Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechnungen über nicht ausgeführte Leistungen: keine grundsätzliche Bedeutung zu § 14 Abs. 3 UStG

 

Leitsatz (NV)

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind die zum Nachweis des Vorsteuerabzugs i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG, aber auch die zum Eingreifen des § 14 Abs. 3 UStG erforderlichen Angaben in einer Rechnung anhand weiterer, durch die Rechnung in Bezug genommener Erkenntnismittel zu prüfen. Hat das FG den von ihm festgestellten Sachverhalt dahingehend gewürdigt, daß weder die Rechnung noch der in Bezug genommene Vertrag aufgrund der allgemeinen Formulierungen Hinweis auf eine (umsatzsteuerrechtlich unerhebliche) Voraus- oder Proforma-Rechnung enthalten, ergibt sich kein weiterer grundsätzlicher Klärungsbedarf.

 

Normenkette

UStG 1993 § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 3; FGO § 115

 

Tatbestand

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) -- eine GmbH -- verkaufte lt. Kaufverträgen vom 26. Januar 1995 einer anderen GmbH drei gebrauchte Kfz. Der Kaufpreis war jeweils zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart. In diesen Kaufverträgen war ausgeführt: "Der Kaufpreis wird mit Übergabe des Fahrzeuges und des Fahrzeugbriefes fällig. Der Verkäufer wird unverzüglich eine Rechnung über den Kaufpreis stellen. Ist der Kaufpreis binnen 30 Tagen nach Vertragsabschluß und Rechnungsstellung nicht oder nicht vollständig bezahlt, oder wurde das Fahrzeug nicht binnen dieser Frist übergeben, so ist dieser Vertrag gegenstandslos. Die Übergabe des Fahrzeuges und des Fahrzeugbriefs erfolgt Zug um Zug gegen Bezahlung des Kaufpreises." Ebenfalls am 26. Januar 1995 erstellte die Klägerin Rechnungen über den Kaufpreis mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer -- insgesamt in Höhe von 47 608,70 DM --. Die Fahrzeuge wurden nicht geliefert, der Kaufpreis nicht bezahlt. Unter dem Datum des 22. März 1995 teilte die Klägerin der GmbH mit, die Verträge seien mangels Zahlung gegenstandslos, dies gelte auch für die ausgestellten Rechnungen.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) wurde durch eine Kontrollmitteilung über die Kaufverträge informiert. Das FA setzte -- mangels Abgabe einer Umsatzsteuer-Voranmeldung 1/1995 durch die Klägerin Umsatzsteuer für diesen Voranmeldungszeitraum mit Bescheid vom 27. April 1995 in Höhe von 48 750 DM fest. Aufgrund einer im Einspruchsverfahren von der Klägerin nachgereichten Umsatzsteuer- Voranmeldung setzte das FA mit Änderungsbescheid vom 7. Juni 1995 die Vorauszahlung auf 47 590 DM herab. Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA begründete die Steuerfestsetzung mit § 14 Abs. 3 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1993. Die Klägerin habe Rechnungen mit Steuerausweis ausgestellt und ausgehändigt, ohne die Lieferungen auszuführen.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) bestätigte die Auffassung des FA: Die an die GmbH ausgehändigten Rechnungen seien nicht als Voraus- oder Proforma-Rechnungen kenntlich gemacht gewesen. Daß die Fahrzeuge noch nicht geliefert worden seien, ergebe sich aus den Rechnungen ebensowenig wie aus dem darin enthaltenen Hinweis auf die Kaufver träge. Allein der Umstand, daß die Kaufverträge unter einer auflösenden Bedingung abgeschlossen worden seien, reiche nicht aus.

Auch stehe fest, daß die Rechnungen nicht im Hinblick auf die alsbaldige Erfüllung der eigenen Leistungspflicht ausgestellt werden sollten und worden seien. Die Klägerin habe den Nachweis, die Lieferung alsbald ausführen zu wollen, nicht erbringen können. Im Kaufvertrag sei kein fester Liefertermin vereinbart gewesen. Die Lieferung sei von der Zahlung des Kaufpreises abhängig gemacht worden. Trotz der vereinbarten Zahlungsfrist von 30 Tagen habe eine Nichtzahlung jedoch zu einer unmittelbaren Vertragsaufhebung ohne gegenseitige Ersatzansprüche führen sollen. Unter solchen Umständen könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Klägerin willens gewesen sei, alsbald zu liefern. Der Lieferungszeitpunkt sei vielmehr völlig unbestimmt gewesen.

Auf die Frage, ob Umsatzsteuer in den Kaufverträgen habe ausgewiesen werden dürfen, komme es nicht an. Denn das FA habe sich auf den Steuerausweis in den Rechnungen bezogen. Ferner sei ein vorwerfbares Verhalten nicht erforderlich.

Ob die Festsetzung der Steuer nach § 14 Abs. 3 UStG 1993 im Streitfall sachlich unbillig sei, sei im Steuerfestsetzungsverfahren nicht zu prüfen. Ob die Klägerin nach Maßgabe der Billigkeit aufgrund besonderer Umstände des Streitfalls -- u. a. der geltend gemachten Anzeige bei der Steuerfahndung des FA ... -- im Verhältnis zur umsatzsteuerrechtlichen Regelung besserzustellen sei, könne daher nur in einem entsprechenden Billigkeitsverfahren entschieden werden. Aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 13. Dezember 1989 Rs. C--342/87 (Umsatzsteuer-Rundschau -- UR -- 1990, 274 und 1991, 83) ergebe sich nichts anderes.

