Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterlassene Terminsverlegung

 

Leitsatz (NV)

1. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegt nur vor, wenn dem Beteiligten trotz zumutbaren eigenen Bemühens die Möglichkeit der Äußerung verweigert oder abgeschnitten wurde.

2. Wegen des prozessualen Grundsatzes der Verfahrensbeschleunigung hat die Terminsplanung des Gerichts in der Regel Vorrang.

3. Formelhafte, nicht im einzelnen nachprüfbare Begründungen rechtfertigen eine Terminsverlegung nicht.

4. Zum Vorwurf der Verletzung rechtlichen Gehörs durch "Nichtbeachten" des Vorbringens eines Beteiligten.

 

Normenkette

FGO § 91 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 3, 155; ZPO § 227

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ohne Anwesenheit des (ordnungsgemäß) geladenen Beteiligten oder bzw. seines Prozeßbevollmächtigten kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darstellen, wenn einem vor dem Termin gestellten Antrag auf Verlegung zu Unrecht nicht stattgegeben worden ist (z. B. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 14. Mai 1996 VII B 237/95, BFH/NV 1996, 902, m. w. N.). Der Beteiligte ist allerdings gehalten, sich im Rahmen des Zumutbaren selbst das rechtliche Gehör zu verschaffen. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegt deshalb nur vor, wenn dem Beteiligten trotz zumutbaren eigenen Bemühens die Möglichkeit zur Äußerung verweigert oder abgeschnitten wurde (Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts -- BVerwG -- vom 23. Januar 1995 9 B 1/95, Neue Juristische Wochenschrift 1995, 1231; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §119 Rz. 13 und 15 m. w. N.).

Das Finanzgericht (FG) brauchte im Streitfall den Termin zur mündlichen Verhandlung (§91 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) nicht aufzuheben oder zu verlegen (§155 FGO i. V. m. §227 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --); denn der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hatte -- dafür erforderliche -- erhebliche Gründe nicht substantiiert vorgetragen.

a) Grundsätzlich kann zwar eine Terminsverlegung geboten sein, wenn der Kläger oder sein Prozeßbevollmächtigter wegen berufsbedingter Abwesenheit nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen kann. Wegen des prozessualen Grundsatzes der Verfahrensbeschleunigung hat die Terminsplanung des Gerichts jedoch in der Regel Vorrang (z. B. BFH-Urteil vom 20. März 1992 VI R 125/87, BFH/NV 1993, 105, m. w. N.). Es ist deshalb stets zunächst zu prüfen, ob eine Verlegung des anderen Termins oder eine Vertretung durch einen anderen Prozeßbevollmächtigten in Betracht kommt, z. B., wenn der bisherige Prozeßbevollmächtigte in einer Sozietät tätig ist (BFH-Urteil vom 26. April 1991 III R 87/89, BFH/NV 1991, 830, m. w. N.). Erhebliche Gründe liegen deshalb jedenfalls nicht vor, wenn -- bei Verhinderung des Beteiligten selbst -- die Verschiebung des anderen Termins oder dessen Wahrnehmung durch einen Dritten oder -- bei Verhinderung des Prozeßbevollmächtigten -- die Vertretung in der mündlichen Verhandlung durch einen anderen Prozeßbevollmächtigten zumutbar ist.

b) Der Beteiligte muß im Einzelfall darlegen, daß es sich um erhebliche Gründe handelt. Zwar sind die erheblichen Gründe nach §155 FGO i. V. m. §227 Abs. 2 ZPO erst auf Verlangen glaubhaft zu machen. Das berührt aber nicht die Pflicht des Beteiligten, selbst die Gründe so genau anzugeben, daß sich das Gericht aufgrund ihrer Schilderung ein Urteil über deren Erheblichkeit bilden kann. Deshalb rechtfertigen formelhafte, nicht im einzelnen nachprüfbare Begründungen eine Terminsverlegung nicht (BFH-Beschluß vom 31. August 1995 VII B 160/94, BFH/NV 1996, 228).

