Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsteuerabzug für Leistungsbezüge im Zusammenhang mit der Beteiligung als atypischer stiller Gesellschafter an einer GmbH

 

Leitsatz (NV)

Der Vorsteuerabzug aus Rechnungen über Leistungsbezüge für die Beteiligung von atypischen stillen Gesellschaftern an einer GmbH ist nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgeschlossen, weil der Unternehmer die Leistungen für steuerfreie Umsätze durch Einräumung von Gesellschaftsrechten verwendet.

 

Normenkette

FGO § 56 Abs. 1, § 69 Abs. 3, 4 S. 1, § 128; FGOÄndG Art. 1 Nr. 13; UStG 1980 § 4 Nr. 8 Buchst. f., Buchst. j, § 9 Abs. 1, § 15 Abs. 2 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Antragstellerinnen und Beschwerdeführerinnen (Antragstellerinnen) begehren Aussetzung der Vollziehung von Umsatzsteueränderungsbescheiden, in denen der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) Vorsteuerbeträge von zuletzt insgesamt ... DM -- anders als in den geänderten Umsatzsteuerbescheiden -- nicht mehr zum Abzug zugelassen und die festgesetzten Umsatzsteuern für Streitjahre zwischen 1982 bis 1986 erhöht und Zahlung gefordert hatte.

Die Antragstellerinnen erwerben und verwerten in der Rechtsform einer GmbH Rechte und Lizenzen an Filmen u. a. für die Aufführungen durch Filmtheater, Fernsehanstalten und für den Vertrieb durch Videohersteller. Für jeweils drei Filmverwertungsrechte bilden sie besondere Geschäftszweige, sog. Film- bzw. Medienfonds (z. B. X-Filmverwertung Objekt A GmbH). Zur Finanzierung des Erwerbs und der Vermarktung der Filmverwertungsrechte lassen sie die Beteiligung an jeweils einem Medienfonds von bis zu ... Personen als atypische stille Gesellschafter gegen eine Kapitaleinlage zu. Nach den dafür vorhandenen Verträgen entsteht durch diese Beteiligung mehrerer an einem Medienfonds nur eine atypische stille Gesellschaft. Die Beteiligungen sind einheitlich ausgestaltet und können nur nach Maßgabe der Vertrags muster erworben werden. Die Antragstellerinnen warben die Gesellschafter mit der Aussicht auf Verlustzuweisungen durch hohe Abschreibungen auf die Filmverwertungsrechte.

In den angefochtenen Änderungsbescheiden ließ das FA den Antragstellerinnen berechnete Umsatzsteuerbeträge für Leistungen im Zusammenhang mit der Gründung der Medienfonds nicht mehr zum Vorsteuerabzug zu. Das FA hat über die Einsprüche gegen die Änderungsbescheide bisher nicht entschieden und die von den Antragstellerinnen beantragte Aussetzung der Vollziehung abgelehnt, weil die Steuerbeträge für Leistungen berechnet worden seien, die für steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 8 Buchst. f des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 verwendet worden und vom Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980 ausgeschlossen seien.

Das Finanzgericht (FG) wies den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ab. Es bestätigte, daß die Antragstellerinnen die berechneten Leistungen zweifellos zur Ausführung von Umsätzen verwendet hätten, bei denen die Antragstellerinnen den Kapitalgebern aty pische stille Beteiligungen an Unternehmensteilen gewährt und diese dafür Kapital überlassen hätten. Diese Verwendung der bezogenen Leistungen durch die Antragstellerinnen, die wirtschaftlich wie Publikums- Kommanditgesellschaften Gesellschaftsrechte ausgegeben hätten, schließe den Abzug der Steuern als Vorsteuerbeträge aus, weil sie damit steuerfreie Umsätze von Gesellschafts anteilen nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG 1980 ausgeführt hätten.

