Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassung der Revision wegen Divergenz; zur Unternehmereigenschaft bei fehlenden entgeltlichen Leistungen
Leitsatz (NV)
Die Revision kann wegen Divergenz zum BFH-Urteil in BFHE 154, 173, BStBl II 1988, 916 zuzulassen sein, wenn die Vorentscheidung auf die Ansicht gestützt ist, die Unternehmereigenschaft beginne mit dem ersten nach außen erkennbaren Tätigwerden und ein hierdurch ermöglichter Vorsteuerabzug entfalle nicht etwa im Hinblick darauf, daß eine ernsthaft angestrebte unternehmerische Betätigung nicht zu Einnahmen geführt habe.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 S. 3; UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1, § 15 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin), eine inzwischen beendete Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), kaufte mit notariell beurkundetem Vertrag vom 16. Mai 1984 ein Grundstück, auf dem ein Gebäude für einen Supermarkt errichtet werden sollte. Ihr wurde das Recht eingeräumt, vom Vertrag zurückzutreten, falls die Baugenehmigung für das Gebäude mit einer bestimmten Mindestfläche nicht bis zum 1. Oktober 1984 erteilt sein würde.
Am 25. Juni 1984 schloß die Klägerin mit einer Kommanditgesellschaft (KG) einen langfristigen Mietvertrag über das zu errichtende Gebäude. Das Mietverhältnis sollte am 15. November 1984 beginnen.
Im Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb und dem Abschluß des Mietvertrages nahm die Klägerin Leistungen dritter Unternehmer in Anspruch, wofür ihr Umsatzsteuer gesondert in Rechnung gestellt wurde, und zwar: vom Makler ... DM wegen der Vermittlung des Kaufvertrages und ... DM wegen der Vermittlung des Mietvertrages sowie von weiteren Dritten insgesamt ... DM wegen der Vertragsbeurkundungen, wegen Vermessungsarbeiten und wegen Aufschlußbohrungen.
Gegenüber dem Beklagten und Beschwerdeführer (Finanzamt -- FA --) erklärte die Klägerin, auf die Steuerbefreiung für die Vermietungsumsätze zu verzichten (§ 4 Nr. 12 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes -- UStG 1980 --), und machte in der Umsatzsteuer-Jahreserklärung 1984 die erwähnten Steuerbeträge als Vorsteuer geltend.
Die für die Errichtung des Gebäudes er forderliche Baugenehmigung wurde nicht erteilt, woraufhin der Grundstückskaufvertrag durch die Vertragsparteien einvernehmlich aufgelöst wurde. Dem FA teilte die Klägerin am 30. Dezember 1985 mit, daß sie aufgrund dessen als GbR aufgehoben worden sei.
Das FA setzte durch geänderten Umsatzsteuerbescheid 1984 vom 6. März 1986 die Umsatzsteuer der Klägerin mit der Begründung auf 0 DM fest, die Klägerin sei von Anfang an umsatzsteuerrechtlich nicht Unternehmer gewesen, da ihr eine nachhaltige Erzielung von Einnahmen nicht möglich gewesen sei.
Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit der Begründung statt (Herabsetzung der Umsatzsteuer 1984 auf ./. ... DM), der geltend gemachte Vorsteuerabzug scheitere nicht an fehlender Unternehmer eigenschaft. Diese beginne mit dem ersten nach außen erkennbaren Tätigwerden, zu dem auch Vorbereitungshandlungen gehörten. Gründungsbezüge und mit ihnen im Zusammenhang stehende Anlaufkosten seien deshalb der unternehmerischen Tätigkeit zuzurechnen. Dies werde durch den Grundsatz der Neutralität des Mehrwertsteuer systems hinsichtlich der Belastung des Unternehmens mit Abgaben geboten. Würden die im engen Zusammenhang mit der künftigen Nutzung eines Grundstücks stehenden und für die Grundstücksnutzung erforder lichen Investitionshandlungen vorgenommen, so sei der Investor im umsatzsteuerrechtlichen Sinne als Unternehmer anzusehen (Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 14. Februar 1985 Rs. 268/82, EuGHE 1985, 660, Steuerrechtsprechung in Karteiform, 6. Umsatzsteuer-Richtlinie (EWG), Art. 4, Rechtsspruch 1). Ein hierdurch ermöglichter Vorsteuerabzug entfalle nicht etwa im Hinblick darauf, daß eine ernsthaft angestrebte unternehmerische Betätigung nicht zu Einnahmen geführt habe. Aus § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG 1980 ergebe sich, daß es darauf ankomme, ob die Betätigung zur Erzielung von Einnahmen aufgenommen worden sei. Dementsprechend werde nicht vorausgesetzt, daß wirklich Einnahmen erzielt worden seien.
