Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung; Anforderungen an die Bildung einer Ansparrücklage

 

Leitsatz (NV)

1. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO kann nur gewährt werden, wenn durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt wird, dass für den Fall der Verhinderung oder Abwesenheit eines mit der Fristenkontrolle betrauten Mitarbeiters die Weiterbearbeitung, zumindest aber die Einhaltung von Fristen gewährleistet ist.

2. Bei Bildung einer Ansparrücklage nach § 7g Abs. 3 EStG muss die voraussichtliche Investition so genau bezeichnet werden, dass im Investitionsjahr festgestellt werden kann, ob eine vorgenommene Investition derjenigen entspricht, für deren Finanzierung die Rücklage gebildet wurde. Es sind daher Angaben insbesondere zur Funktion des Wirtschaftsgutes sowie zu den voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten erforderlich.

 

Normenkette

FGO §§ 56, 116 Abs. 3; EStG § 7g Abs. 3

 

Verfahrensgang

FG Münster (Urteil vom 23.04.2004; Aktenzeichen 4 K 3293/01 F)

 

Tatbestand

I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) abgewiesen. Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 5. Mai 2004 zugestellt.

Dagegen hat die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten rechtzeitig Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt, diese aber nicht innerhalb der Frist des § 116 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) begründet. Nach Hinweis auf die Fristversäumnis durch Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 12. Juli 2004 beantragte der Prozessvertreter mit Schreiben vom 16. Juli 2004 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und begründete die Nichtzulassungsbeschwerde.

Wiedereinsetzung sei deshalb zu gewähren, weil seine mit der Aktenvorlage und Fristeneintragung betraute Sekretärin, Frau B, am 19. Juni 2004 einen schweren Autounfall erlitten habe und bis auf weiteres arbeitsunfähig erkrankt sei. Infolge des Ausfalles der Frau B sei es zu einem erheblichen Aktenstau und auch zum Versäumnis bezüglich der Fristeneintragung gekommen, so dass dem Prozessbevollmächtigten die Akte erst im Rahmen einer normalen Wiedervorlage am 14. Juli 2004 und nicht vor Ende der Begründungsfrist vorgelegt worden sei. Die stets zuverlässige Frau B sei infolge des Unfalles nicht mehr dazu gekommen, die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde einzutragen.

Zudem habe der Prozessbevollmächtigte von Anfang bis Mitte Juni 2004 seinen Jahresurlaub genommen. Deshalb habe ihm die Akte bei der vorherigen turnusmäßigen Wiedervorlage am 11. Juni 2004 nicht vorgelegt werden können.

Die Nichtzulassungsbeschwerde wird mit der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit begründet. Das Gesetz enthalte keine ausdrückliche Regelung darüber, ob und gegebenenfalls wie nachzuweisen sei, dass eine Investition i.S. des § 7g Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) beabsichtigt sei. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 12. Dezember 2001 XI R 13/00 (BFHE 197, 448, BStBl II 2002, 385) müsse der Steuerpflichtige seine Investitionsabsicht weder nachweisen noch glaubhaft machen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist unzulässig.

1. Nach § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des angefochtenen Urteils zu begründen. Diese Frist war im Streitfall am 5. Juli 2004 abgelaufen. Die Begründung ist erst nach Ablauf der Begründungsfrist beim BFH eingegangen.

Die Fristversäumnis kann nicht nach § 56 FGO geheilt werden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nach dieser Vorschrift nur zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist --hier: die Begründungsfrist-- einzuhalten. Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten ist der Klägerin nach § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung zuzurechnen. Die Fristversäumnis ist nicht unverschuldet.

a) Angehörige der rechts- und steuerberatenden Berufe müssen für eine zuverlässige Fristenkontrolle sorgen und die Organisation des Bürobetriebes so gestalten, dass Fristversäumnisse vermieden werden (z.B. Senatsbeschluss vom 23. Oktober 2002 X B 56/02, BFH/NV 2003, 199). Für den Fall der Verhinderung oder Abwesenheit eines mit der Fristenkontrolle betrauten Mitarbeiters muss außerdem durch organisatorische Maßnahmen die Weiterbearbeitung, zumindest aber die Einhaltung von Fristen, sichergestellt werden (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 56 Rz. 20, Stichwort "Büroorganisation", m.w.N. der Rechtsprechung).