Mit der zugelassenen Beschwerde wenden die Antragstellerinnen ein, das FG habe nicht beachtet, daß der Gesetzgeber -- wie sich aus § 4 Nr. 8 Buchst. j UStG 1980 ergebe -- die stille atypische Beteiligung als steuerbare Leistung des eintretenden Gesellschafters ansehe, die einen Ausschluß vom Vorsteuerabzug bei dem Leistungsempfänger nicht ausschließe. Dadurch werde die Kapital beschaffung durch Aufnahme stiller Gesellschafter der bisher schon befreiten Kapital beschaffung durch Kreditaufnahme gleich gestellt. Nicht sie, die Antragstellerinnen, hätten Leistungen erbracht, sondern nur die stillen Gesellschafter durch Geldhingabe. Die Medienfonds seien keine Unternehmer, so daß die Ausgabe von Gesellschaftsanteilen keine unternehmerische Tätigkeit sein könne. Die stille Gesellschaft sei als Innengesellschaft umsatzsteuerrechtlich nicht vorhanden und werde erst durch die Annahnme der Beitrittsangebote gegründet.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Sie ist zulässig, weil das FG sie zugelassen hat (§ 128 Abs. 3 Satz 1 FGO) und den Antragstellerinnen wegen der Versäumung der Frist zur formgerechten (§ 129 Abs. 1 FGO) Einlegung der Beschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird (§ 56 Abs. 1 FGO).

Den Antragstellerinnen wird Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Frist innerhalb von zwei Wochen schriftlich, d. h. mit eigenhändiger Unterschrift, Beschwerde einzulegen, gewährt, weil sie ohne Verschulden gehindert waren, diese Frist einzuhalten. Die Verwechslung der eigenhändig unterschriebenen Beschwerdeschrift mit dem nur bei sorgfältiger Beobachtung als Fotokopie erkennbaren Schriftsatz durch eine mit der Versendung beauftragten Bürokraft ist ein entschuldbares Büroversehen (vgl. dazu Tipke/Kruse, Abgabenordnung- Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 110 AO 1977 Tz. 22 a, m. w. N.). Die Antragstellerinnen haben innerhalb von zwei Wochen die versäumte Rechtshandlung nachgeholt (§ 56 Abs. 2 Sätze 1, 3 FGO), weil sie ihrem Wiedereinsetzungsgesuch die ursprüngliche Beschwerdebegründungsschrift mit der eigenhändigen Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten als Anlage beigefügt haben. Daß der außerdem bei gefügte Schriftsatz, mit dem Beschwerde eingelegt werden sollte, möglicherweise wiederum nur eine Unterschrift in Fotokopie enthält, ist insoweit unerheblich.

2. Die Beschwerde ist aber unbegründet.

a) Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist -- wie das FG zutreffend erkannt hat -- zulässig (§ 69 Abs. 4 Satz 1 FGO i. d. F. von Art. 1 Nr. 13 des FGO-Änderungsgesetzes vom 21. Dezember 1992, BGBl I 1992, 2109, BStBl I 1993, 90), weil ihn das FA abgelehnt hat.

b) Das FG hat dem Antrag der Antragstellerinnen auf Aussetzung der Vollziehung der von ihnen bezeichneten Umsatzsteueränderungsbescheide zu Recht nicht entsprochen. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Einstweiliger Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung soll gewährt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegend öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 3 Sätze 1, 3 i. V. m. § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung dieses Bescheides anhand des aktenkundigen Sachverhalts neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 12. November 1992 XI B 69/92, BFHE 170, 106, BStBl II 1993, 263, m. w. N.).

aa) Bei summarischer Prüfung ergeben sich keine eine Unsicherheit oder Unentschiedenheit begründende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzungen in den angefochtenen Umsatzsteueränderungsbescheiden für die Streitjahre. Die den Antragstellerinnen berechneten Steuern sind nicht als Vorsteuerbeträge abziehbar (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980), weil die Antragstellerinnen die bezogenen Leistungen für steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG 1980 verwendet haben.