Mit der Beschwerde beantragt die Klägerin, die Revision zuzulassen. Das angefochtene Urteil beruhe zum einen auf einem Verfahrensfehler und betreffe zum anderen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Der von der Klägerin dargelegte Verfahrensmangel ist nicht gegeben.

Die Klägerin hat zwar durch ihren Bevollmächtigten ausgeführt, er habe mit Schriftsatz vom 14. März 1996 Zeugenbeweis beantragt. Das FG habe diesen Antrag übergangen. Er habe Beweis angeboten durch Vernehmung des Geschäftsführers der GmbH (Käuferin) über die tatsächlichen Gründe, die zum Abschluß der Verträge geführt hätten. Unter Berücksichtigung der tatsächlichen Hintergründe und Motive der Parteien hätte sich ergeben, daß keine Scheingeschäfte vorgelegen hätten. Ferner hätte der Zeuge bestätigt, daß die Fahrzeuge vorhanden gewesen seien und von ihm besichtigt worden seien. Er hätte ferner be stätigt, daß die Abwicklung des Geschäfts ausschließlich von der Bereitschaft der Käuferin, den Kaufpreis sofort, innerhalb der 30-Tages-Frist oder gar nicht zu bezahlen, abhängig gewesen sei.

Auch den angebotenen Beweis der Vernehmung des Geschäftsführers der Klägerin zu denselben Themen habe das FG übergangen.

Ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) liegt aufgrund der Nichtbehandlung der Beweisangebote der Klägerin nicht vor. Ob ein Verfahrensmangel dieser Art vorliegt, richtet sich nach dem materiell-rechtlichen Standpunkt des FG (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Rz. 24; Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 27. Dezember 1993 V B 82/92, BFH/NV 1995, 398). Das FG vertrat den Standpunkt, daß die Rechnungen und die darin in Bezug genommenen Kaufverträge bei objektiver Auslegung zum einen nicht ergäben, daß die Fahrzeuge nicht bereits geliefert worden seien, und zum anderen hinsichtlich des Zeitpunkts der Lieferung völlig unbestimmt gewesen seien. Die Ausführungen des FG, die Heranziehung weiterer Erkenntnismittel sei zulässig, bezog sich nur darauf, ob die Rechnung die erforderlichen Angaben zum Nachweis eines Vorsteuerabzugsanspruchs enthalte. Insoweit wurde der Kaufvertrag als weiteres Erkenntnismittel herangezogen. Auf subjektive Merkmale stützte das FG seine Auffassung nicht, zumal es von dem Grundsatz ausging, daß es auf ein vorwerfbares Verhalten für die Anwendung des § 14 Abs. 3 UStG 1993 nicht ankomme.

Aufgrund des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG waren die Beweisanträge des Klägers somit nicht entscheidungserheblich.

2. Wegen grundsätzlicher Bedeutung ist die Revision ebenfalls nicht zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung sieht die Klägerin in bezug auf folgende Fragen:

"Ob eine im Kaufvertrag enthaltene auflösende Bedingung dem Entstehen des Steueranspruchs aus § 14 Abs. 3 UStG nicht entgegensteht;

ob bei Vereinbarung einer Lieferung oder Leistung Zug um Zug -- wie hier -- ... der Tatbestand des § 14 Abs. 3 UStG überhaupt in Betracht kommt;

ob bei Beurteilung der Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 UStG entgegen der wirtschaftlichen Betrachtungsweise die Rechnung von den zugrundeliegenden Verträgen rechtlich getrennt werden kann."

Der im Streitfall festgestellte Sachverhalt ergibt keinen weiteren grundsätzlichen Klärungsbedarf hinsichtlich der angesprochenen Fragen. Das FG hat sich auf die ständige Rechtsprechung des BFH gestützt, derzufolge die zum Nachweis des Vorsteuerabzugs i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1993, aber auch -- wie hier -- die zum Eingreifen des § 14 Abs. 3 UStG 1993 erforderlichen Angaben in einer Rechnung anhand weiterer, durch die Rechnung in Bezug genommener Erkenntnismittel zu prüfen ist. Das FG hat den von ihm festgestellten Sachverhalt dahingehend gewürdigt, daß weder die Rechnung noch der in Bezug genommene Vertrag aufgrund der allgemeinen Formulierungen Hinweise auf eine Voraus- oder Proforma-Rechnung ergäben.

Auch die zusätzlich als grundsätzlich aufgeworfene Rechtsfrage, ob das Festsetzungsverfahren gemäß § 14 Abs. 3 UStG 1993 von einem Billigkeitsverfahren zur Nichterhebung der Steuer getrennt werden könne, führt nicht zur Zulassung der Revision. Das von der Klägerin angesprochene Billigkeitsverfahren, auf das auch das FG hingewiesen hat, kann nur die Frage betreffen, ob eine nach § 14 Abs. 3 UStG 1993 entstandene Steuer im Billigkeitsweg nach Berichtigung der Rechnung erlassen werden kann. Daß das Billigkeitsverfahren die Veranlagung, in der die Steuer aus § 14 Abs. 3 UStG 1993 festgesetzt wurde, nicht berührt, ergibt sich eindeutig aus dem Gesetz und ist deshalb geklärt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 422049

BFH/NV 1997, 628

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