b) Im Streitfall ist bereits zweifelhaft, ob der Autounfall der mit der Führung des Fristenbuches betrauten Sekretärin des Prozessbevollmächtigten am 19. Juni 2004 ursächlich für die Fristversäumnis war, weil der Ablauf der Begründungsfrist schon mit Zustellung des angefochtenen Urteils, spätestens aber am 1. Juni 2004, dem Tag der Fertigung der Beschwerdeschrift, im Fristenbuch hätte vermerkt werden müssen. Jedenfalls aber hätte der Prozessvertreter, der nach eigenem Vortrag im Zeitpunkt des Unfalls seiner Sekretärin aus dem Jahresurlaub zurückgekehrt war, infolge des krankheitsbedingten wochenlangen Ausfalls seiner Mitarbeiterin für eine zuverlässige Weiterbearbeitung und Fristüberwachung sorgen müssen. Allein dieses Organisationsverschulden schließt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus.

2. Im Übrigen hätte die Nichtzulassungsbeschwerde auch ansonsten keinen Erfolg, weil die Begründung nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entspricht. Die Klägerin hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht schlüssig (substantiiert) dargelegt.

a) Eine solche schlüssige Darlegung erfordert ein konkretes und substantiiertes Eingehen des Beschwerdeführers darauf, inwieweit die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig, d.h. in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 14. Oktober 2003 X B 26/03, BFH/NV 2004, 82; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 32, m.w.N.).

b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung zur grundsätzlichen Bedeutung nicht.

Die Ausführungen der Klägerin beschränken sich darauf, die aus ihrer Sicht klärungsbedürftige Frage, ob und gegebenenfalls wie nachzuweisen ist, dass eine Investition i.S. von § 7g Abs. 3 EStG beabsichtigt ist, aufzuwerfen. Sie lassen keine über das Interesse der Klägerin am Ausgang dieses Verfahrens hinausreichende, allgemein interessierende, klärungsbedürftige und in diesem Rechtsstreit klärungsfähige Rechtsfrage erkennen. Dies hätte hier außerdem eines besonderen, in der Beschwerdeschrift versäumten Begründungsaufwands (vor allem auch einer eingehenden Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur; s. z.B. BFH-Beschluss vom 9. November 1999 VIII B 85/99, BFH/NV 2000, 472; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 33) deshalb bedurft, weil die von der Klägerin angesprochene Rechtsfrage, sofern sie nicht überhaupt nur die Rechtsanwendung im Einzelfall betrifft, als grundsätzlich geklärt anzusehen ist: Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. das auch in der Beschwerdebegründung angeführte Urteil in BFHE 197, 448, BStBl II 2002, 385) muss die voraussichtliche Investition bei Bildung jeder einzelnen Rücklage so genau bezeichnet werden, dass im Investitionsjahr festgestellt werden kann, ob eine vorgenommene Investition derjenigen entspricht, für deren Finanzierung die Rücklage gebildet wurde. Es sind daher Angaben insbesondere zur Funktion des Wirtschaftsgutes sowie zu den voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten erforderlich. Die Bezeichnung muss eine (noch) durchführbare, objektiv mögliche Investition enthalten; andernfalls kann es sich nicht um eine voraussichtliche Investition handeln. Weitere Nachweise muss der Steuerpflichtige bei Bildung der Ansparrücklage nicht erbringen. Der Gesetzgeber hat den Gewinnzuschlag als ausreichend angesehen, den durch eine überhöhte Rücklage bedingten Steuerstundungseffekt auszugleichen, falls die Investition nicht oder nicht in ausreichendem Umfang vorgenommen wird (BTDrucks 12/4487, S. 34, 69).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1266579

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