Die Antragstellerinnen sind Unternehmer (§ 2 Abs. 1 UStG 1980), weil sie in der Rechtsform einer GmbH selbständig und nachhaltig Leistungen durch Verwertung von Rechten an Filmwerken gegen Entgelt erbringen. Sie sind nicht nur Beteiligungsgesellschaften, für die zweifelhaft wäre, ob sie durch Ausgabe von Beteiligungen steuerbare Umsätze ausführen. Zur Förderung ihrer Umsatztätigkeit durch entgeltliche Verwertung von Rechten an Filmen haben die Antragstellerinnen Kapitalanleger an ihrem Unternehmen beteiligt und ihnen als Gegenleistung für die Kapitalüberlassung eine Beteiligung nach Maßgabe des Beteiligungsvertrages zugewendet. In diesem Zusammenhang haben die Antragstellerinnen Leistungen bezogen, für die ihnen die streitbefangenen Umsatzsteuerbeträge gesondert berechnet worden sind. Sie haben die berechneten Leistungen somit für ihr Unternehmen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980) bezogen.

Zutreffend hat das FG die Steuerbefreiung nicht aus § 4 Nr. 8 Buchst. j UStG 1980 abgeleitet. Die gemäß § 27 Abs. 8 UStG 1980 auf Umsätze ab 1983 anwendbare Vorschrift befreit die Beteiligung als stiller Gesellschafter an dem Unternehmen oder an dem Gesellschaftsanteil eines anderen. Sie befreit somit -- wie die Antragstellerinnen mit Recht hervorheben -- die Leistung des stillen Gesellschafters durch Beteiligung an dem Unternehmen eines anderen Unternehmers (vgl. dazu Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks 10/6193 zu § 4 Nr. 8 Buchst. j, Allgemeiner Teil Abschn. I Nr. 5 und Einzelbegründung in BTDrucks 10/6193 zu § 30 Nr. 1 des Gesetzes über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften -- UBGG -- vom 17. Dezember 1986, BGBl I 1986, 2488, BStBl I 1987, 181; Schlienkamp, Umsatzsteuer-Rundschau -- UR -- 1987, 71; Reiß, UR 1987, 153; Widmann in Plückebaum/Malitzky, Umsatzsteuergesetz, 10. Aufl., § 27 Rz. 38 ff.; gegen die Steuerbarkeit dieser Leistungen: Wagner, Umsatzsteuer-Kongreß-Bericht 1991/1992, 63, 75 f.).

bb) Die Leistungen der Antragstellerinnen bestehen dagegen, wie das FG zu Recht erkannt hat, in der nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG 1980 befreiten Einräumung von Gesellschaftsrechten. Diese haben die Antragstellerinnen als jeweils bestehende GmbH ihren Kapitalanlegern eingeräumt. Der Kreis der nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG 1980 maßgeblichen Gesellschaftsrechte ist nicht auf bestimmte Be teiligungen eingeschränkt. Die Vorschrift erfaßt die Ausgabe und Veräußerung von Anteilen an Personengesellschaften und Gemeinschaften (Bunjes/Geist, Umsatzsteuergesetz, 4. Aufl., § 4 Nr. 8 Anm. 9; vgl. dazu auch BFH-Urteile vom 12. Januar 1989 V R 43/84, BFHE 156, 278, BStBl II 1989, 339; vom 18. Dezember 1975 V R 131/73, BFHE 117, 501, BStBl II 1976, 265). Daß die Kapitalbeschaffung durch die Aufnahme stiller Gesellschafter den in § 4 Nr. 8 UStG 1980 bezeichneten steuerfreien Umsätzen von Anteilen an Gesellschaften wirtschaftlich vergleichbar ist, wird in der Begründung zu § 30 Nr. 1 UBGG (a. a. O.) ausdrücklich hervorgehoben. Dementsprechend ist in der Rechtsprechung des BFH anerkannt, daß die Ausgabe von typischen stillen Beteiligungen durch eine Publikums-KG eine nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG 1980 steuerfreie Leistung ist, die den Vorsteuerabzug für dafür verwendete Umsätze ausschließt (vgl. BFH-Urteil vom 20. Januar 1988 X R 48/81, BFHE 152, 556, BStBl II 1988, 557, 560 zu II. 4.; zur zivilrechtlichen Beurteilung vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. Dezember 1984 II ZR 36/84, Betriebs-Berater 1985, 372). Das gilt ebenso, wenn die atypischen stillen Beteiligungen von Kapitalgesellschaften eingeräumt werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 423743

BFH/NV 1995, 1024

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