Im Streitfall belege der Abschluß der Verträge, daß die Klägerin ernsthaft die Erzielung von Mieteinnahmen mittels des für einen Supermarkt zu errichtenden Gebäudes angestrebt habe. Hierauf seien die Vorbereitungshandlungen der Klägerin gerichtet.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde beruft sich das FA auf die Zulassungsgründe aus § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und macht geltend, das FG sei der Auffassung, Vorbereitungshandlungen in Form von Investitionsmaßnahmen, die in engem Zusammenhang mit der Nutzung eines Grundstücks ständen, seien durch ein im Entstehen begriffenes Unternehmen veranlaßt und berechtigten selbst dann zum Vorsteuerabzug, wenn die ernsthaft angestrebte unternehmerische Betätigung später nicht zu Einnahmen führe. Das FG setze sich mit dieser Beurteilung in Widerspruch zu Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH). In den Urteilen vom 20. Januar 1988 X R 48/81 (BFHE 152, 556, BStBl II 1988, 557) und vom 19. Mai 1988 V R 115/83 (BFHE 154, 173, BStBl II 1988, 916) mache der BFH den Abzug der aus Vorbereitungshandlungen herrührenden Vorsteuer davon abhängig, daß der Investor später wirklich Leistungen gegen Entgelt erbringe. Auch nach den BFH-Urteilen vom 17. Juli 1980 V R 5/72 (BFHE 131, 114, BStBl II 1980, 622), vom 18. März 1988 V R 178/83 (BFHE 153, 166, BStBl II 1988, 646) und vom 22. Juni 1989 V R 37/84 (BFHE 158, 144, BStBl II 1989, 913) erfordere eine unternehmerische Tätigkeit grundsätzlich die Ausführungen von entgeltlichen Leistungen.
Eine Revisionszulassung sei aber jedenfalls wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache geboten. Denn -- näher bezeichnete -- Entscheidungen von Finanz gerichten hätten zum Teil mit -- fundstellenmäßig angegebener -- Zustimmung im Schrifttum die Berechtigung zum Vorsteuerabzug für den Fall bejaht, daß es nicht zu Umsätzen komme, und eine ausdrückliche höchstrichterliche Beantwortung der Frage liege noch nicht vor.
Entscheidungsgründe
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des FA wird die Revision zugelassen.
1. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beschwerde des FA auch insoweit ein Erfolg beschieden sein müßte, als sich das FA auf grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) sowie hinsichtlich der BFH-Urteile in BFHE 152, 556, BStBl II 1988, 557, in BFHE 131, 114, BStBl II 1980, 622, in BFHE 153, 166, BStBl II 1988, 646 und in BFHE 158, 144, BStBl II 1989, 913 auf Divergenz zur BFH-Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) beruft. Denn letzterer Zulassungsgrund ist vom FA jedenfalls in Beziehung auf das BFH-Urteil in BFHE 154, 173, BStBl II 1988, 916 erfolgreich geltend gemacht worden.
2. Die Revision ist u. a. zuzulassen, wenn die angefochtene Vorentscheidung von einem Urteil des BFH abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Dies ist vom FA unter Beachtung der formellen Anforderungen aus § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde zutreffend geltend gemacht worden.
Das FA hat sowohl hinsichtlich der angefochtenen Vorentscheidung als auch in Beziehung auf das zuletzt zitierte BFH- Urteil abstrakte Rechtssätze dargelegt, die zueinander in Widerspruch stehen. Fer- ner trifft die Rechtsbehauptung des FA zu, daß sich die betreffenden Rechtssätze jeweils den beiden Entscheidungen entnehmen lassen.
Die Klägerin wendet insoweit ein, das erörterte BFH-Urteil betreffe einen mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbaren Sachverhalt, weil es sich mit dem Vorsteuerabzug bei aufzuteilenden Umsätzen befasse. Dies ist nicht der Fall. Vielmehr kommt im Urteil zum Ausdruck (unter 2. a) aa), die Unternehmereigenschaft setze u. a. voraus, daß tatsächlich Leistungen gegen Entgelt erbracht worden seien.
3. Da die Revision bereits hiernach zuzu lassen war, braucht der Senat nicht darauf einzugehen, ob die Zulassung auch im Hinblick auf das nach Erlaß der Vorentscheidung ergangene BFH-Urteil vom 18. April 1991 V R 80/86 (BFH/NV 1992, 206) ge boten wäre (vgl. hierzu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 115 Anm. 19 i. V. m. Anm. 6 und 69).
Fundstellen
Haufe-Index 418688 |
BFH/NV 1995, 362 |
BFH/NV 1995, 363 |