vollziehung nicht aussetzen werde. Dazu reicht weder die Verfügung des FA vom 8. September 1978 (Hinweis auf die Behandlung als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ab 1980) noch die Zustimmung zur Klage ohne Vorverfahren aus. Beide Vorgänge haben einen anderen (rechtlichen) Inhalt und lassen die Auffassung des FA bezüglich einer Entscheidung über einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide nicht erkennen.

Der unzulässige Aussetzungsantrag ist auch nicht dadurch zulässig geworden, daß das FA einen Antrag des Antragstellers auf Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide mit Verfügung vom 14./19. Januar 1983 aus sachlichen Gründen abgelehnt und die dagegen gerichtete Beschwerde der Oberfinanzdirektion (OFD) vorgelegt hat. Das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 3 § 7 Abs. 1 VGFGEntlG ist eine Voraussetzung für den (unmittelbaren) Zugang zum FG und keine Sachentscheidungsvoraussetzung, die erst bei Ergehen der finanzgerichtlichen Entscheidung gegeben sein muß (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. Oktober 1979 IV B 61/79, BFHE 129, 8, BStBl II 1980, 49; vom 28. Oktober 1981 I B 69/80, BFHE 134, 239, BStBl II 1982, 135 - unter 2. letzter Absatz -). Art. 3 § 7 Abs. 1 VGFGEntlG dient der Entlastung der FG und schließt den Zugang zu ihnen aus, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt sind. Gerade der Umstand, daß der Zugang zu den FG erschwert werdenn soll, zwingt dazu, die Vorschrift als besondere Zugangsvoraussetzung und nicht als Sachentscheidungsvoraussetzung auszulegen (so BFHE 129, 8, 11, BStBl II 1980, 49). Daraus folgt, daß ein Aussetzungsantrag unmittelbar bei dem FG nur zulässig ist, wenn das FA bereits im Zeitpunkt der Anrufung des FG einen Aussetzungsantrag ganz oder zum Teil abgelehnt hat oder die Voraussetzungen des Art. 3 § 7 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 4 VGFGEntlG gegeben sind. Die Erfüllung dieser Voraussetzungen kann nicht durch entsprechende Handlungen und Erklärungen zu einem Zeitpunkt nach der Antragstellung nachgeholt werden.

Der davon abweichenden Auffassung, die das FG in dem angefochtenen Beschluß zur Zulässigkeit des Aussetzungsantrags unter Hinweis auf seinen (nicht beschwerdefähigen) Beschluß vom 9. Juli 1982 I 160/82 A (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1983, 137) vertreten hat, vermag der Senat nicht zu folgen. Zum einen würde die Auslegung, die das FG den letztlich Gesetz gewordenen Vorschriften in Art. 3 § 7 Abs. 1 VGFGEntlG gegeben hat, die Gesetzesbestimmung praktisch gegenstandslos machen und den erstrebten Zweck vereiteln. Zum anderen hat das FG bei seinen Erwägungen unberücksichtigt gelassen, daß ein zweites Aussetzungsverfahren dann nicht anhängig gemacht werden wird, wenn das FA - nach eingehender Prüfung - dem Aussetzungsantrag entspricht oder ihn mit überzeugenden Gründen ablehnt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413751

BFH/NV 1987, 314

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