c) Mit dem nicht weiter substantiierten Hinweis auf "dringliche berufliche Gründe" hat der Kläger den Anforderungen an eine tragfähige Begründung seines Antrags auf Terminsverlegung nicht genügt. Dieses Vorbringen ermöglichte dem FG keine Abwägung, ob die Verlegung des beruflichen Termins zumutbar war oder ob dieser Termin gegebenenfalls durch eine andere Person wahrgenommen werden konnte. Es hätte sich dem Kläger aufdrängen müssen, daß nur erhebliche Gründe eine Terminsverlegung rechtfertigen und die Gründe für die beantragte Verlegung deshalb im einzelnen dargelegt werden müssen. Denn selbst für einen rechtsunkundigen Beteiligten ist ohne weiteres erkennbar, daß die Ladung der Beteiligten zur mündlichen Verhandlung -- und demzufolge auch die Aufhebung oder Verlegung dieses Termins -- nicht zuletzt auch wegen der formalen Anforderungen hierfür mit erheblichem Aufwand verbunden ist. Das Gericht war nicht verpflichtet, selbst Ermittlungen anzustellen (BFH in BFH/NV 1996, 228).

Aus den gleichen Gründen gebot der ebenfalls nicht weiter substantiierte Vortrag des Klägers, "sein Rechtsvertreter" sei "durch einen Termin am OLG ... an diesem Tag verhindert", keine Terminsverlegung. Das FG hat seine Ablehnung der Vertagung insoweit zu Recht auch darauf gestützt, daß bisher in dem Verfahren kein Prozeßbevollmächtigter für den Kläger aufgetreten war, der Kläger auch in seinem Verlegungsantrag keinen Prozeßbevollmächtigten benannt und des weiteren nicht dargelegt hat, weshalb eine Vertretung durch einen anderen Prozeßbevollmächtigten unmöglich oder unzumutbar war. Anhaltspunkte dafür, weshalb es dem Kläger nicht möglich war, nach Erhalt der ablehnenden Entscheidung vom 13. November 1995 bis zum Tag der mündlichen Verhandlung, dem 22. November 1995, dem Gericht die Gründe für seinen Verlegungsantrag im einzelnen zu erläutern, sind weder vorgetragen noch sonst erkennbar (vgl. hierzu BFH-Beschluß vom 14. Juni 1995 VIII B 126--127/94, BFH/NV 1996, 144). Im übrigen geht es in dem Rechtsstreit um eine reine Rechtsfrage, zu der der Kläger selbst in seiner Klagebegründung und nochmals ergänzend anläßlich des Antrages auf Terminsverlegung ausführlich Stellung genommen hatte.

2. Der Kläger rügt zu Unrecht, das FG habe sein rechtlich erhebliches Vorbringen -- Art. 3 des Grundgesetzes (GG) sei verletzt, wenn beim Erwerb eines Anteils an einer Wohnung der Abzugsbetrag nach §10e Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anteilig gekürzt werde -- unberücksichtigt gelassen.

Dem Anspruch des Beteiligten auf Gehör entspricht zwar eine Verpflichtung des Gerichts, dessen Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen. Das Gericht ist jedoch nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung ausdrücklich zu befassen. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt deshalb nur vor, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalles deutlich ergibt, daß das Gericht Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (BFH-Beschluß vom 26. April 1995 I B 166/94, BFHE 177, 451, BStBl II 1995, 532, m. w. N.). Das ist hier nicht der Fall.

3. Die Frage, ob die Wohneigentumsförderung nach §10e Abs. 1 EStG "beim Erwerb eines Anteils an der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung" in einem Einfamilienhaus nur bis zum anteiligen Förderhöchstbetrag gewährt werden darf, ist nicht klärungsbedürftig; denn sie läßt sich ohne weiteres aus dem Gesetz so beantworten, wie es das Finanzamt und das FG getan haben. Die Auffassung des Klägers, der Erwerb eines jeden Miteigentumsanteils müsse -- entsprechende Aufwendungen unterstellt -- bis zum Höchstbetrag gefördert werden, widerspricht der erkennbar wohnungs- und nicht personenbezogenen Förderung in §10e EStG; sie wird deshalb, soweit ersichtlich, auch von keiner Seite -- auch nicht in dem vom Kläger hierzu zitierten Beitrag von Grundschok in Finanz- Rundschau 1989, 523 (siehe dort unter III.) -- vertreten.

Steuerpflichtige mit Kindern erhalten bei Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung nach §10e EStG nach näherer Maßgabe des §34f. EStG eine zusätzliche Steuerermäßigung. Angesichts dessen sind die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers nicht nachvollziehbar und die in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen nicht klärungsbedürftig.

Der Beschluß ergeht im übrigen gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66449

BFH/NV 1998, 726

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